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OGH vom 11.08.2015, 4Ob50/15d

OGH vom 11.08.2015, 4Ob50/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** Gesellschaft mbH, und 2. B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 36.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 199/14p 22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 11 Cg 20/14z 18, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Franz Lehár (gestorben im Jahr 1948) war Komponist der Musik folgender Werke:

• Die gelbe Jacke / Das Land des Lächelns

• Die lustige Witwe

• Der Rastelbinder

Emmerich Kálmán (gestorben im Jahr 1953) war Komponist der Musik des folgenden Werks:

• Der Zigeunerprimas

Die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an den Musik werken stehen der Erstklägerin ( Die gelbe Jacke / Das Land des Lächelns , Die lustige Witwe ) bzw der Zweitklägerin ( Der Rastelbinder , Der Zigeunerprimas ) zu.

Die Libretti zu den oben angeführten Operetten stammen von folgenden Personen:

• Land des Lächelns : Ludwig Herzer, gestorben 1939 und Fritz Löhner-Beda, gestorben 1942;

• Die lustige Witwe : Viktor Leon, gestorben 1940 und Leo Stein, gestorben 1921;

• Gelbe Jacke : Viktor Leon, gestorben 1940;

• Rastelbinder : Viktor Leon, gestorben 1940;

• Zigeunerprimas : Julius Wilhelm, gestorben 1941 und Fritz Grünbaum, gestorben 1941.

Die Beklagte bemüht sich, hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Texte, nicht jedoch der Musikrechte (die unstrittig den klagenden Bühnenverlagen zustehen), Zustimmungserklärungen der Erben der Librettisten zur Nutzung der Urheberrechte zu erhalten.

Die Klägerinnen beantragten (zusammengefasst) die Feststellung, dass die ausschließlichen Werknutzungsrechte hinsichtlich der großen und kleinen Aufführungs und Senderechte (Bühnen und Musikverlagsrechte) auch in Bezug auf die Textautoren (Librettisten) der oben genannten Operetten für die Dauer der mit der UrhGNov 2013 verlängerten Schutzfrist bei den Klägerinnen liegen; in eventu den beklagten Verlag zur Unterlassung dahingehend zu verpflichten, die Rechte der Klägerinnen an den genannten Operetten dadurch zu verletzen, dass er mit den Rechtsnachfolgern der Textautoren Verlagsverträge abschließt und/oder anbahnt bzw sich der Inhaberschaft der Werknutzungsrechte an den genannten Werken berühmt.

Die Klägerinnen berufen sich auf ihnen ausschließlich zustehende Nutzungsrechte auch hinsichtlich der Libretti. Diese seien ihnen seinerzeit von den Autoren bzw von anderen Verlagen für das Gebiet der Republik Österreich eingeräumt worden. Die Nutzungsrechte seien zunächst (aufgrund des mehr als 70 Jahre zurückliegenden Todes sämtlicher Autoren) abgelaufen, dann aber im Hinblick auf die erst 1948 (Lehár) bzw 1953 (Kálmán) verstorbenen Komponisten (ex lege) wieder aufgelebt und bis Ende 2018 (Lehár) bzw Ende 2023 (Kálmán) verlängert worden, weil durch die UrhG Novelle 2013 (Umsetzung der Schutzdaueränderungsrichtlinie 2011) normiert worden sei, dass bei verbundenen Werken wie Operetten die Schutzfristen gleichzeitig enden, und zwar mit dem Tod des letzten Miturhebers (Text oder Musik). Aus der Übergangsbestimmung des § 116 Abs 3 UrhG sei abzuleiten, dass die Schutzrechte (auch) hinsichtlich der Libretti (wieder) bei den Klägerinnen lägen. In Bezug auf Das Land des Lächelns/Die gelbe Jacke sowie Der Zigeunerprimas ergebe sich dies auch aus den Verträgen mit den Autoren, wonach diese für die Dauer einer allfälligen Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist in Kraft blieben.

