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OGH vom 16.01.2001, 5Ob241/00b

OGH vom 16.01.2001, 5Ob241/00b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Kurt D*****, vertreten durch Mag. Caroline Weiskopf, Angestellte des Mieterschutzverbandes Österreichs, 6020 Innsbruck, Salurnerstraße 18/111, gegen die Antragsgegnerin U***** AG *****, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stubenring 16, wegen Mietzinsüberprüfung, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 4 R 256/00a-15, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 17 Msch 101/99m-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Mietrechtssache wird zur neuerlichen, nach allfälliger Verfahrensergänzung zu fällenden Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die von den Parteien im Rechtsmittelverfahren verzeichneten Barauslagen sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****, in welchem der Antragsteller eine im Erdgeschoss gelegene Wohnung mit einer Nutzfläche von 97 m2 bewohnt. Das Haus wurde vor dem Jahr 1945 errichtet und umfasst mehr als zwei selbstständige Wohneinheiten.

Der Antragsteller hat die erwähnte Wohnung vorerst von der damaligen Hauptmieterin Maria H***** per mit schriftlichem Untermietvertrag angemietet. Mit schriftlichem Mietvertrag vom hat er sodann die Wohnung von der Antragsgegnerin "in Hauptmiete übernommen", wobei dem Bestandvertrag die Ausstattungskategorie B zugrunde gelegt wurde. Das Hauptmietverhältnis begann am und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Als monatlicher Nettohauptmietzins ist unter Zugrundelegung des mietrechtlichen Richtwertsystems ein Betrag von S

6.500 vereinbart worden. Der schriftliche Mietvertrag enthält dazu Folgendes:

"... Der Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 2 MRG errechnet sich aus dem Richtwert inklusive Zuschlägen und Abstrichen.

Bei einem Lagezuschlag gemäß § 16 Abs 2 Z 4, Abs 3 und 4 MRG:

Als maßgebende Umstände wurden die überdurchschnittliche Lage (außerhalb eines Günderzeitviertels) berücksichtigt sowie weiters (Lage, Wohnumgebung des Hauses) die ruhige, zentrumsnahe Lage in Innsbruck.

Der Grundkostenanteil liegt daher aufgrund des Verkehrswertes der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Bebaubarkeit über dem der Richtwertermittlung zugrunde gelegten Grundkostenanteil .....

Es wird Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses (Entgeltes für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen) nach Maßgabe der in den §§ 5 und 6 RichtWG vorgesehenen Wertsicherung (Neufestsetzung) der Richtwerte ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Richtwert vereinbart ...."

Mit dem an die Schlichtungsstelle des Stadtmagistrates Innsbruck gerichteten Antrag vom (verbessert am ) begehrte der Antragsteller die Überprüfung des vereinbarten Hauptmietzinses und die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung des ab zuviel bezahlten Mietzinses. Er vertritt die Auffassung, dass der ihm von der Antragsgegnerin vorgeschriebene Mietzins in Höhe von S 7.150 (einschließlich USt) zu hoch und nicht gerechtfertigt sei, weil es sich beim gegenständlichen Mietobjekt in Wahrheit lediglich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie C handle, zumal sich in dieser weder eine Etagenheizung befinde noch (zum Zeitpunkt des Einzuges des Antragsteller) eine Küche vorhanden gewesen sei.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Mietzinsüberprüfungsbegehrens. Sie wendete im Wesentlichen ein, dass der von ihr geforderte Hauptmietzins der sehr guten Lage des gegenständlichen Mietobjekts und seinem konkreten Erhaltungs- und Ausstattungszustand gerecht werde. Es treffe auch nicht zu, dass bei Anmietung der Wohnung durch den Antragsteller keine Küche vorhanden gewesen sei. Der dem gegenständlichen Mietvertrag zugrunde gelegte Richtwert von S 68 /m2 sei daher zulässig und angemessen.

Nachdem das Verfahren gemäß § 40 Abs 2 MRG zu Gericht gelangt war, hat das Erstgericht als zulässigen Hauptmietzins für das gegenständliche Bestandobjekt bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags "einen Betrag von monatlich S 5.301,54 netto wertgesichert gemäß §§ 5, 6 RichtWG" festgesetzt. Es stellte fest, dass sich zum Zeitpunkt des Einzuges des Antragstellers Anfang 1995 im Bestandobjekt eine funktionsfähige Küche befunden habe, für deren Übernahme der Antragsteller dem Voruntermieter S 60.000 bezahlt hatte. Diese Küche sei auch am (Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Hauptmietvertrags) in der Wohnung vorhanden gewesen, doch habe der Antragsteller der seinerzeitigen Hauptmieterin die gesamte Wohnungseinrichtung (einschließlich der bereits bezahlten Küche) um S 120.000 "ablösen" müssen. Von all diesen Vorgängen habe die Antragsgegnerin keine Kenntnis gehabt; diese hatte das Bestandobjekt im Gegenteil schon im Jahre 1976 mit einer voll funktionsfähigen Küche ausgestattet. Seitens des Antragstellers sei in Ansehung der Küche auch niemals eine Reklamation an die Antragsgegnerin herangetragen worden.

