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OGH vom 14.06.2016, 3Ob42/16x

OGH vom 14.06.2016, 3Ob42/16x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. J*****, 2. J*****, und 3. Ing. F*****, alle vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner J*****, vertreten durch die Thum Weinreich Schwarz Chyba Reiter Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Entschädigung für Wildschäden nach §§ 101 ff nöJagdG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 12 R 132/15t 15, womit der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 26 Nc 3/15g 11, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner als Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke macht gegen die Antragsteller als Jagdausübungsberechtigte Wildschäden an Sojakulturen aus dem Jahr 2013 nach dem nöJagdG geltend. Mit – durch fristgerechte Anrufung des Gerichts außer Kraft getretenem – Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) wurden die Antragsteller zu einer Ersatzleistung von 2.602 EUR verpflichtet. Sie bestreiten das Vorliegen eines Wildschadens und werfen dem Antragsgegner anspruchsvernichtende Fristversäumnisse vor. Dieser behauptet einen Schaden von 4.328 EUR.

Das Erstgericht stellte antragsgemäß fest, dass ein Anspruch auf Entschädigung für Wildschäden aus dem Jahr 2013 dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe. Der Antragsgegner habe den Erntezeitpunkt nicht gemäß § 110 Abs 3 nöJagdG rechtzeitig bekanntgegeben und deshalb nach § 112 Abs 1 nöJagdG seinen Anspruch verloren; auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 112 Abs 1 nöJagdG, das ihn an der rechtzeitigen Bekanntgabe gehindert hätte, könne er sich nicht berufen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, wies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zu § 110 Abs 3 bzw § 112 Abs 1 nöJagdG fehle. Der Zweck des § 110 Abs 3 nöJagdG liege nach Wortlaut und historischer Interpretation nur darin, dass der Schlichter die Pflanzen vor der Ernte besichtige, um das Vorliegen eines Wildschadens und des Ausmaßes prüfen zu können; seine Anwesenheit bei der Ernte, um diese und die Erträgnisse zu kontrollieren, sei davon nicht umfasst. Es reiche aus, wenn der Schlichter den Zustand der Pflanzen unmittelbar vor der Ernte begutachten könne. Die Bekanntgabe durch den Antragsgegner an den Schlichter vom , wonach die Ernte nicht vor dem stattfinden werde, sei ausreichend gewesen und habe dem Schlichter ausreichend Zeit gegeben, eine Befundaufnahme vor der Ernte anzuberaumen. Der neuerlichen Verständigung des Schlichters (vom ) über den tatsächlichen Erntetermin am komme deshalb keine entscheidende Bedeutung zu. Da das Erstgericht ungeklärt habe lassen, ob ein – von den Antragstellern bestrittener – Wildschaden vorliege, bedürfe es der Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz.

Dagegen erhoben die Antragsteller Revisionsrekurs wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Anberaumung einer Revisionsrekursverhandlung und auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Der Antragsgegner erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung , in der er den gegnerischen Argumenten entgegentritt und begehrt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Den Antragstellern gelingt es nicht, in ihrem Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen, weshalb ihr Rechtsmittel – ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) – als nicht zulässig zurückzuweisen ist (jüngst: 6 Ob 203/15v mwN; 10 Ob 109/15z). Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

1. Die beantragte „Anberaumung“ (und Durchführung) einer Revisionsrekursverhandlung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nicht als Tatsacheninstanz, sondern als Rechtsinstanz nur über Rechtsfragen zu entscheiden hat und daher Beweisaufnahmen oder ergänzungen nicht in Betracht kommen. Der Revisionsrekurswerber hatte in seinem Rechtsmittel ausreichend Gelegenheit zur Darlegung seines Rechtsstandpunkts (RIS Justiz RS0007236; RS0043689 [T4]).

2. Die unter dem Titel Aktenwidrigkeit vorgenommene Beanstandung der Feststellungen des Erstgerichts zur Schadensfeststellung und meldung des Antragsgegners stellt inhaltlich eine – auch im Außerstreitverfahren – in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge dar (RIS Justiz RS0007236 [T1 bis T 4, T 6, T 7]).

3. Der Vorwurf, die Rechtsrüge im Rekurs des Antragsgegners sei nicht gesetzmäßig ausgeführt worden und wäre deshalb nicht zu berücksichtigen gewesen, übersieht § 47 Abs 3 AußStrG, wonach ein Rekurs nur „hinreichend“ erkennen lassen muss, aus welchen Gründen sich die Partei beschwert erachtet und welche andere Entscheidung sie anstrebt. Diesen deutlich reduzierten Anforderungen an Rekurserklärung, Rekursgründe und Rekursantrag ( G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 47 Rz 9) wurde der Rekurs des Antragsgegners – auch wenn eine Gliederung nach Beweis und Rechtsrügen fehlt – noch gerecht.

