OGH vom 20.05.2015, 3Ob41/15y

OGH vom 20.05.2015, 3Ob41/15y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei w***** KG, *****, vertreten durch Kaufmann Lausegger Rechtsanwalts OG in Graz, wider die verpflichtete Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Cizek, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 355 EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 295/14v, 46 R 296/14s 21, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 71 E 2970/14t-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird im Sinn der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung abgeändert, die zu lauten hat:

Auf Grund des vollstreckbaren Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom , AZ 30 R 38/13y, wird der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei zur Erwirkung der Verpflichtung, es zu unterlassen, „im geschäftlichen Verkehr im Rahmen der Bewerbung der Immobilienplattform 'i*****' eine irreführende Spitzenstellungsbehauptung aufzustellen, insbesondere zu behaupten, die Immobilienplattform www.i***** wäre die 'Nr. 1 für Immobiliensuchende', wenn der behauptete Vorsprung in wesentlichen Kategorien, insbesondere in der Zahl der Immobilienangebote und Besucher, nicht oder nicht in statistisch gesicherter Weise gegeben ist“, die Exekution bewilligt.

Die verpflichtete Partei hat nach Eintritt der Vollstreckbarkeit dieses Exekutionstitels diesem dadurch zuwidergehandelt, dass sie zwischen und unter http:***** unter anderem den Text abrufbar machte: „Mit dem Kauf von I***** vereinen sich nun zwei der führenden Online-Portale zu der bezüglich der Kundenzahl größten [...] Immobilienplattform Österreichs.“

Auf Antrag der betreibenden Partei wird daher aus Anlass der Bewilligung der Exekution gemäß § 355 Abs 1 EO eine Geldstrafe von 5.000 EUR über die verpflichtete Partei verhängt.

Der betreibenden Partei werden die Kosten der Exekutionsbewilligung mit 1.083,76 EUR (darin enthalten 178 EUR an Barauslagen und 150,96 EUR an USt) und die Kosten des Revisionsrekurses mit 2.553,54 EUR (darin enthalten 333,09 EUR an USt und 555 EUR an Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In ihrem Exekutionsantrag vom brachte die Betreibende vor, die Verpflichtete habe gegen die im Spruch wiedergegebene Unterlassungsverpflichtung verstoßen, indem sie vom 29. Mai bis unter http:***** die OTS Presseaussendung mit ua nachstehendem Inhalt verbreitet habe, und zwar a.) wie im vorliegenden Spruch kursiv wiedergegeben und b.) wie folgt: „Über I*****: I***** ist seit Jänner 2012 mit einem österreichischen Marktplatz online. Mit über 10,5 Millionen Nutzern (Unique Visitors; laut c*****) ist I***** pro Monat das mit Abstand meistbesuchte Immobilienportal im deutschsprachigen Internet.“

Die erste Werbebehauptung (a.) verstoße gegen den Titel, weil sie der angesprochene Adressatenkreis so verstehe, dass unter der Immobilienplattform der Verpflichteten nunmehr die nach der Kundenzahl größte Immobilienplattform Österreichs vereint sei, obwohl zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Spitzenstellung nicht bzw nicht in statistisch gesicherter Weise gegeben gewesen sei. Die Daten für hätten für die Plattform der Betreibenden 1.453 Kunden und demgegenüber für jene der Verpflichteten sowie von I***** 724 und 1.062 Kunden ausgewiesen. Bereinigt um die bei den beiden doppelt gelisteten Kunden errechne sich eine gesamte Kundenzahl von 1.469 für die vereinigte Plattform der Verpflichteten. Hinzu komme, dass bei der Plattform der Betreibenden (auf der auch „unzählige“ Inserenten mit weniger als 10 Objekten werben) Inserenten erst ab mindestens 10 angebotenen Objekten als Kunden geführt würden; anders bei der Verpflichteten, bei der als Kunde jede Person geführt werde, auch wenn sie nur ein Objekt anbiete.