Des Weiteren traf das Erstgericht die entscheidungswesentlichen Feststellungen, dass in der vom Antragsteller angemieteten Wohneinheit keine Etagenheizung vorhanden ist. Da sich die gegenständliche Wohnung aber darüber hinaus zum Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrags in mängelfreiem Zustand (einschließlich einer voll eingerichteten Küche) befunden habe, sei vom Vorhandensein einer Wohnung der Ausstattungskategorie B auszugehen. Zudem befinde sich das Bestandobjekt im unmittelbaren Zentrumsbereich von Innsbruck in ruhiger und guter Wohnlage. Dieser Umstand begründe einen Richtwertzuschlag von 10 %, während die fehlende Zentralheizung einen Abschlag von 25 % rechtfertigte (§ 273 ZPO). Nicht festgestellt werden könne, "ob sonstige Umstände vorlägen, die Zu- oder Abschläge vom mietrechtlichen Richtwert zu begründen geeignet seien". Schließlich könnten aber auch die genauen Mietzinszahlungen des Antragstellers während des Bestandverhältnisses nicht festgestellt werden.

Gestützt auf diese Feststellungen nahm das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht vom für das Bundesland Tirol im Jahre 1996 verordneten Richtwert (S 64,30 /m2) einen Abschlag von 15 % vor und errechnete demzufolge den für das gegenständliche Bestandobjekt zulässigen monatlichen Nettohautpmietzins mit S 5.301,54 (S 54,66 x 97 m2). Darüber hinausgehende Abschläge könnten zugunsten des Antragstellers nicht vorgenommen werden, weil die Antragsgegnerin das Bestandobjekt mit einer voll funktionsfähigen Küche ausgestattet hatte und ihr die getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Antragsteller und der vormaligen Hauptmieterin (dem Voruntermieter) nicht zur Kenntnis gelangt seien. Eine auf § 37 Abs 4 MRG gestützte Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin scheide aus, da die vom Antragsteller tatsächlich geleisteten Bestandzinszahlungen nicht ausreichend objektivierbar seien.

Das von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Dass das Erstgericht den zulässigen Nettohauptmietzins ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelte, begründe keinen Verfahrensmangel. Die Antragsgegnerin habe nämlich im erstinstanzlichen Verfahren lediglich vorgebracht, "dass bei der Ermittlung des zulässigen Richtwertmietzinses überdies die Lage der Wohnung im Haus, die Ausstattung der Wohnung, die Grundrissgestaltung der Wohnung, die Ausstattung der Liegenschaft, die Ausstattung mit Gemeinschaftsanlagen und der Erhaltungszustand des Hauses zu berücksichtigen seien". Mit diesem (ohne jegliches Beweisanbot erstatteten) Vorbringen sei nicht konkret auf das zu beurteilende Bestandobjekt Bezug genommen, sondern lediglich in allgemeiner Form die gesetzliche Bestimmung des § 16 Abs 2 MRG auszugsweise wiedergegeben worden. Schon deshalb habe für das Erstgericht kein Anlass bestanden, dieses "Vorbringen" zum Anlass für die Einholung eines nicht angebotenen Sachbefundes zu nehmen. Außerdem sei die Mängelrüge gar nicht gesetzmäßig ausgeführt worden. Aus diesen Überlegungen habe der für die vom Antragsteller angemietete Wohnung zulässige Hauptmietzins nur unter Heranziehung des § 273 ZPO ermittelt werden können; auch dieser Umstand sei daher nicht geeignet, zu Lasten der Antragsgegnerin einen wesentlichen Verfahrensmangel zu begründen.

Unter Ausklammerung des von der Antragsgegnerin relevierten Verfahrensmangels sei aber nicht ersichtlich, inwieweit im vom Erstgericht mit 10 % angesetzten Lagezuschlag ein Rechtsirrtum zu erblicken ist. Es möge zwar zutreffen, dass das gegenständliche Bestandobjekt ruhig und in Zentrumsnähe (nicht aber im Zentrum selbst) gelegen ist, doch könne allein dieser Umstand einen höheren Zuschlag (verglichen zur mietrechtlichen Normwohnung; § 2 Abs 1 RichtWG) nicht rechtfertigen. Hingegen entspreche ein Abschlag von 25 % für die fehlende Etagenheizung den für mehrere Bundesländer ergangenen Beiratsempfehlungen (§ 8 RichtWG; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht 20. Auflage, Rz 27 zu § 16 MRG), sodass auch diesbezüglich eine die Rekurswerberin belastende Fehlbeurteilung nicht zu sehen sei.

