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OGH vom 26.01.2005, 3Ob262/04g

OGH vom 26.01.2005, 3Ob262/04g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolf Heistinger, Rechtsanwalt in Mödling, und weiterer betreibender Parteien, wider die verpflichtete Partei Thomas M*****, vertreten durch Mag. Gerald Gerstacker, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 72.634,30 EUR sA und anderer betriebener Forderungen, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen Punkt I. des Beschlusses des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 17 R 121/04x-72, womit der Meistbotsverteilungsbeschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 5 E 138/01p-58, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt I. dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die führende betreibende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die führende betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 2.080,80 EUR (darin 346,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

In dem am eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren wurde der führenden betreibenden Partei, einer Bank, zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von umgerechnet 72.634,30 EUR sA die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten im Rang C-LNR 8 bewilligt.

Zur Meistbotsverteilung meldete die führende betreibende Partei ihre Forderung im Rang C-LNR 8 mit 307.260,78 EUR an. Sie brachte dazu vor, sie habe einer GmbH, deren Firma den Namen des Verpflichteten enthält, Kredite gegeben, zu deren Sicherstellung der Verpflichtete die Haftung als Bürge und Zahler sowie als Pfandbesteller in Ansehung der in Exekution gezogenen Liegenschaft übernommen habe. Aus diesen Kreditverhältnissen hafteten folgende Beträge unberichtigt aus:

Kredit Nr. 4151-1019/55 72.346,91 EUR

Kredit Nr. 4151-1019/63 189.156,53 EUR

Kredit Nr. 4151-1037/53 45.757,34 EUR

insgesamt sohin 307.260,78 EUR.

Zur Besicherung dieser Forderungen sei das Pfandrecht unter C-LNR 8 einverleibt. Zum Nachweis legt die führende betreibende Partei jeweils in Original und Kopie drei Kreditverträge jeweils samt „Finto-Abschluss", die Pfandbestellungsurkunde sowie eine Amtsbestätigung über die Änderung ihres Firmenwortlauts in Kopie vor. Die sogenannte Abschlüsse sind jeweils mit „Kontokorrent Anzeige Abschluss-Ergebnisse" über- und nicht unterschrieben. Unter dem Datum werden die Kontonummer, die Kontokurzbezeichnung (die Firma der GmbH) und eine Kundennummer angeführt. Weiters sind jeweils Eurobeträge an Sollzinsen als Abschlussergebnisse per angeführt sowie ein Vorsaldo und die sich aus der Summierung der Sollzinsen ergebenden neuen Salden.

Zur Meistbotsverteilungstagsatzung erschien für die führende betreibende Partei niemand. Der Verpflichtete und eine weitere betreibende Partei erhoben Widerspruch gegen die Zuweisung der beantragten 307.260,78 EUR "mangels Erfüllung der hiefür erforderlichen Formerfordernisse, besonders der Kontoabschlüsse".

Das Erstgericht wies mit seinem Meistbotsverteilungsbeschluss u.a. zu A) 4) der führenden betreibenden Partei 95.756,12 EUR, zu A 5) einer weiteren betreibenden Partei 81.714,12 EUR und den Überschuss von 75.362,30 EUR dem Verpflichteten zu. Weiters erfolgten prozentuell entsprechende Zuweisungen an die Genannten aus den Meistbotszinsen und aus den Zinsen der Veranlagung des Meistbots.

