OGH vom 26.04.1994, 4Ob50/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung (Streitwert im Provisorialverfahren ÖS 250.000,-), infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , GZ 2 R 243/93-32, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 12 Cg 1231/92-25, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt - einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils - wie folgt zu lauten haben:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruches der Klägerin gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbs- und urheberrechtswidriger Handlungen, worauf die Unterlassungsklage gerichtet ist, wird der Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, im Zusammenhang mit von ihr vertriebenen Tonträgern (Compact Discs und Musikkassetten) die Wortmarke 'Schürzenjäger' und das Musikstück 'Blauer See', gesungen von den 'Zillertaler Schürzenjägern', zu verwenden und diese Tonträger zu vertreiben.
Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, im Zusammenhang mit von ihr vertriebenen Tonträgern Abbildungen der 'Zillertaler Schürzenjäger' zu verwenden und diese Tonträger zu vertreiben, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit ÖS 13.930,85 bestimmten anteiligen Kosten (darin ÖS 2.232,22 USt. und ÖS 537,50 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin hat 3/4 der Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig und 1/4 endgültig selbst zu tragen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit ÖS 2.828,70 bestimmten anteiligen Kosten der Rekursbeantwortung (darin ÖS 471,45 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt einen Musikverlag, dem die ausschließlichen Verlags-, Vervielfältigungs- und Vertriebsrechte am Musikstück "Blauer See", vorgetragen von den "Zillertaler Schürzenjägern", zustehen. Zugunsten der Klägerin ist die Wortmarke "Schürzenjäger" mit Beginn der Schutzdauer im Markenregister des Österreichischen Patentamtes unter der Nr. 93.638 für die Klassen 9 (Schallplatten und andere Tonaufzeichnungsträger) und 41 (Unterhaltung durch musikalische Darbietungen) eingetragen. Ing.Helmut R***** ist Gesellschafter der Klägerin; seine Ehegattin Elsa R***** ist geschäftsführende Gesellschafterin. Die Verträge mit den "Zillertaler Schürzenjägern" schloß Ing.Helmut R***** als Einzelkaufmann; in der Folge brachte er seine Rechte in das Unternehmen der Klägerin ein.
Am übergab Ing.Helmut R***** Oskar F***** drei Titel, darunter den Titel "Blauer See", vorgetragen von den "Zillertaler Schürzenjägern", zur nicht ausschließlichen ("non exclusive") Auswertung auf eigenen Labels in Österreich. Es wurde festgehalten, daß der Weiterverkauf nicht gestattet sei. Oskar F***** war bis 1980 Geschäftsführer der L***** GmbH gewesen, später war er Angestellter dieses Unternehmens. Ing.Helmut R***** und Oskar F***** vereinbarten, die Titel Oskar F***** persönlich und nicht der L***** GmbH zu übertragen.
Hermann M*****, der Oskar F***** als Geschäftsführer der L***** GmbH nachfolgte, stellte aus dem Titel "Blauer See" und 11 weitere Titeln ein Masterband zusammen und ließ es bei der Beklagten im Lohnauftrag duplizieren. Von der Beklagten stammt auch die Aufmachung. Sie verwendete hiefür Bilder, die von der L***** GmbH zur Verfügung gestellt worden waren. Die Compact Discs und Musikkassetten wurden unter dem Label der L***** GmbH "A*****" über den Vertrieb der Beklagten "T*****" in den Handel gebracht.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches nämlich der Beklagten zu untersagen
a. das Musikstück "Blauer See" auf von ihr hergestellten Tonträgern (Compact Discs und Musikkassetten) aufzunehmen und zu vertreiben;
b. auf den Spiegeln dieser Compact Discs und Musikkassetten blickfangmäßig Abbildungen der "Zillertaler Schürzenjäger" bzw. Hinweise wie "Zillertaler Schürzenjäger" zu verwenden,
der Beklagten für die Dauer des Rechtsstreits zu verbieten, im Zusammenhang mit von ihr vertriebenen Tonträgern (Compact Discs und Musikkassetten) Abbildungen der "Zillertaler Schürzenjäger", die Wortmarke "Zillertaler Schürzenjäger" sowie das Musikstück "Blauer See" zu verwenden und weiters diese Tonträger zu vertreiben.
Das Musikstück "Blauer See" sei ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Als Werknutzungsberechtiger stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu. Die Aufmachung der Compact Discs und der Musikkassetten sei irreführend, weil der unrichtige Eindruck erweckt werde, es handle sich vorwiegend um Aufnahmen der "Zillertaler Schürzenjäger".