Nicht zu folgen sei den Argumenten der Antragsgegnerin schließlich insoweit, als sie die Auffassung vertritt, dass der Mietzingsüberprüfungsantrag deshalb abzuweisen (zurückzuweisen) gewesen wäre, weil der Antragsteller diesem Antrag im Verfahren vor der Schlichtungsstelle (letzlich zu Unrecht) eine Wohnung der Ausstattungskategorie C zugrunde gelegt hatte. Es treffe zwar zu, dass der Antragsteller tatsächlich nicht explizit die Überprüfung des zulässigen Hauptmietzinses "auf Grundlage einer Wohnung der Ausstattungskategorie B" beantragt hat, doch könne wohl kein Zweifel bestehen, dass sein Begehren im Sinne einer generellen Mietzinsüberprüfung zu verstehen ist. Bedenke man, dass es sich bei der Kategorieeinstufung lediglich um eine (von mehreren) Komponente(n) des Richtwertmietzinses handelt (Würth/Zingher aaO, Rz 3 zu § 15a MRG), sei der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht, "dass die vom Antragsteller vorgenommene Kategoriebeurteilung nicht einen eigenständigen Antrag, sondern nur eine Frage der rechtlichen Beurteilung innerhalb des gestellten Antrags darstellt, vollinhaltlich beizupflichten. Von einem fehlenden Antrag oder einer iSd § 405 ZPO unzulässigen Antragsüberschreitung könne daher keine Rede sein.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteigt, der Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzeres wurde damit begründet, dass keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG) zu beantworten gewesen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluss hat die Antragsgegnerin ao Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn entweder so abzuändern, dass der Mietzinsüberprüfungsantrag des Antragstellers zur Gänze abgewiesen wird, oder aber die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neue, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen. Als erhebliche, vom Rekursgericht unrichtig gelöste Rechtsfrage, die die Anrufung des Obersten Gerichtshofes und das Rechtsmittelbegehren rechtfertige, macht die Antragsgegnerin geltend, dass die Vorinstanzen den Lagezuschlag für die verfahrensgegenständliche Wohnung gemäß § 16 Abs 3 MRG hätten errechnen müssen, statt ihn gemäß § 273 ZPO einfach mit 10 % zu bemessen. Dementsprechend hätten - auch ohne entsprechenden Beweisantrag - die Grundpreise in der Wohnumgebung erhoben werden müssen.

Dem Antragsteller wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses am freigestellt; er hat jedoch von dieser Möglichkeit erst verspätet (Einlangen der Revisionsrekursbeantwortung beim Obersten Gerichtshof am ) Gebrauch gemacht (§§ 508a Abs 2, 521a Abs 1 Z 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als zulässig und iS seines Aufhebungsbegehrens auch als berechtigt.

Zutreffend weist die Rechtsmittelwerberin darauf hin, dass § 16 Abs 3 MRG genaue Anweisungen über die Ermittlung des Lagezuschlages enthält, weshalb er nicht unter Anwendung des § 273 ZPO nach Ermessen des Gerichtes hätte festgesetzt werden dürfen. Zur Ermittlung der Lagezu- und -abschläge ist nach gesetzlicher Anordnung zunächst der Lage des Hauses entsprechende Grundkostenanteil je m2 Nutzfläche zu berechnen. Dazu bedarf es der Feststellung der in dieser Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeignete Grundstücke (idS ist § 16 Abs 3 MRG berichtigend auszulegen:

Stabentheiner, Das Richtwertsystem, WoBl 1994, 81 [90] durch einen Realitätensachverständigen und - allenfalls mit Hilfe eines Bausachverständigen - der Umlegung dieser Preise auf die unter Berücksichtigung der Bauvorschriften erzielbaren Wohnnutzflächen. Von der Differenz zwischen dem auf diese Weise errechneten und dem der Richtwertfestsetzung zugrunde gelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs 2 und Abs 5 RichtWG), der aus dem gemäß § 4 Abs 1 RichtWG mit dem Richtwert kundgemachten Prozentanteil rückgerechnet werden kann, bilden schließlich 0,33 % den Lagezuschlag bzw -abstrich (vgl Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 25 zu § 16 MRG).

Davon scheint auch das Rekursgericht ausgegangen zu sein, hab aber die davon abweichende Vorgangsweise des Erstgerichtes mit dem Argument gebilligt, dass die Antragsgegnerin ihr Verlangen nach einem Lagezuschlag nicht ausreichend konkret - mit Bezug auf das fragliche Bestandobjekt - gestellt habe. Das trifft jedoch nach der einschlägigen Judikatur zu § 16 Abs 4 MRG nicht zu. Da im Mietvertrag die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände (ruhige, zentrumsnahe Lage in Innsbruck) ausreichend deutlich angegeben wurden (vgl 5 Ob 180/00g), musste die Berufung der Antragsgegnerin auf einen Lagezuschlag im gegenständlichen Mietzingsprüfungsverfahren genügen, um ihn zu ermitteln und zu berücksichtigen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 ZPO.