OGH vom 25.03.2004, 3Ob267/03s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Dietbert Helbig-Neupauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei N***** GmbH, ***** wegen 88.000 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Erstehers Alireza Almassi N*****, vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 554/03s-96, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 25 E 214/01d-81, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Bei der von der betreibenden Wohnungseigentümergemeinschaft eines näher genannten Hauses in Wien gegen die verpflichtete Wohnungseigentümerin (GmbH) geführten Zwangsversteigerung von Miteigentumsanteilen derselben war bei der Versteigerungstagsatzung vom der Revisionsrekurswerber der Meistbietende. In dieser Tagsatzung erhoben sowohl die betreibende Partei als auch der Bieter mit dem zweithöchsten Gebot (im Folgenden nur Bieter) Widerspruch gegen den Zuschlag an den Meistbietenden. Der Bieter brachte vor, der Meistbietende sei als Strohmann für die verpflichtete Partei eingeschritten und überdies von deren Anwalt im Versteigerungstermin vertreten worden. Die betreibende Partei schloss sich dem an und brachte vor, der Meistbietende sei Vertreter der verpflichteten Partei. Dessen Vertreter, ein Rechtsanwalt, erwiderte, er sei im eigenen Namen für den Meistbietenden eingeschritten. Dagegen habe eine im Firmenkern seinen Familiennamen enthaltende Rechtsanwälte KEG die verpflichtete Partei in einigen zivilrechtlichen Verfahren vertreten und auch im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren einmal eine Vollmacht für diese gelegt, sie aber anschließend widerrufen.
Die Erstrichterin erteilte dem Meistbietenden den Zuschlag um das Meistbot von 88.000 EUR und ging dabei von folgenden Feststellungen aus: Der Meistbietende steht in einem Naheverhältnis zur verpflichteten Partei und gerierte sich mehrfach als deren Vertreter in der Weise, dass er als solcher auftrat und handelte. Eingetragener Geschäftsführer bzw. Gesellschafter der verpflichteten GmbH sind aber zwei andere Personen, davon einer mit dem gleichen Familiennamen wie der Meistbietende. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde die verpflichtete Partei vorübergehend kurz von der Rechtsanwälte B***** & Partner KEG vertreten. Zwischen dem Meistbietenden und der betreibenden Partei bzw. deren Vertreter bestehen Animositäten. Rechtlich folgerte das Erstgericht, es liege kein Fall des § 180 Abs 1 und 3 EO vor. Nur der, der mit einer ausdrücklichen Vollmacht des Verpflichteten mitbieten wolle, sei nicht zum Bieten zuzulassen. Dieser Fall liege hier nicht vor. Der Ersteher sei auch nicht durch einen Vertreter des Verpflichteten vertreten worden. Zum einen habe der nunmehrige Vertreter die verpflichtete Partei nie vertreten, zum anderen sei die Vollmacht der Rechtsanwälte KEG aufgelöst worden. Der betreibenden Partei fehle auch die Beschwer für den Widerspruch; immerhin habe der meistbietende Ersteher viel mehr als den Schätzwert von 51.400 EUR geboten.
Das Rekursgericht versagte in Stattgebung der Rekurse der betreibenden Partei und des Bieters die Erteilung des Zuschlags an den Meistbietenden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung folge aus der Feststellung, dass der Meistbietende mehrfach als Vertreter der verpflichteten Partei aufgetreten sei und als solcher gehandelt habe, daher gemäß § 180 Abs 3 EO als Vertreter des Verpflichteten nicht zum Bieten berechtigt gewesen sei. Die Bestimmungen des § 180 Abs 1 und 3 EO bezweckten in ihrem Zusammenhang die Verhinderung allfälliger Machinationen des Verpflichteten und einer Interessenkollision seines Vertreters. Zweck sei, Umtriebe zu verhindern, die den Ablauf einer erfolgreichen Versteigerung gefährdeten. Dafür erforderlich sei nicht eine ausdrückliche Vollmacht oder organschaftliche Funktion des Vertreters des Verpflichteten, vielmehr reiche es aus, dass er auf Grund seines Auftretens und seiner Handlungen als Vertreter angesehen werden müsse. Nur so könnten Umtriebe durch einen Strohmann des Verpflichteten ausgeschlossen werden, wie es die Bestimmung des § 180 Abs 3 EO bezwecke. Somit sei der Meistbietende auch vom Bieten im eigenen Namen ausgeschlossen gewesen. Die Vertretung durch den näher genannten Rechtsanwalt sei dagegen aus näher dargestellten Erwägungen nicht zu beanstanden. Der Widerspruch beider Rekurswerber sei berechtigt, weshalb der Zuschlag an den Meistbietenden versagt werden müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Meistbietenden ist nicht zulässig.
