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OGH vom 17.12.1997, 7Ob384/97i

OGH vom 17.12.1997, 7Ob384/97i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois H*****, vertreten durch Dr.Longin Josef Kempf ua Rechtsanwälte in Peuerbach, wider die beklagte Partei V***** ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 278.540,--), in eventu Zahlung von S 278.540,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 108/97p-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom , GZ 6 Cg 320/96g-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.537,-- (darin S 3.589,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kaufte am in der Bundesrepublik Deutschland einen PKW der Marke Audi 100 C 4. Am nahm der Versicherungsmakler Mario M***** mit dem Kläger einen an die beklagte Partei gerichteten Antrag auf Abschluß einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und einer Kraftfahrzeugvollkaskoversicherung auf. Dabei wurde ein entsprechendes Formular der beklagten Partei (wie es allen Versicherungsvermittlern zur Verfügung steht) verwendet. Dieses von Mario M***** ausgefüllte und vom Kläger unterfertigte Formular weist unter anderem folgenden Wortlaut auf:

"... Die mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraute Person ist nicht bevollmächtigt, mündliche Erklärungen für den Versicherer abzugeben. Der Antragsteller bestätigt, daß keine mündlichen Nebenabreden getroffen wurden ...". Am führte Mario M***** die Neuanmeldung des PKWs für den Kläger durch und überbrachte diesem am die Kennzeichentafeln. Da der Kläger für den eine Fahrt in die Slowakei plante, verlangte er in diesem Zusammenhang von Mario M***** die Zusicherung, daß für diese Fahrt die beantragte Versicherungsdeckung (also auch die Kaskoversicherung) bereits gewährleistet sei. Dies sagte Mario M***** dem Kläger ausdrücklich zu, unterließ es jedoch, durch eine Rückfrage bei der beklagten Partei für eine ausdrückliche vorläufige Deckungszusage (insbesondere hinsichtlich des Kaskoversicherungsverhältnisses) zu sorgen.

Im Bewußtsein, auch eine (bereits rechtswirksame) Kaskoversicherung abgeschlossen zu haben, trat der Kläger die Fahrt in die Slowakei an. In der Nacht vom 13. auf den wurde der vor seinem Hotel in Piestany abgesperrt abgestellte PKW gestohlen. Noch am erstattete der Kläger Diebstahlsanzeige bei der örtlichen Polizei. Nach seiner Rückkehr nach Österreich am verständigte er telefonisch Mario M***** vom Diebstahl; dieser sicherte dem Kläger zu, Schadensmeldung an die beklagte Partei zu erstatten. Am schrieb Mario M***** (im Vollmachtsnamen des Klägers) die Schadensmeldung, die er am bei der beklagten Partei (Filiale W*****) vorlegte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Mario M***** bereits den Versicherungsantrag des Klägers an den Versicherungsmakler Gerhard W*****, mit dem er zusammenarbeitete, "verkauft" (offensichtlich erfolgte dieser "Verkauf" unmittelbar nach dem Anruf, mit welchem der Kläger den Diebstahl angezeigt hatte, am ); der Versicherungsantrag des Klägers war, über das Maklerbüro W*****, am bei der beklagten Partei (Filiale W*****) eingelangt.

Am stellte die beklagte Partei (in Wien) die Versicherungspolizze, unter anderem über eine ab gültige Vollkaskoversicherung, aus und sandte sie dem Kläger zu. Mit dem gleichzeitig übermittelten Zahlschein zahlte der Kläger die vorgeschriebene Prämie von S 13.161,-- unverzüglich ein. Die beklagte Partei lehnte in der Folge jedoch eine Deckung aus dem Kaskoversicherungsverhältnis überhaupt ab.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei aus dem von ihm über den PKW Marke Audi 100 C 4 abgeschlossenen Vollkaskoversicherungsvertrag. Die beklagte Partei habe ihre Leistungsverpflichtung durch die Ausstellung der Versicherungspolizze nach erfolgter Schadensmeldung anerkannt. Sie hafte jedenfalls für die Zusage ihres mit diesem Versicherungsabschluß befaßten Agenten, es sei sofortige Versicherungsdeckung gegeben. Wenn Versäumnisse der Mitarbeiter der beklagten Partei eine tatsächliche Deckung zum Zeitpunkt des Diebstahles verhindert haben sollten, so habe die beklagte Partei dafür einzustehen; und zwar (wenn schon nicht aus dem Versicherungsvertrag) jedenfalls aus Verschulden (ihrer Erfüllungsgehilfen), sodaß auch das auf Zahlung von S 278.540,-- (Gesamtschaden abzüglich vereinbarter Selbstbehalt) gerichtete Eventualbegehren gerechtfertigt sei.