Zur Begründung führte die Erstrichterin aus, die führende betreibende Partei habe ihre durch eine Höchstbetragshypothek gesicherte Forderung nicht ordnungsgemäß angemeldet. Zwar müsse sich die Aufschlüsselung der Forderung nach Kapital, Zinsen und Gebühren nicht aus der Anmeldung selbst, wohl aber aus den zum Nachweis vorgelegten Urkunden ergeben. Die vorgelegten „Finto-Abschlüsse" genügten diesen Erfordernissen nicht. Es sei daraus nur ein nicht näher definierter Vorsaldo ablesbar, dem jeweils eine nicht näher erläuterte Summe Sollzinsen hinzuaddiert worden sei, die weder die Höhe des Kapitalbetrags noch den Zinsfuß noch Beginn und Ende des Zinsenlaufes enthielten. Da diese Abschlüsse mit datiert und am beim Erstgericht eingelangt seien, sei zu ersehen, dass die offensichtlich fehlende Reaktion des Verpflichteten nicht als Unterlassen eines Widerspruchs gewertet werden dürfe. Daher sei nur die titulierte Forderung samt den ausgewiesenen Nebengebühren zu berücksichtigen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung in den Punkten A) 4) bis 6) sowie in der Zinsenzuweisung dahin ab, dass es der führenden betreibenden Partei zu A) 4) um 157.076,42 EUR mehr, daher insgesamt 252.832,54 EUR zuwies und auch die Prozentsätze in Punkt B) entsprechend änderte. Die Zuweisungen zu Punkt A) 5) und A) 6) entfielen nach dieser Entscheidung.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Ausgehend davon, dass auf das vorliegende Exekutionsverfahren bereits die EO idF der EO-Novelle 2000 anzuwenden sei, sah es die Voraussetzung des § 211 Abs 5 EO nF durch die Forderungsanmeldung der führenden betreibenden Partei als erfüllt an. Der Umstand, dass eine Saldomitteilung vom Verpflichteten unwidersprochen geblieben sei, lasse sich vom Gläubiger nicht urkundlich nachweisen. Im Schrifttum werde zumindest die Behauptung verlangt, die Saldomitteilung sei dem Verpflichteten zugegangen und von diesem unwidersprochen geblieben. Zwar sei eine derartige Behauptung in der Forderungsanmeldung nicht enthalten. Es liege aber nach der Entscheidung 3 Ob 27/02w in der Vorlage der keinen Widerspruch ausweisenden Saldenmitteilung die Behauptung, der Verpflichtete habe diesem ihm mitgeteilten Saldo nicht widersprochen. Im vorliegenden Fall habe keiner der dazu Berechtigten mit der Argumentation gegen die Zuweisung Widerspruch erhoben, der Saldenmitteilung sei widersprochen worden oder sie sei dem Verpflichteten nicht zugekommen. Solche Behauptungen hätten am Tag der Meistbotsverteilungstagsatzung, dem , also drei Wochen nach dem Abschlussdatum auf den Saldenmitteilungen aufgestellt werden können. So schade es der führenden betreibenden Partei nicht, dass zwischen dem Abschlussdatum auf den Saldenmitteilungen und der Forderungsanmeldung ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum gelegen sei. Unerheblich sei auch, dass die sogenannten „Finto-Abschlüsse" nicht explizit an den Verpflichteten gerichtet seien. Das heiße nämlich noch nicht, dass ihm diese nicht zugekommen seien. Daher sei in der führenden betreibenden Partei weitere 157.076,42 EUR zuzuweisen, wodurch das Meistbot erschöpft sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil der Oberste Gerichtshof eine vergleichbare Konstellation noch nicht zu beurteilen gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist berechtigt.