4. Nach den – bindenden – Feststellungen des Erstgerichts stellte der Antragsgegner am einen Verbissschaden auf seinen Feldern fest. Mit dem am dem Erstantragsteller als Jagdleiter zugegangenen Schreiben verständigte der Antragsgegner die Antragsteller vom Schaden. Am teilte er der zuständigen BH – ohne Einschätzung der Schadenshöhe – den Eintritt eines Wildschadens mit und meldete diesen an. Nach einem entsprechenden Auftrag durch die BH verbesserte der Antragsgegner seine Schadensmeldung am innerhalb der gesetzten Frist und gab an, dass der Schaden erst zum Zeitpunkt der Ernte ersichtlich sein werde und auf 146 EUR bis 3.968 EUR für Feldstück 1 und auf 197 EUR bis 5.349 EUR für Feldstück 2 geschätzt werde.

4.1. In diesem Zusammenhang vermeinen die Antragsteller in ihrem Revisionsrekurs,

– der Antragsgegner habe den Schaden verfrüht, weil vor Ablauf der Frist für einen Vergleich nach § 107 Abs 1 letzter Satz nöJagdG angemeldet,

– er habe es entgegen § 110 Abs 1 nöJagdG verabsäumt, den Schaden ziffernmäßig zu bezeichnen, was zur Zurückweisung seiner Schadensmeldung führen hätte müssen, weil deren Verbesserung nach dem nöJagdG nicht vorgesehen und wegen der bestehenden unerstreckbaren Fallfrist nicht möglich sei, und

– auch die nachgetragenen Schätzungen des Schadens würden der „Notwendigkeit der Angabe einer einzigen ziffernmäßigen Summe“ nicht entsprechen.

Angesichts des – schon nach dem Wortlaut des Gesetzestextes – eindeutigen Zwecks der angesprochenen Bestimmungen des nöJagdG, stellt deren Anwendung im Einzelfall, auch wenn der Oberste Gerichtshof dazu noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, jedoch keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0042565; jüngst: 8 ObA 30/16v [P 2.1]; 5 Ob 189/15b [P 3.2]; 1 Ob 242/15t [P 2.2] je mwN; vgl auch RIS Justiz RS0102181; 10 Ob 59/14w).

4.2. § 112 Abs 1 erster Fall nöJagdG sieht den Verlust des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten vor, wenn er die rechtzeitige, ziffernmäßig bestimmte Anmeldung des Schadens bei der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 110 Abs 1 nöJagdG (dh innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist nach § 107 Abs 1 nöJagdG für einen Vergleich nach Bekanntgabe des Schadens an den Jagdausübungsberechtigten) unterlässt.

Für den Fall einer Schadensmeldung an die Behörde vor Ablauf der für einen Vergleich eingeräumten Frist ordnet § 112 Abs 1 nöJagdG daher keinen Anspruchsverlust an.

4.3. § 122 nöJagdG normiert – soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist – im Verfahren über Ansprüche auf Ersatz von Jagd und Wildschäden die Anwendung der Bestimmungen des AVG.

Der von der BH erteilte Verbesserungsauftrag hatte daher seine Grundlage in § 13 Abs 3 AVG.

4.4. Der Antragsgegner kam diesem Auftrag am nach, also noch lange vor Ablauf der Präklusivfrist (§ 110 Abs 1 iVm § 112 Abs 1 erster Fall nöJagdG), die hier ausgehend vom (+ 2 Wochen + 2 Wochen) erst im Juli 2013 endete.

4.5. Für die Meldung eines grundsätzlich ziffernmäßig zu bezeichnenden (§ 110 Abs 1 zweiter Satz nöJagdG) Schadens, der nach Ansicht des Geschädigten erst im Zeitpunkt der Ernte feststellbar ist, „ist seine voraussichtliche Höhe anzuschätzen“ und auf diesen Umstand im Antrag hinzuweisen (§ 110 Abs 1 letzter Satz nöJagdG).

Dem ist der Antragsgegner in seiner Verbesserung der Schadensmeldung nachgekommen. Er hat nicht nur auf den späteren Zeitpunkt der Feststellbarkeit hingewiesen, sondern auch die ziffernmäßige Schätzung der künftigen Schadenshöhe vorgenommen. Es liegt im Wesen der dabei notwendigen spekulativen Beurteilung der künftigen Entwicklung von bereits geschädigten Pflanzen, dass deren Ergebnis nicht exakt kalkulierbar ist, sondern nur im Rahmen einer gewissen Bandbreite. Die Nennung einer betraglichen Ober und Untergrenze einer solchen vom Gesetz abverlangten Schätzung entspricht daher einer ziffernmäßigen Bezeichnung.

5. Der Antragsgegner teilte dem Schlichter (§ 110 Abs 2 nöJagdG) mit Schreiben vom mit, dass der Erntezeitpunkt nicht vor dem stattfinden werde, das genaue Datum lasse sich derzeit nicht festmachen. Am teilte der Antragsgegner dem Schlichter telefonisch mit, dass die Ernte am erfolgen werde, zu der weder der Schlichter noch die Antragsteller erschienen.