Die Beklagte bestritt den Erwerb von Werknutzungsrechten an den gegenständlichen Texten durch die Klägerinnen und somit deren Aktivlegitimation. Im Übrigen wendete sie ein, die Libretti seien seit ( Die gelbe Jacke , Die lustige Witwe und Der Rastelbinder ), ( Der Zigeunerprimas ) und seit ( Das Land des Lächelns ) gemeinfrei. Das Wiederaufleben der Schutzfrist bewirke nicht, dass Verträge eines früher Berechtigten für die wiederauflebenden Schutzfristen neuerlich Geltung erlangten. Diese seien vielmehr durch das Gemeinfreiwerden der Texte erloschen. Beim Wiederaufleben handle es sich nicht um eine Verlängerung der Schutzfrist, sondern um ein eigenständiges Wiederentstehen des Urheberrechtsschutzes. Die Übergangsbestimmung des § 116 Abs 3 UrhG erfasse nur jene Fälle, in denen eine noch nicht abgelaufene Schutzfrist verlängert werde, in denen also beide verbundenen Werke in Österreich vor Inkrafttreten der Novelle noch eigenständigen urheberrechtlichen Schutz genossen hätten. Die wiederauflebenden Rechte würden durch die Übergangsbestimmung des § 116 Abs 4 UrhG geregelt, wonach der Urheber einem Verwerter, der vor dem Nutzungsrechte am noch nicht gemeinfreien Teil des verbundenen Werks erworben habe, die Nutzung des wieder geschützten Werkteils zu angemessenen Bedingungen zu gestatten habe. Eine Anordnung des Wiederauflebens von mit Ablauf der Schutzfrist erloschenen Verträgen hätte der Gesetzgeber ausdrücklich treffen müssen. Mangels einer solchen Anordnung stünden die Verwertungsrechte den Urhebern hier somit den Erben der Schöpfer zu. Diesen sei es daher rechtlich möglich, der Beklagten ihre wiederauflebenden Rechte zur Wahrnehmung einzuräumen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Da die Beklagte bereits Vertragsanbahnungsgespräche über Verwertungsrechte führe, die auch die Klägerinnen für sich reklamierten, könnten die Klägerinnen bereits Unterlassungsklage erheben. Für eine Feststellungsklage fehle es ihnen daher an einem rechtlichen Interesse. Im Übrigen komme es nach § 116 Abs 4 UrhG nicht zum Wiederaufleben bereits beendeter ausschließlicher Verwertungsrechte, sondern es werde lediglich demjenigen, der bei verbundenen Werken andere Verwertungsrechte besitze, auch die Nutzung des anderen Werkteils während der wiederauflebenden Schutzfrist gestattet. Folglich sei von einer Vertragsbeendigung durch Gemeinfreiheit auszugehen. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf eine seinerzeit (vor Eintritt der Gemeinfreiheit) abgeschlossene Vereinbarung berufen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an dieses zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und der Rekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den §§ 60 Abs 2, 116 UrhG fehle. § 116 Abs 4 UrhG regle den vorliegenden Fall nicht. Maßgeblich sei vielmehr der Abs 3 dieser Bestimmung, welcher nicht zwischen Werknutzungsberechtigten an solchen Werken, deren Schutzfrist zum bereits abgelaufen sei und solchen Werten, bei denen dies nicht der Fall sei, unterscheide, sondern ausspreche, dass all jene, die vor dem ein entgeltliches Werknutzungsrecht erworben hätten, gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung zur Werknutzung auch für jene Zeit berechtigt blieben, um die sich die Schutzfrist nunmehr verlängere. Dass es sich bei einer derartigen Regelung um eine gesetzliche Vertragsverlängerung handle, habe der Oberste Gerichtshof bereits zur im Wesentlichen gleich lautenden Übergangsbestimmung von Art III Abs 3 der UrhG Novelle 1953 entschieden. Sollten die Klägerinnen daher die von ihnen behaupteten Werknutzungsrechte vor dem entgeltlich erworben haben, wären sie gemäß § 116 Abs 3 UrhG auch nach diesem Zeitpunkt zur Werknutzung (aufgrund eines Werknutzungsrechts) gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung berechtigt. Ob dies der Fall sei, könne derzeit nicht beurteilt werden, weil das Erstgericht zur Aktivlegitimation der Klägerinnen und zu dem von ihnen behaupteten Rechtserwerb aufgrund von Werknutzungsverträgen keine Beweise aufgenommen und keine Feststellungen getroffen habe. Das Bestehen eines Werknutzungsrechts sei grundsätzlich einer Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO zugänglich. Die Feststellungsklage sei nur dann unzulässig, wenn durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch voll ausgeschöpft werde. Dies sei hier nicht der Fall, könne sich doch das Feststellungsurteil im vorliegenden Fall auf eine Vielzahl möglicher Ansprüche auswirken. Neben Unterlassungsansprüchen seien insbesondere (allenfalls auch erst in Zukunft entstehende) Schadenersatz- und Entgeltansprüche denkbar. Es liege daher sowohl ein feststellungsfähiges Recht als auch ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an der alsbaldigen Feststellung der behaupteten Werknutzungsrechte vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Die Klägerinnen beantragen in ihrer Rekursbeantwortung , den Rekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig , aber nicht berechtigt .