Die beklagte Partei stellte das Zustandekommen eines Kaskoversicherungsvertrages hinsichtlich des PKW Audi 100 C 4 mit dem Kläger außer Streit, wendete jedoch ein, der Schadensfall vom sei nicht gedeckt, da der Versicherungsantrag des Klägers (vom Versicherungsmakler W*****) erst am der beklagten Partei (Filiale W*****) vorgelegt worden sei. Eine vorläufige Deckungszusage sei nie gegeben worden. Da der Kläger vor Annahme des Vertrages Kenntnis vom Versicherungsfall gehabt habe, sei eine Rückwärtsversicherung ausgeschlossen. Darüberhinaus sei auch die Schadensmeldung verspätet erfolgt. Der Versicherungsantrag des Klägers sei von ihrem selbständigen Versicherungsmakler Gerhard W***** vorgelegt worden, für welchen (samt seinen Gehilfen) die beklagte Partei in keiner Weise zu haften habe.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und erachtete das Eventualbegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Es ging davon aus, daß § 2 Abs 2, 2.Satz, VersVG (in der damals geltenden Fassung) eine Rückwärtsversicherung ausschließe; daher sei das Hauptbegehren abzuweisen, zumal auch in der Zusendung einer dem Versicherungsantrag entsprechenden Polizze keine (konkludente) Anerkennung eines (dennoch) bestehenden Versicherungsschutzes begründet sein könne. Eine rechtswirksame vorläufige Deckungszusage sei aufgrund der von Mario M***** verabsäumten Rückfrage bei der beklagten Partei nicht zustande gekommen; die von Mario M***** gegenüber dem Kläger gemachten mündlichen Zusicherungen seien (aufgrund im Versicherungsantrag ausdrücklich bedungener Schriftlichkeit) ohne Belang. Hingegen sei das auf Schadenersatz gerichtete Eventualbegehren dem Grunde nach berechtigt, da Gerhard W***** aufgrund der bestehenden Rahmenprovisionsvereinbarung mit der beklagten Partei als deren Versicherungsagent gemäß § 43 VersVG, somit als ihr Erfüllungsgehilfe gemäß § 1313a ABGB, anzusehen sei. Daß sich Gerhard W***** durch den Ankauf des Versicherungsantrages von Mario M***** eines "Subagenten" bedient habe, ändere nichts an dieser rechtlichen Konstellation. Genauso wenig sei es von Belang, daß Mario M***** nicht von vorneherein von Gerhard W***** ausgesandt worden sei, Versicherungsanträge zu akquirieren. Jedenfalls habe Gerhard W***** - und damit auch die beklagte Partei - für jedes vertragswidrige Verhalten des Mario M*****, der seinen vorvertraglichen Aufklärungs- und Sorgepflichten nicht nachgekommen sei, einzustehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Versicherung nicht, jener des Klägers jedoch Folge und gab dessen Hauptbegehren statt. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Nach § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG sei der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer bei Abschluß des Vertrages weiß, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Der Oberste Gerichtshof habe früher in mehreren Entscheidungen die Ansicht vertreten, daß diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut absolut zwingend sei, sei jedoch gleichwohl der Auffassung gewesen, daß der Versicherer auf seine gemäß der zitierten Gesetzesbestimmung eingetretene Leistungsfreiheit hinterher wirksam verzichten könne. In der bloßen Annahme der Erstprämie durch den Versicherer sei zwar noch kein nachträglicher Verzicht auf die Geltendmachung der nach § 2 Abs 2 VersVG eingetretenen Leistungsfreiheit zu erblicken, jedoch sei nicht einzusehen, warum der Versicherer nicht auch im voraus auf seine Leistungsfreiheit verzichten könne, die deshalb gegeben wäre, weil der Versicherungsnehmer bereits Kenntnis vom Eintritt des Schadensfalles gehabt habe. Es bestünden keine Bedenken dagegen, das Erfordernis der subjektiven Ungewißheit des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalles dahin zu präzisieren, daß es im Zeitpunkt seiner Willenserklärung, also regelmäßig der Antragstellung, gegeben sein müsse. Lediglich für den Fall, daß der Versicherungsnehmer schon im Zeitpunkt der Antragstellung wisse, daß und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten sei, würde der Versicherungsvertrag als solcher ungültig sein. Die allgemein gebräuchlichen erweiterten Einlösungsklauseln führten dazu, daß die Versicherung in einem vor der Schließung des Vertrages liegenden Zeitraum beginne; insoweit liege eine sogenannte "unechte" Rückwärtsversicherung vor. Es sei nicht einzusehen, warum der Versicherer nicht auch im voraus auf seine Leistungsfreiheit wegen Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Schadensfalles während der Dauer der Rückwärtsversicherung verzichten könne und demnach der Wortlaut des § 2 Abs 2 VersVG einen Verzicht des Versicherers auf Leistungsfreiheit als unabdingbar erscheinen lassen sollte. In seiner Entscheidung 7 Ob 5/89 habe sich der Oberste Gerichtshof der von der deutschen Lehre und Rechtsprechung vertretenen Ansicht, daß § 2 Abs 2 VersVG abdingbar sei, angeschlossen. Dies entspreche dem Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers besonders dann, wenn ein längerer Zeitraum bis zur Annahme des Versicherungsvertrages durch den Versicherer verstreiche. Im vorliegenden Fall sei der Schaden des Klägers nach der Übergabe des Antrages an den Vertreter der beklagten Partei eingetreten. Die beklagte Partei habe von dem Schaden durch Entgegennahme der Schadensmeldung am in der Filiale W***** noch vor der Annahme des Antrages, welche am erfolgte, Kenntnis erlangt. § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG erscheine damit - im Sinne der oben zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes - stillschweigend abbedungen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der vorliegende Fall ist nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der VersVG-Novelle 1994 (BGBl 1994/509) zu beurteilen, weil § 2 Abs 2 der letztzitierten Norm gemäß § 191b VersVG erst mit in Kraft trat und eine Rückwirkung der vorzitierten Bestimmung nicht ausdrücklich angeordnet worden ist. Nach § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer beim Abschluß des Vertrages weiß, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Das Revisionsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Ansicht vertreten, diese Bestimmung sei nach ihrem Wortlaut absolut zwingend (SZ 22/3, SZ 37/98, EvBl 1979/4). Es war jedoch gleichwohl der Auffassung, der Versicherer könne auf seine nach § 2 Abs 2 VersVG eingetretene Leistungsfreiheit hinterher wirksam verzichten. Weder aus dem Versicherungsvertragsgesetz, noch aus einer sonstigen Norm, auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder den guten Sitten lasse sich ableiten, daß es dem nach § 2 Abs 2 VersVG von seiner Verpflichtung zur Leistung freigewordenen Versicherer verwehrt wäre, sich zu dieser Leistung dennoch zu verpflichten (EvBl 1968/126 = SZ 40/87, EvBl 1979/4). In der bloßen Annahme der Erstprämie durch den Versicherer sei aber noch nicht ein nachträglicher Verzicht auf die Geltendmachung der nach § 2 Abs 2 VersVG eingetretenen Leistungsfreiheit zu erblicken (7 Ob 31/88).