5.1. Für den Fall, dass sich die Höhe des Schadens erst zur Zeit der Ernte ermitteln lässt, verlangt § 110 Abs 3 nöJagdG, dass der Schlichter eine weitere Besichtigung für diesen Termin vorzusehen hat, und dass der Geschädigte den Schlichter spätestens zwei Wochen „vor dem in Aussicht genommenen Erntezeitpunkt“ zu verständigen hat.

5.2. Das Rekursgericht setzte sich ausführlich mit der historischen Entwicklung der Regelungen im Sinn der derzeit geltenden §§ 110 Abs 3 und 112 Abs 1 nöJagdG auseinander. Es gelangte zum – zutreffenden – Ergebnis, Zweck dieser Regelung sei die Befundaufnahme durch den Schlichter vor Durchführung der Ernte, nicht jedoch die Teilnahme an der Ernte; es reiche daher aus, wenn der Schlichter den Zustand der Pflanzen unmittelbar vor der Ernte begutachten könne, weshalb die Verständigung vom für die Vermeidung eines Anspruchsverlustes ausreiche.

5.3. Demgegenüber erblicken die Antragsteller in der Bekanntgabe des Antragsgegners vom keine hinreichende Verständigung des Schlichters iSd § 110 Abs 3 nöJagdG, was den Anspruchsverlust nach § 112 Abs 1 zweiter Fall nöJagdG zur Folge habe. Warum die fundierte historische Interpretation durch das Rekursgericht „rechtsunrichtig“ sein soll, ist dem Revisionsrekurs jedoch nicht zu entnehmen. Die Antragsteller verweisen nur darauf, diese Verständigungspflicht bezwecke, dass der Schlichter unmittelbar vor der Ernte den Zustand der Pflanzen begutachte und bei der Ernte anwesend sei, um die konkrete Höhe des Wildschadens zu kontrollieren und festzustellen.

5.4. Dem ist zu erwidern:

Mag auch im Idealfall die (neuerliche) Befundaufnahme durch den Schlichter unmittelbar vor Beginn der Ernte stattfinden, zeigt doch die Anknüpfung des Gesetzes an den naturgemäß – weil ua von der physiologischen Reife und dem Feuchtegrad des Ernteguts abhängigen (vgl das unbestritten gebliebene Vorbringen des Antragsgegners ON 4 S 3) – bloß voraussichtlichen (arg: „in Aussicht genommenen“) Erntetermin, dass sich auch der Gesetzgeber der mangelnden (zumindest nicht immer zwei Wochen im Voraus gewährleisteten) Voraussehbarkeit eines exakten Erntetermins durchaus bewusst war. Daraus folgt aber auch, dass der Gesetzgeber gar nicht davon ausging, der bekanntgegebene Erntezeitpunkt werde (stets) mit dem tatsächlichen ident sein. Der offensichtliche (realistische) Zweck der Regelung liegt somit nicht in der Sicherstellung der Befundaufnahme unmittelbar vor Beginn oder sogar während der Ernte, sondern ist allein in einer neuerlichen Befundung der Schadenshöhe in zeitlicher Nähe vor der Ernte zu erblicken.

5.5. Ausgehend von diesem, bereits vom Rekursgericht erkannten Zweck des § 110 Abs 3 Satz 2 nöJagdG ist die Beurteilung, die Verständigung vom habe dem Genüge getan, im konkreten Einzelfall aber jedenfalls vertretbar: Bestand doch für den Schlichter die Möglichkeit der Anberaumung eines Lokalaugenscheins zB für den , der die Chance einer Befundaufnahme unmittelbar vor der Ernte geboten hätte. Damit wäre auch eine ausreichende zeitliche Nähe zur tatsächlichen Ernte am zu erreichen gewesen. Dass der ein unrealistischer oder gar nicht ernstlich in Aussicht genommener Erntetermin gewesen wäre, haben die Antragsteller nicht einmal behauptet, sodass sich Überlegungen dazu erübrigen.

Die auf welche Gründe immer zurückzuführende Untätigkeit des Schlichters geht daher ebensowenig zu Lasten des Antragsgegners wie der Umstand, dass er den tatsächlichen Erntetermin erst am Vortag dem Schlichter bekanntgab. Dessen neuerliche Verständigung war – wegen seiner bisherigen Untätigkeit – zwar sinnvoll, jedoch nicht notwendig, um einen Anspruchsverlust gemäß § 112 Abs 1 zweiter Fall nöJagdG zu verhindern.

6. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof als Rechtsinstanz den Aufträgen des Rekursgerichts zur Verfahrensergänzung nicht entgegentreten (RIS Justiz RS0006737).

7. Der Revisionsrekurs über den Kostenpunkt ist jedenfalls unzulässig (§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG). Dem Obersten Gerichtshof ist somit ein Eingehen auf die Kritik an der Kostenentscheidung des Rekursgerichts verwehrt.

8. Die Revisionsrekursbeantwortung ist mangels begründeter Ausführungen zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet (vgl 3 Ob 72/16h mwN) und daher nicht zu honorieren (7 Ob 135/02g).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00042.16X.0614.000