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OGH vom 10.05.2017, 3Ob41/17a

OGH vom 10.05.2017, 3Ob41/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Unterhaltssache der minderjährigen L*****, geboren am ***** 2003, *****, vertreten durch das Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft *****), über den Revisionsrekurs des Vaters M*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Festsetzung von Unterhalt, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 23 R 332/16w-53, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom , GZ 2 Pu 220/14k-44, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts, womit der Vater ab Oktober 2013 zur Leistung näher bezifferter Unterhaltsbeträge verpflichtet wurde.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, zur Frage der Abzugsfähigkeit von Kosten, die der Unterhaltspflichtige für Fahrten von und zu seinem Arbeitsplatz aufwende, sei eine höchstgerichtliche Klarstellung wünschenswert, und es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berücksichtigung der Pendlerpauschale.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs ist der Revisionsrekurs des Vaters nicht zulässig, weil im Revisionsrekurs keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt werden.

1. Der gerügte Mangel des Rekursverfahrens liegt nicht vor.

1.1 Das Rekursgericht begründete die Nichtberücksichtigung eines vom Vater erstmals mit Rekurs vorgelegten Schreibens seines Dienstgebers vom damit, dass im Rekurs kein Vorbringen erstattet wurde, warum es dem Vater nicht möglich war, das Beweismittel im erstinstanzlichen Verfahren vorzulegen. Diese Begründung steht entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung im Einklang mit der Rechtslage: Zum Zeitpunkt des Beschlusses erster Instanz schon vorhandene Beweismittel können nicht berücksichtigt werden, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Unterlassung der Vorlage des Beweismittels um eine entschuldbare Fehlleistung handelt (RIS-Justiz RS0110773 [T6]; vgl auch RS0120290).

1.2 Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens Außerstreitsachen sind subjektive Behauptungslastregeln und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0006261 [T1]). Der Unterhaltsverpflichtete hat daher die seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0006261 [T8]). Für eine Verpflichtung des Rekursgerichts, amtswegig unterhaltsmindernden Umständen nachzugehen (hier: den vom Vater behaupteten, in erster Instanz aber nicht erwiesenen längeren Fahrtstrecken zu und von seinem Arbeitsplatz), fehlt eine gesetzliche Grundlage.

2. Auch die Entscheidung des Rekursgerichts zur Berücksichtigung der Fahrtkosten des Vaters entspricht den generellen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung:

2.1 Sind doch die Kosten der Fahrten zum Arbeitsplatz mit dem eigenen PKW – nach ständiger, bis zuletzt aufrechterhaltener Rechtsprechung – von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zur Gänze abzugsfähig, weil sonst eine Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern erfolgen würde. Keinesfalls können die abzugsfähigen Fahrtkosten generell mit dem amtlichen Kilometergeld gleichgesetzt werden (RISJustiz RS0111469; 2 Ob 150/02a; 8 Ob 137/15b; jüngst 1 Ob 211/16k uva).

2.2 In der Entscheidung 9 Ob 47/09s (EvBl 2010/130, 911 [Barth]), auf die sich der Revisionsrekurswerber beruft, hat der Oberste Gerichtshof zum amtlichen Kilometergeld für vom Dienstgeber aufgetragene Dienstfahrten ausgeführt, dass die rein steuerrechtlichen Erwägungen für die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht bindend seien, daran aber insoweit angeknüpft werden könne, als echte Aufwandersätze in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen seien. Im Regelfall könne unterstellt werden, dass vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für die Benützung des eigenen Pkws anlässlich aufgetragener Dienstfahrten ausbezahlte Kilometergelder, die den amtlichen Satz nicht übersteigen, echte Aufwandsentschädigungen darstellten. Differenzierungen seien aber dort vorzunehmen, wo besonders hohe Jahreskilometerleistungen erbracht würden, weil dann nicht mehr von einem linearen Anstieg der tatsächlichen Aufwendungen ausgegangen werden könne. Es liege am Unterhaltspflichtigen, nicht aufgegliederte Kilometergelder aufzuschlüsseln.

Der 8. Senat des Obersten Gerichtshofs hat auf diese Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen (8 Ob 63/13t) und am Grundsatz festgehalten, dass von der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nur solche Einnahmen ausgenommen sind, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen (RIS-Justiz RS0107262). Auch zum amtlichen Kilometergeld könne nicht von einer allgemeinen Vermutungsregel ausgegangen werden.

2.3 An dieser Auffassung ist auch für die Abzugsfähigkeit von Fahrtkosten festzuhalten:

Ohne nähere aufwandsbezogene Nachweise genügt der Hinweis auf lange Wegstrecken nicht, um die Berücksichtigung des gesamten Kilometergeldes angemessen erscheinen zu lassen. Einen derartigen Nachweis hat der Vater nicht erbracht. Dabei ist hervorzuheben, dass die von den Vorinstanzen ermittelte Jahreskilometerleistung 30.000 überschreitet, somit jedenfalls jenes Ausmaß übersteigt, das der Kalkulation des amtlichen Kilometergeldes zugrunde liegt (9 Ob 47/09s mwN; vgl auch Barth, EvBl 2010/130, 913 [Anm], der bereits für eine Jahreskilometerleistung von mehr als 15.000 eine degressive Kostensituation erwägt). Hier bezifferte der Vater in seinem Rekurs das gesamte Kilometergeld, dessen gänzlichen Abzug von der Bemessungsgrundlage er anstrebt, mit bis zu 1.480,50 EUR monatlich. Dieser Betrag nähert sich dem vom Vater in den Jahren seit 2013 erzielten Nettoeinkommen an (zwischen 1.533 EUR und 1.846 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen, exklusive des gesamten Fahrtkosten-zuschusses sowie der Hälfte der Aufwandsentschädigung und der Reisegebühren) und ist schon aus diesem Grund nicht als realistischer Aufwand zu beurteilen (vgl dazu jüngst 1 Ob 211/16k).

2.4 Mit welchem konkreten Betrag pro gefahrenem Kilometer der tatsächliche Aufwand an Betriebsmitteln von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar (RISJustiz RS0111469; 1 Ob 211/16k). Ein Abzug des Kilometergeldes im Ausmaß von 50 % von der Bemessungsgrundlage ist in Anbetracht seiner Höhe (486 EUR monatlich) auch unter Berücksichtigung eines weiteren Abzugs für fiktive Kosten einer Nahverkehrskarte vertretbar (vgl etwa 10 Ob 59/06h = RISJustiz RS0121470).

2.5 Gerade angesichts des ohnedies berücksichtigten – im Verhältnis zu dem Nettoeinkommen des Vaters hohen – Fahrtkostenaufwands hat das Rekursgericht jedenfalls vertretbar angenommen, der Vater könne nur die kürzeste Fahrtroute unterhaltsmindernd geltend machen.

3. Die Pendlerpauschale hat das Erstgericht entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs gerade nicht von den Fahrtkosten in Abzug gebracht.

4. Aus dem Akteninhalt ergibt sich – ungeachtet tatsächlich missverständlicher Ausführungen im Beschluss erster Instanz – dass das Erstgericht die Gutbuchungen des Dienstgebers für eine irrtümliche „Mietverrechnung“ ohnedies nicht bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigte. Inwiefern bei den Reisegebühren „Falschbuchungen“ auf den Lohnzetteln erfolgt sein sollen, zeigt der Revisionsrekurs nicht konkret auf.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00041.17A.0510.000

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