1. § 11 Abs 3 UrhG geht von einem engen Verständnis der Miturheberschaft aus; die Verbindung von selbstständigen Werken verschiedener Gattung begründet keine Miturheberschaft. Daraus folgte bisher ganz allgemein, dass die Schutzfrist für jedes der auf diese Weise verbundenen Werke gesondert zu berechnen war (4 Ob 413/81).

2. Nach Art 1 Z 1 der Richtlinie 2011/77/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 2006/116/EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (Änderungs-RL) erlischt allerdings nunmehr die Schutzdauer einer Musikkomposition mit Text unabhängig von den ausgewiesenen Miturhebern siebzig Jahre nach dem Tod des letzten Überlebenden folgender Personen: Verfasser des Textes und Komponist der Musikkomposition, sofern beide Beiträge eigens für die betreffende Musikkomposition mit Text geschaffen wurden.

Diese Schutzdauerregelung gilt für Musikkompositionen mit Text, von denen zumindest die Musikkomposition oder der Text in mindestens einem Mitgliedstaat am geschützt sind (Art 1 Z 3 Änderungs RL).

3. Die neue Schutzdauerregelung der Änderungs RL wurde mit der UrhG Novelle 2013 umgesetzt. § 60 Abs 2 UrhG in Geltung seit lautet nunmehr:

Ist ein Werk der Tonkunst mit einem Sprachwerk verbunden (Musikkomposition mit Text) und wurden beide Werke eigens für diese Werkverbindung geschaffen, so endet das Urheberrecht an beiden Werken siebzig Jahre nach dem Tod des letztlebenden Urhebers oder Miturhebers des Werkes der Tonkunst oder des Sprachwerks.

2. Die Übergangs- und Schlussbestimmung zum Inkrafttreten der UrhG Novelle 2013 bestimmen in § 116 Abs 2 bis 4:

(2) § 60 Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 150/2013 gilt für Werkverbindungen, wenn zumindest eines der verbundenen Werke am in zumindest einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums noch geschützt ist.

(3) Hat der Urheber (§ 10 Abs 2 UrhG) vor dem ein Werknutzungsrecht begründet, eine Werknutzungsbewilligung erteilt oder über einen gesetzlichen Vergütungsanspruch verfügt, so erstreckt sich diese Verfügung im Zweifel nicht auf den Zeitraum der durch dieses Bundesgesetz bewirkten Verlängerung der Schutzfristen; wer jedoch ein Werknutzungsrecht oder eine Werknutzungsbewilligung gegen Entgelt erworben hat, bleibt gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung zur Werknutzung auch während dieser Verlängerung berechtigt.

(4) Soweit der Schutz von Werken, für die die Schutzfrist nach den bisher geltenden Bestimmungen schon abgelaufen war, nach Abs 2 wiederauflebt, dürfen vor dem bereits begonnene Vervielfältigungen solcher Werke auch nach dem vollendet und diese Vervielfältigungen sowie vor dem bereits vorhandene Vervielfältigungsstücke auch nach dem verbreitet werden. Ferner kann derjenige, der eine Werknutzungsbewilligung über die Benutzung eines mit einem gemeinfreien Werk verbundenen Werkes vor dem entgeltlich erworben hat, die Nutzung des vormals gemeinfreien Werkes, dessen Schutz wiederauflebt, nach dem zu angemessenen Bedingungen verlangen.