Die zweite Werbebehauptung (b.) verstehe der angesprochene Adressatenkreis so, dass I***** mit ihrer Immobilienplattform in Österreich mit 10,5 Millionen Nutzern das meistbesuchte Immobilienportal pro Monat im deutschsprachigen Internet sei, weil die Spitzenstellungsbehauptung eindeutig an den österreichischen Markt gerichtet sei. Diese sei unwahr, weil die Verpflichtete zwar am bundesdeutschen Markt vielleicht 10,5 Millionen Nutzer haben möge, jedoch sicherlich nicht in Österreich.

Die Verpflichtete erstattete eine Äußerung gemäß § 358 Abs 2 EO.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß und verhängte eine Geldstrafe von 5.000 EUR.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten gegen die Exekutionsbewilligung Folge und änderte diese in eine Abweisung des Exekutionsantrags ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zugelassen werde.

Bezüglich der ersten Aussage (a.) sei die Unrichtigkeit im Exekutionsantrag nicht ausreichend behauptet worden. Die Betreibende habe selbst vorgebracht, dass nach den herangezogenen Daten die nunmehr vereinten Plattformen der Gegenseite über die meisten Kundenzahlen verfügten. Auch wenn es sich insgesamt nur um die Differenz von 16 Kunden handle, sei die Betreibende ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, konkret und schlüssig zu behaupten, worin in diesem Zusammenhang der Titelverstoß gelegen sein sollte. Es sei schon anhand der absoluten Zahlen unrichtig, dass der behauptete Vorsprung nicht vorliege. Dass die Betreibende Inserenten erst bei einer bestimmten Anzahl von angebotenen Objekten als Kunden führe, während die Verpflichtete angeblich jeden Anbieter als Kunden führe, könne daran nichts ändern, weil die Kundenzahlen von der Betreibenden selbst herangezogen worden seien und es keinen Sinn ergebe, wenn sie diese selbst wieder relativiere bzw in Frage stelle. Es fehle auch schlüssiges Vorbringen im Exekutionsantrag, inwiefern sich aus dem Titel ergebe, dass als zusätzliches Kriterium das Vorliegen eines statistisch gesicherten Vorsprungs erfüllt sein müsse.

Zur zweiten Behauptung (b.) treffe es nicht zu, dass der angesprochene Adressatenkreis die aufgestellte Werbebehauptung so verstehe, dass I***** in Österreich mit 10,5 Millionen Nutzern das meistbesuchte Immobilienportal pro Monat im deutschsprachigen Internet sei. Zum einen sei davon auszugehen, dass Lesern von Presseaussendungen durchaus bekannt ist, dass Österreich über eine Bevölkerungszahl von ca 8 Millionen verfüge und somit nicht 10,5 Millionen Nutzer stellen könne. Zum anderen lege auch die Textierung selbst den Schluss nicht nahe, I***** sei mit ihrer Internetimmobilienplattform in Österreich mit über 10,5 Millionen Nutzern das meistbesuchte Immobilienportal im deutschsprachigen Raum; vielmehr finde diese Immobilienplattform www.i***** in dieser Passage keine Erwähnung, sondern sei ausdrücklich die Rede von I*****, wobei schon aufgrund des vorherigen Absatzes „mit der Übernahme baut die S*****-Gruppe ihre Investition in Österreich weiter aus“ klargestellt sei, dass es sich um kein rein österreichisches Unternehmen handle. Da von der Betreibenden nicht bestritten werde, dass I***** im deutschsprachigen Raum über 10,5 Millionen Nutzer verfüge, könne auch in dieser Textpassage kein Titelverstoß gesehen werden.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts. Sie formuliert als erhebliche Rechtsfrage, welche materielle Bedeutung der Begriff der Spitzenstellungsbehauptung habe und welche Partei welches Vorbringen dazu zu erstatten habe. Inhaltlich macht sie zusammengefasst zum Verstoß a.) geltend, die Rekursentscheidung leide an Nichtigkeit sowie Aktenwidrigkeit. Die von ihr im Exekutionsantrag vorgenommene Gegenüberstellung der Kundenzahlen rechtfertige nicht die rechtliche Beurteilung, dass darin keine nach dem Titel zu unterlassende Spitzenstellungsbehauptung gelegen sei. Die Betreibende habe ausreichendes Vorbringen erstattet. Zum Verstoß b.) beharrt die Betreibende darauf, dass sich die Wortfolge „pro Monat mit Abstand meistbesuchte Immobilienportal“ auf Österreich beziehe, weil in der Veröffentlichung nichts darauf hindeute, dass die Verpflichtete auch in Deutschland tätig wäre und sich die Information der 10,5 Millionen Nutzer auf Deutschland beziehe; diese Information sei im Gegenteil unmittelbar über einem Verweis auf „www.i*****. at “ angesiedelt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Betreibende habe kein ausreichendes Vorbringen zum Verstoß a.) aufgestellt, eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung darstellt; das Rechtsmittel ist deshalb auch berechtigt .