Gegen den in den Entscheidungen SZ 22/3 und SZ 37/98 vertretenen Standpunkt, die Bestimmung des § 2 Abs 2 VersVG sei zwingend und der Versicherer auch dann leistungsfrei, wenn er bei Abschluß des Versicherungsvertrages vom Eintritt des Versicherungsfalles Kenntnis gehabt habe, hat bereits Lorenz-Liburnau in VersRdSch 1965, 70 ff - im Gegensatz zu Wahle, der der Ansicht beipflichtete, es liege eine "absolut zwingende Bestimmung" vor (VersR 1966, 999) - Stellung genommen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen regelten ganz allgemein den Beginn der Haftung aus neu abgeschlossenen Versicherungsverträgen durch die sogenannte Einlösungsklausel, die etwa folgenden Wortlaut habe: "Die Haftung des Versicherers beginnt mit der Einlösung der Polizze, jedoch nicht vor dem in der Polizze bezeichneten Zeitpunkt". Neuere Allgemeine Versicherungsbedingungen wiesen durchwegs die sogenannte erweiterte Einlösungsklausel auf, die die soeben wiedergegebene Einlösungsklausel durch folgenden Satz ergänze: "Wird die erste Prämie erst nach diesem Zeitpunkt eingefordert, alsdann aber ohne Verzug bezahlt, so beginnt der Versicherungsschutz zu dem in der Polizze genannten Zeitpunkt". Durch die erweiterte Einlösungsklausel verpflichte sich der Versicherer für den Fall, daß unverzüglich nach Zustandekommen des Versicherungsvertrages - durch Verständigung des Antragstellers von der Annahme seines Antrages - die Prämienzahlung erfolge, das Risiko von dem in der Polizze angegebenen Zeitpunkt an auch rückwirkend zu tragen. Die Leistungspflicht solle demnach auch bei Eintritt des Versicherungsfalles in dem dem Vertragsabschluß vorangegangenen Haftungszeitraum bestehen. Die erweiterte Einlösungsklausel führe dazu, daß die Versicherung in einem vor der Schließung des Vertrages liegenden Zeitraum beginne. Es liege insoweit eine sogenannte (unechte) Rückwärtsversicherung vor. Es sei nicht einzusehen, warum der Versicherer nicht auch im voraus auf seine Leistungsfreiheit wegen Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Schadensfalls während der Dauer der Rückwärtsversicherung verzichten können und demnach der Wortlaut des § 2 Abs 2 VersVG einen Verzicht des Versicherers auf Leistungsfreiheit als unabdingbar erscheinen lassen sollte. Keines der Merkmale, aus denen sich die Normkraft absolut zwingender Vorschriften ergeben könne - die sich "bald aus der Zugehörigkeit der Vorschrift zum öffentlichen Recht, bald aus ihrer Fassung, zumal aus der Nichtigkeitsdrohung oder der Ausstellung eines Gültigkeitserfordernisses, bald aus der offenbaren Sittenwidrigkeit einer Gegenabrede" ergebe - sei hier gegeben. Im Fall der unechten Rückwärtsversicherung entspreche der Verzicht den Bedürfnissen des redlichen Verkehrs.