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie habe nicht in Rechte der Klägerin eingegriffen, weil sie im Auftrag und für Rechnung der L***** GmbH gehandelt habe. Die L***** GmbH habe die Werknutzungsrechte von der Klägerin und die Abbildung von der Firma S***** in M***** erworben und von dieser "beschränkte Werknutzungsrechte" eingeräumt erhalten. Die beteiligten Verkehrskreise erwarteten aufgrund der Aufmachung nur, daß der Tonträger auch eine Aufnahme der "Zillertaler Schürzenjäger" enthalte. Sie würden demnach nicht irregeführt.
Das Erstgericht untersagte der Beklagten, im Zusammenhang mit von ihr vertriebenen Tonträgern (Compact Discs und Musikkassetten) das Musikstück "Blauer See", gesungen von den "Zillertaler Schürzenjägern", zu verwenden und diese Tonträger zu vertreiben. Das Mehrbegehren wies es ab.
Das Erstgericht stellte zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß Hermann M***** für die L***** GmbH von der Firma S***** in M***** das Recht erworben habe, die Abbildung der "Zillertaler Schürzenjäger" zu verwenden. Es könne nicht festgestellt werden, wie die Rechte des Oskar F***** auf die L***** GmbH übertragen wurden.
Das Recht, den Titel "Blauer See" auszuwerten, sei nur Oskar F*****" persönlich übertragen worden. Die L***** GmbH habe daher keine Rechte am Musikstück. Sie habe aber Rechte an der Abbildung der "Zillertaler Schürzenjäger" erworben. Es hätte keinen Sinn, eine Musikgruppe abzubilden, wenn nicht auch deren Name genannt werden dürfte. Der Sicherungsantrag sei daher insoweit abzuweisen. Ein Verstoß gegen § 2 UWG liege nicht vor. Es sei klar erkennbar, daß der Tonträger auch Aufnahmen anderer Künstler enthalte.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Beklagten als verspätet zurück, dem Rekurs der Klägerin gab es nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes ÖS 50.000,- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht nahm nach Umwürdigung der vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Bescheinigungsmittel (s aber nunmehr OGH 6 Ob 650/93, ecolex 1994, 59) als glaubhaft gemacht an, daß Ing.Helmut R***** und Oskar F***** vereinbart haben, es dürften "Cover-Bilder der Kassettenhülsen der Klägerin bzw. Bilder der Interpreten von Kassetteneinlegern der Klägerin verwendet werden". Bei seinem Ausscheiden habe Oskar F***** alle Auswertungsrechte der L***** GmbH übertragen. Daß das Bild der "Zillertaler Schürzenjäger" auf dem Cover von der Firma S***** bezogen wurde, könne nicht festgestellt werden. Da die Klägerin Oskar F***** und dieser der L***** GmbH den Titel "Blauer See" zur Verwertung überlassen habe und da die Beklagte Lohnduplizierer sei und den Vertrieb übernommen habe, stehe der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zu. Die Überlassung des Rechtes zur Verwertung eines Titels schließe das Recht ein, den Titel und die Interpreten auf dem Cover einer Musikkassette oder Compact Disc anzuführen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Sicherungsantrag zur Gänze stattgegeben werde.
Die Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Rekursgericht hätte berücksichtigen müssen, daß der Beklagten die Verwendung des von den "Zillertaler Schürzenjägern" vorgetragene Musikstücks "Blauer See" rechtskräftig untersagt ist. Jeder Hinweis auf die "Zillertaler Schürzenjäger" verstoße daher gegen § 2 UWG. Die Entscheidung stehe mit sich selbst in Widerspruch, weil sie die vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes nicht beachte.
Der Rekurs der Beklagten gegen den stattgebenden Teil der einstweiligen Verfügung wurde wegen Verspätung zurückgewiesen; die entgegen § 58 Abs. 2 EO bewilligte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unwirksam und daher unbeachtlich (EvBl 1982/119; JBl 1983, 493; ÖBl 1986, 45). Der Beklagten ist demnach für die Dauer des Rechtsstreits rechtskräftig untersagt, Tonträger mit dem von den "Zillertaler Schürzenjägern" vorgetragenen Musikstück "Blauer See" herzustellen und zu vertreiben. Diesem Verbot liegt die Feststellung zugrunde, daß die Klägerin Oskar F***** das nicht ausschließliche Recht übertragen hat, den Titel "Blauer See" zu verwerten, und mit ihm vereinbart hat, er dürfe die Rechte nicht weitergeben. Das Rekursgericht hat keine von diesen Feststellungen abweichende Feststellung getroffen; es hat nur, entgegen der Negativfeststellung des Erstgerichtes, festgestellt, daß Oskar F***** seine Rechte der L***** GmbH übertragen hat. Nach dem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt hat demnach Oskar F***** das nicht ausschließliche Verwertungsrecht von der KLägerin übertragen erhalten und trotz ausdrücklichen Verbots an die L***** GmbH übertragen.