1. Vorauszuschicken ist, dass das Revisionsrekursverfahren in Exekutionssachen grundsätzlich einseitig ist. Ein Grund für eine ausnahmsweise doch zweckmäßige Beteiligung des Revisionsrekursgegners (dazu RIS-Justiz RS0118686) liegt hier nicht vor, weil der Verpflichtete schon in seinem Rekurs an die zweite Instanz seinen Rechtsstandpunkt vertreten konnte.

2. Die Rüge der Nichtigkeit der Entscheidung der zweiten Instanz (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO) durch die Betreibende ist unberechtigt, weil sie die in der Entscheidungsbegründung vorhandene Auseinandersetzung mit der Zählung von Personen als Kunden der Betreibenden übergeht; ob diese Argumentation des Rekursgerichts zutrifft, ist bei der Behandlung der Rechtsrüge zu beantworten.

3. Auch die geltend gemachte Aktenwidrigkeit der Rekursentscheidung liegt nicht vor, weil die tatsächlich oder vermeintlich unrichtige Wiedergabe des Prozessvorbringens einer Partei in der angefochtenen Entscheidung für die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung ist und diesen Rechtsmittelgrund nicht verwirklicht (RIS-Justiz RS0041814).

4. Beim auf ein bestimmtes Zuwiderhandeln gestützten Exekutionsantrag ist wie auch über weitere Strafanträge allein der dazu vorgebrachte Sachverhalt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Exekutionsbewilligung maßgeblich. Es wird ausschließlich auf Grundlage der Tatsachenbehauptungen des betreibenden Gläubigers geprüft, ob ein Zuwiderhandeln des Verpflichteten gegen den (aktenkundigen) Exekutionstitel konkret behauptet wird; dementsprechend hat das Erstgericht auch keine Tatsachenfeststellungen zu treffen (RIS-Justiz RS0000762 [T6 und T 8]; RS0004692 [T2]).

Schon deshalb erweist sich die Rüge von Feststellungsmängeln im Revisionsrekurs als grundsätzlich verfehlt.

5. Zum Verstoß a.):

5.1. Die betreibende Partei hat schon im Exekutionsantrag nach § 355 EO konkrete Behauptungen über das angebliche Zuwiderhandeln des Verpflichteten aufzustellen, während die bloße allgemeine Behauptung eines Zuwiderhandelns nicht genügt (RIS-Justiz RS0000709; RS0004855; RS0004808). Sie muss darin konkret und schlüssig behaupten, dass und wie der Verpflichtete dem Exekutionstitel nach Eintritt der Vollstreckbarkeit zuwider gehandelt hat; es muss zumindest ein konkreter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot angeführt werden, damit geprüft werden kann, ob dieses im konkreten Fall verletzt oder eingehalten wurde (RIS Justiz RS0000614 [T5]). Eine konkrete und schlüssige Behauptung erfordert in der Regel nähere Angaben über Zeit, Ort und Art (Beschaffenheit) des Zuwiderhandelns (RIS-Justiz RS0000709 [T14]).

5.2. Diesen Anforderungen an das Vorbringen eines tauglichen Exekutionsantrags nach § 355 EO entspricht der hier von der Betreibenden gestellte.