Für die Abdingbarkeit des § 2 Abs 2 VersVG treten auch Bruck-Möller, Kommentar zum VersVG8 I, Anm 43 zu § 2, ein und führen hiezu eine gleichartige Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichtes an. Es bestünden keine Bedenken dagegen, das Erfordernis der subjektiven Ungewißheit des Versicherungsnehmers dahin zu präzisieren, daß es im Zeitpunkt seiner Willenserklärung, also regelmäßig der Antragstellung, gegeben sein muß. Wisse allerdings der Versicherungsnehmer schon im Zeitpunkt der Antragstellung, daß und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten sei, sei der Versicherungsvertrag als solcher ungültig.

Auch Prölss-Martin haben entgegen der genannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stets die Ansicht vertreten, § 2 Abs 2 VersVG könne abbedungen werden (wenn auch eine Abbedingung im Hinblick auf eine bei der Antragstellung schon vorhandene Kenntnis des Versicherungsnehmers den Vertrag seines Charakters als Versicherungsvertrag völlig entkleide und daher im Zweifel nicht gewollt sei), und daß auch ein nachträglicher "Verzicht" auf den Einwand aus § 2 Abs 2 VersVG möglich sei (Prölss-Martin, VersVG25, Anm 5 zu § 2; iglS etwa bereits Prölss-Martin in VersVG19, Anm 5 zu § 2).

Mit einer ausführlichen Begründung hat der (deutsche) Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 84, 268 = VersR 1982, 841, den Standpunkt vertreten, die Bestimmung des § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG sei grundsätzlich im Rahmen allgemeiner Vertragsfreiheit abdingbar, und darüber hinaus ausgeführt, ein Abbedingen des § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG liege darin, daß bei Abschluß einer Rückwärtsversicherung beide Vertragspartner wissen, daß ein Versicherungsfall bereits eingetreten ist.