Nach der hier bereits anzuwendenden Bestimmung des § 211 Abs 1 EO idF EO-Novelle 2000 reicht bei einer Höchstbetragshypothek zum Nachweis des zum Zeitpunkt der letzten vom Verpflichteten unwidersprochen gebliebenen Saldomitteilung offenen Betrags die Vorlage dieser Saldomitteilung aus. Dies ist im Zusammenhang mit § 210 Abs 1 EO über die Erforderlichkeit des Nachweises der Ansprüche der auf das Meistbot gewiesenen Personen nach Kapital, Zinsen, Kosten und sonstigen Nebenforderung zu sehen. § 211 Abs 1 EO wurde von Angst (in Angst, EO § 210 Rz 12 zweifach kritisiert; zum einen, weil nachfolgende Gläubiger die Richtigkeit einer Saldomitteilung im Allgemeinen nicht prüfen könnten, und zum anderen, weil fragwürdig sei, weshalb die Regelung der Festbetragshypotheken nicht gelte. Insoweit befürwortet Angst eine analoge Anwendung.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich bisher mit § 211 Abs 5 EO nur in der Entscheidung 3 Ob 27/02w = JBl 2003, 659 = ÖBA 2003, 780 = RdW 2003, 451 zu befassen. Darin wird diese Bestimmung als eine Erleichterung der Forderungsanmeldung und deren Nachweises in Abweichung von der Grundregel des § 210 Abs 1 EO nF bezeichnet. Zu der im zu beurteilenden Fall vorliegenden Saldomitteilung wurde ausgeführt, sie habe den gesetzlichen Anforderungen noch entsprochen, auch wenn darin eine ausdrückliche Behauptung, sie sei dem Verpflichteten zugegangen und von ihm unwidersprochen geblieben, nicht enthalten sei. Wenngleich es wünschenswert sei, dass die Anmeldungen durch Höchstbetragspfandgläubiger, die von dieser Erleichterung Gebrauch machen, eine entsprechend deutliche ausdrückliche Behauptung enthalten, sei dies noch als ausreichende Behauptung zu erachten. Solle die Rechtsstellung des Höchstbetragshypothekargläubigers entgegen der offenbaren Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung des § 211 Abs 5 EO nicht verschlechtert werden, dann müsse in der Vorlage der - keinen Widerspruch des Verpflichteten ausweisenden - Saldomitteilung (des Saldoabschlusses) die Behauptung enthalten gesehen werden, der Verpflichtete habe diesem ihm mitgeteilten Saldo nicht widersprochen. Es sei seine Sache oder die der nachfolgenden Gläubiger, mit Widerspruch gemäß § 213 Abs 1 EO geltend zu machen, dass das Vorbringen des anmeldenden Gläubigers nicht zutreffe.

Was nun der vorliegenden Fall betrifft, ist vorweg zu nehmen, dass entgegen der nunmehrigen Behauptung im Revisionsrekurs dem Widerspruch des Verpflichteten in der Meistbotsverteilungstagsatzung mit keinem Wort die Behauptung zu entnehmen ist, die „Finto-Abschlüsse" seien ihm nicht übermittelt worden. Die nunmehrige gegenteilige Behauptung ist als dem Neuerungsverbot widersprechend unbeachtlich.

Allerdings ist insgesamt seiner Auffassung dahin zu folgen, dass ungeachtet der „großzügigen" Auslegung des § 211 Abs 5 EO durch die zitierte Vorentscheidung im vorliegenden Fall von einem ausreichenden Nachweis der angemeldeten Forderung iSd § 210 Abs 1 iVm § 211 Abs 5 EO nicht mehr gesprochen werden kann. Der ohnedies die anmeldenden Gläubiger begünstigenden Entscheidung 3 Ob 27/02w lag wenigstens eine an den Verpflichteten selbst gerichtete „Pro forma-Abschlussrechnung" zugrunde. Im vorliegenden Fall ist Kontoinhaber und, wie sich auch aus dem Kreditvertrag ergibt, Kreditnehmer der führenden betreibenden Partei eine GmbH, deren Firmenkern sich mit dem Namen des Verpflichteten deckt. Eine Behauptung, der Verpflichtete sei für die GmbH vertretungsberechtigt, wurde nicht aufgestellt. Auch daraus, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Kreditverträge der Beklagte die Kreditnehmerin vertrat, folgt keineswegs zwingend, dass dies nach wie vor, Jahre später, der Fall ist. Zu Recht geht Angst (aaO § 210 Rz 11) davon aus, dass das Gesetz so zu verstehen ist, dass die Saldomitteilung dem Verpflichteten zugegangen sein muss, ist doch darin auch davon die Rede, dass es um die letzte vom Verpflichteten unwidersprochen gebliebene Saldomitteilung geht. Selbst wenn man in der Vorlage einer Saldomitteilung schon die Behauptung sehen kann, diese sei dem Verpflichteten zugegangen, wenn sie an ihn gerichtet ist, kann dies nicht mehr gesagt werden, wenn wie im vorliegenden Fall jedwede Adressierung der Abschlussrechnung an den Verpflichteten persönlich fehlt. Dazu kommt noch, dass die in 3 Ob 27/02w mit Recht als wünschenswert erachtete Behauptung, die Saldomitteilung sei vom Verpflichteten unwidersprochen geblieben, auch im vorliegenden Fall (wie in dem der Vorentscheidung) unterblieben ist. Gerade die zeitliche Abfolge im vorliegenden Fall spricht nun in diesem Punkt dagegen, in der bloßen Vorlage der Urkunden eine entsprechende Behauptung zu sehen, sind doch sämtliche Saldomitteilungen mit datiert und bereits am beim Erstgericht eingelangt, wobei auch der Schriftsatz selbst, den die führende betreibende Partei nicht durch den Anwalt einbringen ließ, bereits mit datiert ist. Ungeachtet der gegenüber der früheren Rechtslage in 3 Ob 27/02w konstatierten Verschlechterung eines unzulänglich anmeldenden Gläubigers einer Höchstbetragshypothek ginge es zu weit, auch in einem derartigen Fall der führenden betreibenden Partei die implizite Behauptung zu unterstellen, der Verpflichtete habe die mit dem Tag der Unterfertigung der Anmeldung datierte Saldomitteilung unwidersprochen gelassen.