Denn sie hat nicht nur Anzahl der Kunden (1.453 zu 1.469, Differenz also 16 zugunsten der Verpflichteten) gegenübergestellt, sondern eine Spitzenstellung der Verpflichteten auch mit dem vom Revisionsrekurs zutreffend hervorgehobenen Hinweis verneint, dass bei der Plattform der Betreibenden „unzählige“ Inserenten mit weniger als 10 Objekten werben, Inserenten jedoch erst ab mindestens 10 angebotenen Objekten als Kunden geführt würden; anders bei der Verpflichteten, bei der als Kunde jede Person geführt werde, auch wenn sie nur ein Objekt anbiete.

5.3. Es ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar, warum dieses erläuternde Vorbringen im Exekutionsantrag wie es das Rekursgericht vermeint - keinen Sinn ergeben und deshalb unberücksichtigt bleiben soll.

Damit hat die Betreibende nämlich hinreichend deutlich behauptet, dass sich die Anzahl ihrer Kunden um „unzählige“ erhöht, wenn vergleichbar mit der Zählung bei der Verpflichteten jede Person als Kunde berücksichtigt wird, die auch nur ein Objekt bei der Betreibenden anbietet. Unter dem Begriff „unzählige“ wird allgemein eine sehr hohe Anzahl verstanden, die den Wert von 16 jedenfalls übersteigt. Somit hat die Betreibende, wenn auch ohne Nennung einer bestimmten Anzahl, die Behauptung aufgestellt, sie verfüge über mehr Kunden als die vereinigte Plattform der Verpflichteten. Das begründet den behaupteten Titelverstoß logisch und ausreichend.

Bei dieser Behauptungslage stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Behauptung einer (hier gerade nicht anzunehmenden) Spitzenstellung der Verpflichteten zulässig wäre, gar nicht, sodass sich wettbewerbsrechtliche Überlegungen dazu erübrigen.

5.4. Die Behauptungen der Betreibenden rechtfertigen somit die Bejahung des zum Gegenstand des Exekutionsantrags gemachten Titelverstoßes zur ersten Werbebehauptung (a.).

6. Zum Verstoß b.):

Dazu kann auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden, die die Argumentation im Revisionsrekurs nicht zu widerlegen vermag (§§ 510 Abs 3, 528a ZPO iVm § 78 EO).

Die Formulierung lässt einwandfrei erkennen, dass sich die Aussage über 10,5 Millionen Nutzer auf das „deutschsprachige Internet“ bezieht, also gar nicht auf Nutzer in einem bestimmten Staat und deshalb auch nicht „auf Österreich und auf die Tätigkeit der Verpflichteten im Wettbewerbsverhältnis zur Betreibenden“ eingeschränkt wurde; von „Deutschland“ ist in der Rekursentscheidung ohnehin nicht die Rede.

7. Unabhängig davon, ob in der von der Betreibenden inkriminierten einzigen Presseaussendung einmal oder mehrmals der Exekutionstitel missachtet wurde, ist immer nur ein Verstoß gegeben (vgl Klicka in Angst 2 § 355 EO Rz 15; 3 Ob 238/00x SZ 73/205; 3 Ob 211/00a; 3 Ob 80/00m SZ 73/168 RIS Justiz RS0004444). Wenn daher wie hier nur eine von zwei in ein und demselben Werbeschreiben geltend gemachten Verletzungen des Unterlassungsgebots zu bejahen ist, rechtfertigt dies die uneingeschränkte Exekutionsbewilligung ohne Ausspruch einer Teilabweisung.

8. Die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Exekutionsbewilligung erfordert ein Eingehen auf die Strafhöhe.

Obwohl ungeachtet der zu Punkt 7. dargestellten Rechtslage ein mehrfacher Verstoß gegen einen Titel als erschwerend gewertet werden kann (3 Ob 80/00m), besteht im vorliegenden Fall für eine Reduzierung der vom Erstgericht verhängten Geldstrafe von 5.000 EUR kein Anlass: Auch für die eine gegebene Missachtung der Unterlassungspflicht erweist sie sich nämlich als jedenfalls angemessen und auch im Rekurs der Verpflichteten finden sich keine Ausführungen gegen die Strafhöhe.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO sowie auf § 74 EO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00041.15Y.0520.000