Diese Vereinbarung ist unwirksam: Oskar F***** wurde das nicht ausschließliche Verwertungsrecht übertragen und damit (nur) eine Werknutzungsbewilligung eingeräumt (§ 24 Abs 1 Satz 1 UrhG). Darüber hinaus wurde ausdrücklich vereinbart, daß die Rechte nicht weitergegeben werden dürfen. Oskar F***** hätte das Verwertungsrecht daher selbst als Inhaber eines Werknutzungsrechts nicht weitergeben dürfen, setzt die Sondernachfolge in Werknutzungsrechte doch in der Regel die Einwilligung des Urhebers voraus (§ 27 Abs 2 UrhG; SZ 33/45; SZ 40/69). Ob die L***** GmbH annehmen durfte und auch angenommen hat, daß Oskar F***** berechtigt sei, ihr diese Rechte zu übertragen, ist unerheblich, weil es im Urheberrecht keinen gutgläubigen Rechtserwerb gibt (MR 1992, 119).
War aber die L***** GmbH nicht Inhaberin des Verwertungsrechts, so konnte sie auch der Beklagten keine Rechte übertragen. Die Beklagte hat daher mit der Herstellung und dem Vertrieb der Tonträger unter Verwendung des Musikstücks "Blauer See" und der Bezeichnung "Zillertaler Schürzenjäger" in Rechte der Klägerin eingegriffen. Als Inhaberin der Marke "Schürzenjäger" steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach § 9 Abs 3 UWG zu, weil die Gefahr von Verwechslungen mit Tonträgern auf der Hand liegt, die mit Zustimmung der Klägerin hergestellt werden; als Werknutzungsberechtigte hat die Klägerin einen Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG. Daß das von den "Zillertaler Schürzenjägern" vorgetragene Musikstück "Blauer See" ein Werk im Sinne des § 1 UrhG ist und daß der Klägerin daher ein Werknutzungsrecht eingeräumt werden konnte, hat die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.
Eine für den Kaufentschluß erhebliche Irreführung fällt der Beklagten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur Last: Die Compact Discs und Musikkassetten enthalten (auch) eine Aufnahme der "Zillertaler Schürzenjäger", so daß die beteiligten Verkehrskreise durch deren Aufmachung nicht irregeführt werden. Daß ein Verstoß gegen § 2 UWG vorläge, wenn die Beklagte die "Zillertaler Schürzenjäger" auf den Compact Discs und Musikkassetten angeführt hätte, ohne daß diese unter den Interpreten wären, bedarf keiner weiteren Begründung. Ein solches Verhalten hat aber die Beklagte bisher nicht gesetzt; es gibt auch trotz des Verbots, den Titel "Blauer See" zu verwenden, keine Anhaltspunkte, daß es unmittelbar drohend bevorstünde (zur vorbeugenden Unterlassungsklage ÖBl 1970, 54; ÖBl 1978, 102 ua). Damit entfällt auch die Grundlage für das von der Klägerin begehrte Verbot, Abbildungen der "Zillertaler Schürzenjäger" zu verwenden. Die Klägerin hat nicht behauptet, die Rechte des Lichtbildherstellers nach § 74 UrhG zu besitzen, und auch nicht vorgebracht, daß die Beklagte mit den Abbildungen eine Warenausstattung der Klägerin verwende, für die die Klägerin Verkehrsgeltung erreicht habe (§ 9 Abs 3 UWG). Sie hat ihren diesbezüglichen Anspruch auf § 2 UWG gestützt und behauptet, durch das blickfangmäßige Herausstellen der "Zillertaler Schürzenjäger" würden die beteiligten Verkehrskreise irregeführt. Dies wurde jedoch schon vom Erstgericht mit zutreffender Begründung verneint; im Revisionsrekurs kommt die Klägerin auf diese Anspruchsgrundlage nicht mehr zurück. Aber auch die von ihr nunmehr vertretene Auffassung, der Gebrauch der Abbildungen sei wegen des Verbots, den Titel "Blauer See" zu verwenden, zur Irreführung geeignet, trifft, wie bereits dargelegt, nicht zu. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt mangels Relevanz nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO;§ 43 Abs 1 und § 50 ZPO.