Dagegen kann man nicht mit Recht (so aber der Rekurs der führenden betreibenden Partei gegen die erstinstanzliche Entscheidung) einwenden, es könne davon ausgegangen werden, dass die Kontoabschlüsse dem Verpflichteten gleich wie dem Gericht am zugegangen seien, weshalb dieser 17 Tage bis zur Meistbotsverteilungstagsatzung Zeit gehabt habe, Widerspruch zu erheben. Primär obliegt es nämlich, wie sich auch aus dem Gesetz selbst ableiten lässt, den anmeldenden Gläubiger, entsprechende Behauptungen über den unwidersprochenen Zugang einer Saldomitteilung aufzustellen. Nur an (noch) ausreichende, wenn auch schlüssige Behauptungen knüpft die mehrfach zitierte Vorentscheidung 3 Ob 27/02w die Konsequenz, in diesem Fall sei es Sache des Verpflichteten oder nachrangiger Gläubiger, Widerspruch zu erheben. Demnach kann es dem Verpflichteten im vorliegenden Fall nicht schaden, dass er in der Meistbotsverteilungstagsatzung lediglich die mangelnde Erfüllung der für die vorgelegten Urkunden erforderlichen Formerfordernisse geltend machte. Die vom Gesetzgeber offenbar in Verkennung der Bedeutung des § 224 Abs 2 EO aF) in Kauf genommene Verschlechterung der Position eines nicht oder unzureichend anmeldenden Gläubigers einer Höchstbetragshypothek (vgl dazu Angst aaO § 224 Rz 3 f) kann nicht dazu führen, die nach wie vor bestehende Nachweispflicht des § 210 Abs 1 EO für die Höchstbetragshypothek im Auslegungsweg überhaupt wegfallen zu lassen. Die mangelnde Berücksichtigung eines Höchstbetragspfandgläubigers bei der Meistbotsverteilung führt ja nach zutreffender Rechtsprechung und Lehre (Nachweise bei Angst, aaO § 231 Rz 17 ff) nicht zum Verlust des materiell-rechtlichen Anspruchs, sondern nur zu dem des verfahrensrechtlichen Teilnahmeanspruchs. Demnach kann ein mangels ordnungsgemäßer Anmeldung nicht zum Zug gekommener Gläubiger seinen materiell-rechtlichen Anspruch gegen die zu Unrecht Beteiligten im Rechtsweg geltend machen.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und der erstinstanzliche Meistbotsbeschluss wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 iVm §§ 50, 41 und 40 ZPO. Auch im Meistbotsverteilungsverfahren richtet sich bei einem hier durch den Rekurs der führenden betreibenden Partei ausgelösten Zwischenstreit die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren nach den Vorschriften der ZPO (RIS-Justiz RS0107415).