Im gleichen Sinn führt Martin, Sachversicherungsrecht3, 933, unter Hinweis auf die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus, es sei, werde vom Versicherungsnehmer als beantragter Versicherungsbeginn ein Datum gewählt, das vor dem formellen Versicherungsbeginn (Zeitpunkt, in dem durch Annahme eines darauf gerichteten Antrages ein Versicherungsvertrag mit beiderseitiger Bindungswirkung zustandekommt) liege und der Antrag erst nach dem beantragten Beginnzeitpunkt angenommen, die Einlösungsklausel des § 38 Abs 2 VersVG sowie § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG stillschweigend abbedungen, soweit dies zulässig sei, nämlich für Schäden, die erst nach Absendung des Antrages eintreten.

Wolle der Versicherer vor Prämienzahlung nicht haften, so dürfe er Anträge nicht annehmen, sondern müsse sie ablehnen, wenn ein so früher Versicherungsbeginn beantragt werde, daß mit rechtzeitiger Prämienzahlung bei normalem Lauf der Dinge nicht gerechnet werden könne. Doch sei (noch vor den Erwägungen des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung VersR 1982, 841) § 38 Abs 2 VersVG bereits durch die sogenannte "erweiterte Einlösungsklausel" in Versicherungsscheinvordrucken ausgeschlossen worden, § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG (soweit der Ausschluß dieser Bestimmung durch die "erweiterte Einlösungsklausel" noch unklar gewesen sei) jedenfalls durch die sogenannte "verbesserte erweiterte Einlösungsklausel" ("Unter dieser Voraussetzung haftet der Versicherer auch für Versicherungsfälle, die nach dem festgesetzten Zeitpunkt, aber vor Annahme des Antrages eintreten. Ist jedoch dem Versicherungsnehmer bei Stellung des Antrages bekannt, daß der Versicherungsfall schon eingetreten ist, entfällt die Haftung").

Das Revisionsgericht schließt sich daher neuerlich der von der

deutschen Lehre und Rechtsprechung einhellig vertretenen Ansicht über

die Abdingbarkeit des § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG (iglS auch Maenner,

VersR 1984, 171 ff; Bartsch, VersR 1987, 644, und Rohles, VersR 1986,

214 ff) an, da diese dem schutzwürdigen Interesse des

Versicherungsnehmers entspricht, zumal dann, wenn eine längere Zeit

bis zur Annahme des Versicherungsantrages durch den Versicherer

verstreicht, und die Annahme des Charakters einer absolut zwingenden

Vorschrift weder nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung noch aus