a) Vorerst ist festzuhalten, dass im Zusammenhang mit dem Zuschlag oder den Rechten des Erstehers stehenden Entscheidungen nach der Rsp des erkennenden Senats in der Regel der Wert des Meistbots maßgebend ist (SZ 57/80; SZ 61/248 = NZ 1990, 33; EvBl 2000/170 [in casu: nicht zugelassener Bieter]; 3 Ob 265/00t; RIS-Justiz RS0044261; vgl. auch Jakusch in Angst, EO, § 65 Rz 25). Entscheidungsgegenstand ist daher ein Betrag von 88.000 EUR.
b) Zwar hat sich die zweite Instanz nicht ausdrücklich mit der Beschwer der Rekurswerber iSd § 182 Abs 2 EO durch den Zuschlag befasst. Es kann aber entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs kein Zweifel daran bestehen, dass der Bieter mit dem zweithöchsten Gebot durch den Zuschlag an den unberechtigterweise zum Mitbieten zugelassenen Meistbietenden beschwert ist, wäre doch ohne dessen Dazwischenkommen ihm der Zuschlag zu erteilen gewesen. In Ansehung der betreibenden Partei muss zwar grundsätzlich der Widerspruch Erhebende, sofern es nicht offenkundig ist, dartun, dass er durch die Erteilung des Zuschlags benachteiligt würde (SZ 19/327 = RZ 1938, 90; JBl 1968, 481 = EvBl 1968/219; Angst in Angst, EO, § 184 Rz 3). Im Sinne dieser Bestimmung sind etwa jene Buchberechtigten nicht als beschwert anzusehen, deren Rechte nach den Versteigerungsbedingungen ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind (3 Ob 147/97g). Auch der Rekurs nach § 187 Abs 1 EO setzt eine denkbare Beeinträchtigung des Rekurswerbers voraus (3 Ob 147/97g; Angst aaO § 187 Rz 6; Breinl/Zbiral in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 187 Rz 3). Hat aber entgegen § 180 Abs 1 und 3 EO eine Person mitgeboten, die von der Teilnahme in der Versteigerung von Rechts wegen ausgeschlossen war, besteht grundsätzlich der Verdacht, dies sei zur Vereitelung des Exekutionszwecks oder zur Benachteiligung von Gläubigern erfolgt; etwa, weil von vornherein nicht die Absicht bestand, das Meistbot auch tatsächlich zu entrichten, was zu einer Verfahrensverzögerung führen muss. Deshalb ist grundsätzlich von einer Beschwer jedenfalls der betreibenden Partei in einem solchen Fall auszugehen, es wäre denn eine solche auszuschließen, etwa weil der Meistbietende, der als Vertreter des Verpflichteten anzusehen ist, das Meistbot bereits zur Gänze erlegt hätte. Da solches hier nicht der Fall ist, hat das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht die Rechtsmittel in der Sache behandelt.
Im Übrigen muss das Rechtsmittel mit der Behauptung fehlender Beschwer auch an § 187 Abs 3 EO scheitern, wonach neben hier nicht geltend gemachten Aktenwidrigkeiten der Rekurs gegen die Versagung des Zuschlags nur darauf gestützt werden kann, dass keiner der in diesem Gesetz angegebenen Versagungsgründe vorliegt. Derartiges wird aber mit der Berufung auf mangelnde Beschwer der erfolgreichen Rekurswerber nicht dargetan.
c) Entscheidend für die Frage, ob das Rekursgericht den Zuschlag zu Recht versagte, ist die Auslegung des § 180 Abs 3 EO. Darin wird lediglich lapidar angeordnet, Vertreter des Verpflichteten seien zum Bieten nicht zuzulassen. Was unter diesen Vertretern genau zu verstehen ist, ist weder der genannten noch einer anderen Bestimmung der EO zu entnehmen. Auch die Materialien (RV, Erläuternde Bemerkungen zur Exekutionsordnung 538 ff) geben darüber keinen Aufschluss. Diesen lässt sich allerdings entnehmen, dass es Absicht des Gesetzgebers war, möglichst schnell und möglichst noch im Versteigerungstermin eine Entscheidung darüber herbeizuführen, wer Ersteher der Liegenschaft wird. Die Verfasser der EB waren der Auffassung, die Widerspruchsgründe (darunter auch die mangelnde Einhaltung des nunmehrigen § 180 EO (§ 184 Abs 1 Z 5 EO) könnten bei gehöriger Erfüllung der dem Richter durch das Gesetz auferlegten Überwachungspflicht durchwegs leicht vermieden werden. Bei Versagung des Zuschlags könne die Versteigerung, wenn die sofortige Behebung der Fehler möglich sei, sogleich wiederholt werden, und sie blieben dann ohne alle Folgen für den weiteren Gang des Versteigerungsverfahrens. Weiters wurde die Auffassung vertreten, vom Exekutionsverfahren könnten ohne eine gewisse Mithilfe sämtlicher Beteiligten die besorgten Störungen und verzögernden Unterbrechungen nicht fern gehalten werden (Materalien 540).