3. Die in § 116 Abs 2 UrhG geforderte Voraussetzung, dass zumindest eines der verbundenen Werke am in zumindest einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums noch geschützt ist , trifft auf die streitgegenständlichen Libretti zu, da die verbundenen Musikwerke zum genannten Zeitpunkt noch geschützt waren (und es auch weiterhin sind).

4. Die Beklagte wiederholt in ihrem Rekurs ihren Standpunkt, § 116 Abs 3 UrhG verlängere nur bestehende Vertragsverhältnisse. Schon begrifflich könne nur etwas verlängert werden, was noch bestehe. Demgegenüber sei der in § 116 Abs 4 gebrauchte Begriff des „Wiederauflebens“ Konstellationen vorbehalten, in denen ein bereits erloschenes Recht neuen Bestand erlange. Urheberrechtliche Werknutzungsverträge würden oftmals auf die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist abgeschlossen. Mit dem Ende der gesetzlichen Schutzfrist erlösche das Vertragsverhältnis und könne nicht mehr verlängert werden. Ein Wiederaufleben beendeter Verträge wäre mit der Privatautonomie nicht zu vereinbaren und sei ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht der dadurch belasteten Vertragspartei. Diese Auslegung entspreche auch der Grundregel des § 103 UrhG, wonach sich eine vergangene Verfügung im Zweifel nicht auf Befugnisse erstrecke, die dem Urheber durch das UrhG neu eingeräumt werden. Diese Ausführungen überzeugen nicht.

5. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der in Frage stehenden Bestimmungen des UrhG ist vom klaren Regelungsgehalt der durch die Änderungs RL neu geschaffenen Bestimmung auszugehen, wonach die Schutzfrist einer Musikkomposition mit Text siebzig Jahre nach dem Tod des letztlebenden Urhebers oder Miturhebers des Werks der Tonkunst oder des Sprachwerks erlischt.

Diese Bestimmung ist auf sämtliche hier gegenständlichen Musikkompositionen mit Text unabhängig davon, ob die Libretti vor dem Stichtag gemeinfrei geworden sind oder nicht schon deshalb anwendbar, weil in allen Fällen eines der verbundenen Werke (nämlich jeweils die Komposition) am in Österreich noch geschützt ist (vgl Art 1 Z 3 Änderungs RL). Auch die Übergangsbestimmung des § 116 Abs 3 UrhG muss daher in diesem von der Richtlinie klar vorgegebenen Sinn ausgelegt werden.

6. Dieses Auslegungsergebnis wird im Übrigen auch durch die Textierung des § 116 Abs 4 UrhG gestützt. Diese Bestimmung regelt zwar nicht den vorliegenden Sachverhalt, bei dem es weder um die Vervielfältigung von Werkstücken noch um Werknutzungsbewilligungen geht. Allerdings ist in § 116 Abs 4 zweiter Halbsatz UrhG sinngemäß von einem „Wiederaufleben“ des Schutzes von Werken nach § 116 Abs 2 UrhG, für die die Schutzfrist schon abgelaufen war, die Rede. Somit geht auch der österreichische Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass sich die Verlängerung der Schutzfrist nach § 60 Abs 2 UrhG (auf welche Bestimmung § 116 Abs 2 UrhG verweist) auch auf solche verbundenen Werke bezieht, bei denen der Schutz für ein Werk bereits abgelaufen war.

7. Letztlich folgt diese Auslegungsvariante auch aus dem Zweck der Änderungs RL.

Erwägungsgrund 19 nennt als Ziel die Beseitigung von Behinderungen bei der grenzüberschreitenden kollektiven Verwertung von Urheberrechten, was durch die Harmonisierung der Schutzdauer für Musikkompositionen mit Text in allen Mitgliedstaaten erreicht werden soll. Eine gemeinsame Verwertung von Musikkompositionen mit Text wird nun zweifellos dadurch erleichtert, dass über Werknutzungsrechte an Musik und Text gemeinsam und innerhalb des selben Zeitraums verfügt werden kann. Auch dies spricht sohin für die Auslegung im Sinne der Klägerinnen, wonach § 116 Abs 3 UrhG auch Werknutzungsrechte an solchen Werken erfasst, deren Schutzfrist vor dem schon abgelaufen war.