anderen Gründen gerechtfertigt erscheint (vgl 7 Ob 5/89 = EvBl

1989/109 = VR 1990, 60 = VersR 1989, 1178 = AnwBl 1989, 442 mit

Anmerkung von Dorninger-Gabl = VersE 1424). Das Berufungsgericht hat

die Erwägungen der Entscheidung 7 Ob 5/89 samt den ihr zugrundeliegenden Lehrmeinungen zutreffend wiedergegeben. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist entgegen der Auffassung des Revisionswerbers durchaus mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar. Auch dort kam der Versicherer dem Begehren des Versicherungsnehmers auf einen Beginn der Versicherung zu einem Zeitpunkt, in dem er den Antrag stellte, nach, obwohl der Versicherer im Annahmezeitpunkt bereits vom zwischenzeitig erfolgten Schadensfall Kenntnis hatte bzw davon wissen mußte, wobei der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Schadensfalles davon ausgehen durfte, daß der Versicherer seinen Antrag bereits angenommen, zumindest in Behandlung genommen habe, und daher nichts von einer späteren Vertragsannahme wußte; auch dort war es nicht zu einer verbindlichen vorläufigen Deckungszusage gekommen. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall waren die Verhandlungspartner des dortigen Versicherungsnehmers angestellte Mitarbeiter des Versicherers. Die Entscheidung 5 Ob 5/89 wurde von der Lehre zum Teil inhaltlich (vgl Schauer in RdW 1989, 322) zum Teil aber nur im Ergebnis als zutreffend (vgl Jabornegg VR 1990, 213 ff) beurteilt. Auf die von der Revisionswerberin als fehlend gerügte Agenteneigenschaft von M***** und W***** kommt es im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht an. Die Vorschriften der §§ 43 ff VersVG sind auch auf Gelegenheitsvermittler anzuwenden, sodaß Versicherungsagent im Sinne dieser Bestimmungen jeder ist, der mit Wissen und Willen des Versicherers einen Versicherungsvertrag, sei es auch nur gelegentlich, vermittelt oder abschließt. Nach der österreichischen Vertragsübung gilt jeder als Versicherungsagent, der von einem Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, sei es auch nur bei Gelegenheit, betraut ist. Die auch von Prölss (Prölss-Martin25, 269 ff) hervorgehobene Tendenz des Gesetzes, die sehr streitige Rechtsstellung der Agenten in der Zeit zwischen Antrag und Annahme mit betonter Rücksicht auf die Interessen des Publikums zu regeln, wird durch die Überlegung gefestigt, daß dem Versicherungsnehmer in der Regel der nähere Inhalt der Rechtsbeziehungen des für einen Versicherer auftretenden Agenten selbst dann nicht bekannt ist, wenn dieser mit Versicherungsformularen des Versicherers arbeitet, daneben aber auch noch für andere Anstalten tätig ist. Schließlich spricht das Gesetz nur von der Betrauung des Versicherungsagenten mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, ohne ein Erfordernis ständiger Betrauung klar auszudrücken. Da es andererseits dem Versicherer offensteht, die gesetzliche Vollmacht des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG im einzelnen einzuschränken, ist der Rechtskreis der präsumtiven Versicherungsnehmer des Schutzes des Gesetzes bedürftiger. Die Firmenbezeichnung des einen Versicherungsantrag aufnehmenden Agenten ist für das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Versicherer ohne Bedeutung. Nach § 43 VersVG ist ja auch der Vermittlungsagent befugt, Anträge auf Abschluß einer Versicherung entgegenzunehmen. Die dem Agenten zugegangenen Anträge gelten daher - sofern keine diesbezügliche Beschränkung der Vollmacht im Sinne des § 47 VersVG gegenüber Verbrauchern iVm § 10 Abs 1 letzter Satz KSchG vorliegt - als dem Versicherer zugegangen. Der Versicherer hat somit durch einen Vertreter Vertragsverhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses eines Versicherungsvertrages angebahnt. Demnach treffen die vorvertraglichen Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem in Aussicht genommenen Versicherungsnehmer nicht nur den Versicherungsmakler (Versicherungsagenten), sondern auch den von ihm vertretenen Versicherer (vgl SZ 64/189 = VR 1992/279 = VersR 1993, 383; vgl dazu Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 98 ff). Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß M***** und W***** ständig Versicherungsanträge für die beklagte Partei aufnahmen, dazu die Antragsformulare der beklagten Partei in Händen hatten, die unter anderem folgenden Wortlaut aufweisen "... Die mit der Regelung von Versicherungsgeschäften betrauten Personen sind nicht bevollmächtigt, mündliche Erklärungen für den Versicherer abzugeben...". Allein aus dieser Formulierung durfte der Kläger annehmen, daß M***** und W***** von der beklagten Partei damit betraut waren, für sie tätig zu werden. In einem solchen Fall kann keine Rede mehr von einer nicht ständigen Betrauung, die zur Unanwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 43 ff VersVG führen würde, sein. Es ist unerheblich, ob der Agent ein unselbständiger oder ein selbständiger ist. Auch "Gelegenheitsvermittler", d.s. Personen, die zwar ständig damit betraut sind, jedoch nur gelegentlich Kunden zuführen, fallen darunter. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die von der beklagten Partei als Courtage-Zusage bezeichnete Vereinbarung bereits ausreichend für die Annahme ist, daß M***** und W***** dadurch Versicherungsagenten der beklagten Partei im Sinne des § 43 VersVG und damit Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei geworden sind. Es ist daher davon auszugehen, daß der Versicherungsantrag des Klägers durch die Übergabe an Mario Mayr am der beklagten Partei zuging Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.