In der Rsp wurde bisher offenbar die Beurteilung eines Bietinteressenten als Vertreter des Verpflichteten noch nie problematisiert. Im Fall der Entscheidung SZ 35/97 = EvBl 1963/12 = RZ 1963, 17 war ein Rechtsanwalt, der Abwesenheitskurator der Gesellschafter der verpflichteten Partei war, "als Vertreter" eines Hypothekargläubigers aufgetreten. Im Fall der Entscheidung 3 Ob 37/91 = RZ 1991/77 = AnwBl 1992, 164 = ecolex 1991, 610 war ein Rechtsanwalt auf Grund der Behauptung, er vertrete die Verpflichtete sowohl im Exekutions- als auch im Konkursverfahren, vom Bieten mit Erfolg (und unangefochten) ausgeschlossen worden. Lediglich der E SZ 35/97 ist die Erwägung zu entnehmen, dass das Gesetz mit dem Ausschluss des Verpflichteten vom Bieten auch in Namen eines Dritten Umtriebe verhindern wolle, die den Ablauf einer erfolgreichen Versteigerung gefährden. Von einem Vertreter des Verpflichteten, der ja dessen Interesse zu wahren habe und dessen Weisungen nachkommen müsse, könne im Allgemeinen nichts anderes erwartet werden wie vom Verpflichteten selbst. Ob eine solche Gefahr im Einzelfall bestehe, sei nicht entscheidend. Demnach sei § 180 Abs 3 EO so auszulegen, dass Vertreter des Verpflichteten auch nicht im Namen dritter Personen bei der Zwangsversteigerung mitbieten dürften. Auch in der Lehre finden sich keine näheren Erörterungen, wer als Vertreter des Verpflichteten vom Bieten auszuschließen ist. Heller/Berger/Stix (EO4 1338) begnügen sich im Wesentlichen mit der Wiedergabe der Gründe der Entscheidung SZ 35/97, Angst (aaO § 180 Rz 5 und Breinl (aaO § 180 Rz 5) stellen zur hier kritischen Frage keine eigenen Erwägungen an.
Aus der Verwendung der Mehrzahl ("Vertreter des Verpflichteten sind ...") kann zunächst geschlossen werden, dass damit nicht nur jene Person gemeint sein kann, die als Vertreter des Verpflichteten im Exekutionsverfahren selbst einschreitet. Demnach werden auch gesetzliche Vertreter oder - wie im Fall der E SZ 35/97 - vom Gericht bestellte umfasst sein, ebenso organschaftliche Vertreter wie Geschäftsführer einer GmbH. Darunter fallen aber auch gewählte Vertreter (Bevollmächtigte) der verpflichteten Partei. Für alle diese Personen treffen nämlich die in der E SZ 35/97 angestellten Erwägungen zu, unter einem generellen Kollusionsverdacht zu stehen.
Nach den bindenden erstgerichtlichen Feststellungen war im vorliegenden Fall der Meistbietende als Bevollmächtigter und Vertreter der verpflichteten Partei (auch in Bezug auf das vorliegende Exekutionsverfahren) aufgetreten. Auf die Beendigung dieses Vertretungsverhältnisses hat er sich nicht berufen, obwohl sein Vertreter zum Widerspruch in der Versteigerungstagsatzung Stellung nehmen konnte und auch Stellung genommen hat. Stand nun bei der Versteigerungstagsatzung fest, dass der Meistbietende als Vertreter der verpflichteten Partei aufgetreten war, bedurfte es mangels einer Behauptung von seiner Seite, er sei in Wahrheit unbefugt für die verpflichtete Partei aufgetreten, keiner weiteren Prüfung. Schon auf Grund dieser Feststellungen wäre der Zuschlag an ihn versagen müssen.
Damit kommt es aber nicht mehr darauf an, wie Rechtsvertreter unter dem Gesichtspunkt des § 180 Abs 3 EO zu beurteilen sind, die zwar im Exekutionsverfahren, aber nicht mehr bei der Versteigerungstagsatzung bevollmächtigte Vertreter der verpflichteten Partei waren.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).