9. Befürchtungen der Beklagten, die von ihr bekämpfte Auslegung sei ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht der dadurch belasteten Vertragspartei, ist entgegenzuhalten, dass die Schutzfristverlängerung ohnehin mit der Zahlung einer angemessenen Vergütung durch den Werknutzungsberechtigten verknüpft ist.

Ähnliches gilt für den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Privatautonomie. Wenn das Werknutzungsrecht für die Dauer der Schutzfrist eingeräumt wurde, verlängert es sich ab Inkrafttreten der gesetzlich normierten Schutzfristverlängerung bis zum Auslaufen der nunmehr einheitlichen Schutzdauer für Musik und Text, aber nicht etwa darüber hinaus. Noch viel weniger liegt ein Verstoß gegen die Privatautonomie vor, wenn mit den Autoren der Libretti ausdrücklich vereinbart wurde, dass sich die Werknutzungsrechte auf eine allfällige Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist erstrecken (was nach dem Vorbringen der Klägerinnen in Bezug auf Das Land des Lächelns/Die gelbe Jacke sowie auf Der Zigeunerprimas der Fall sein soll). Diesfalls ergäbe sich die Verlängerung bzw das Wiederaufleben der Werknutzungsrechte schon aus der vertraglichen Vereinbarung, ohne dass es auf die Auslegung der gesetzlichen Übergangsbestimmung ankäme.

10. In den Materialien zur UrhG Nov 2013 (2464 Beil. XXIV. GP 4) wird zu § 116 Abs 3 ausgeführt, dass diese Bestimmung dem Vorbild vorangegangener Schutzfristenverlängerungen folge. So findet sich der entsprechende Wortlaut bereits in der UrhG Nov 1953 (vgl Walter , Die Auswirkung der Schutzfristverlängerung auf bestehende Nutzungsverträge nach deutschem und österreichischem Urheberrecht, in FS Ulmer 64).

11. Zu der Bestimmung der UrhG Nov 1953, die gleichlautend zu der hier gegenständlichen (§ 116 Abs 3 UrhG idF Urh Nov 2013) ist, hat der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 308/67 Jetzt trink´ ma noch a Flascherl Wein (auch dort war die ursprüngliche mit der Novelle um sieben Jahre verlängerte Schutzfrist bereits vor Klagseinbringung abgelaufen) judiziert, dass es sich dabei um eine gesetzliche Vertragsverlängerung zu Gunsten des Inhabers des Werknutzungsrechts handelt, wobei die Vereinbarung und tatsächliche Leistung einer angemessenen Vergütung nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Verlängerung ist.

12. Die Bestimmung des § 103 UrhG, wonach sich Ausübungsrechte, die vor der Geltung dieses Gesetzes einem Dritten eingeräumt wurden, im Zweifel nicht auf Befugnisse erstrecken, die dem Urheber durch dieses Gesetz neu eingeräumt werden, ist hier nicht anwendbar, weil § 116 UrhG dazu lex specialis ist.

13. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung ist die im Rekurs angesprochene deutsche Rechtslage ohne Bedeutung.

14. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von den Klägerinnen behaupteten Werknutzungsrechte an den verfahrensgegenständlichen Libretti deren entgeltlicher Erwerb vor dem gemäß dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts noch zu prüfen sein wird grundsätzlich einer Verlängerung gemäß § 116 Abs 3 UrhG bis zum (für Musik und Text nunmehr gemeinsamen) Ablauf der verlängerten Schutzfrist zugänglich sind, auch wenn die Schutzfrist für die entsprechenden Textwerke zum genannten Termin bereits abgelaufen war.

15. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Feststellungsinteresses der Klägerinnen sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

16. Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.

17. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00050.15D.0811.000