OGH vom 28.08.1984, 2Ob42/84
Norm
Kopf
SZ 57/131
Spruch
Beruft sich im Zivilprozeß ein Rechtsanwalt gemäß § 30 Abs. 2 ZPO auf eine ihm erteilte Vollmacht, hat in der Regel eine Prüfung, ob ihm tatsächlich Prozeßvollmacht erteilt wurde, zu unterbleiben
(OLG Wien 18 R 54/84; LGZ Wien 38 Cg 741/83)
Text
Auf der von den Beklagten überreichten Klagebeantwortung findet sich unter dem Namen des Beklagtenvertreters der Vermerk: "Vollmachten erteilt gemäß § 30 ZPO".
Das Erstgericht stellte die Klagebeantwortung dem Beklagten mit dem Verbesserungsauftrag zurück anzuführen, wann die Vollmachten an den Beklagtenvertreter erteilt worden seien, bei der Zweitbeklagten auch, von welcher physischen Person in welcher Funktion (Frist acht Tage).
Die Beklagten legten die Klagebeantwortung innerhalb von acht Tagen wieder vor, kamen jedoch dem ihnen erteilten Verbesserungsauftrag mit der Begründung nicht nach, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, daß der einschreitende berufsmäßige Parteienvertreter Angaben iS des vom Erstgericht erteilten Verbesserungsauftrages zu machen habe.
Daraufhin wies das Erstgericht die Klagebeantwortung zurück. Es verwies auf die im "Wiener Richter" 1984/13 veröffentlichte Entscheidung des OLG Wien und führte aus, die Vertretungsbefugnis bilde im Zivilprozeß eine Voraussetzung für ein Sachurteil; ihr Mangel sei in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. § 30 Abs. 2 ZPO erspare nur das Vorlegen der Vollmachtsurkunde.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Ein Rekurs an den OGH wurde für zulässig erklärt. Das Rekursgericht wies auf die Entscheidung des OGH, EvBl. 1967/183, hin, wonach Vollmachten - von Sonderfällen abgesehen - nicht datiert sein müssen, und vertrat die Meinung, an sich reiche die Erklärung des Rechtsanwaltes oder Notars, er sei von der Partei, für die er einschreite, bevollmächtigt worden, als Nachweis der Prozeßbevollmächtigung aus. Damit solle selbstverständlich nicht in das Recht des Gerichtes eingegriffen werden, die Gültigkeit der behaupteten Bevollmächtigung, deren Fehlen Nichtigkeit bedeute, zu prüfen, wenn Bedenken bestunden. Es müsse hier nicht erörtert werden, welche Folgen es habe, wenn eine Partei die ihr im Rahmen dieser Prüfung aufgetragene Aufklärung nicht gebe, weil es nicht erkennbar sei, daß das Erstgericht eine inhaltliche Prüfung habe durchführen wollen. Das Erstgericht habe dies auch nicht beabsichtigt. Es habe vielmehr im Fehlen der von ihm als notwendig erachteten Angaben über die Person des Vollmachtgebers und das Datum der Bevollmächtigung ein Formgebrechen erblickt und habe den Beklagten die Verbesserung aufgetragen. Dies sei jedoch ohne Grund erfolgt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 30 Abs. 2 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983 ersetzt bei Einschreiten eines Rechtsanwaltes oder Notars die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis. Daß der Rechtsanwalt oder Notar, abgesehen von einem Hinweis auf die Vollmacht, ein detailliertes Vorbringen über die näheren Umstände der Bevollmächtigung zu erstatten hat, ergibt sich aus der angeführten Vorschrift nicht. Schon vor der Zivilverfahrens-Nov. 1983 hat der OGH in EvBl. 1967/183 ausgesprochen, daß die Prozeßvollmacht - abgesehen von Sonderfällen - nicht datiert sein müsse. Um einen derartigen Sonderfall handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Die neue Fassung des § 30 Abs. 2 ZPO bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der bevollmächtigte Rechtsanwalt oder Notar verpflichtet wäre, das Datum der Vollmacht bekanntzugeben (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz. 428), sofern dieser Zeitangabe nicht aus besonderen Gründen Bedeutung zukommt. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß dem Rechtsanwalt grundsätzlich vertraut wird, wenn er ein Vollmachtsverhältnis behauptet (vgl. JAB 1337 BlgNR XV. GP 8). Dieses Vertrauen kann sich im allgemeinen auch darauf erstrecken, daß die Bevollmächtigung von einer hiezu befugten Person erteilt wurde. Im Regelfall genügt daher auch bei juristischen Personen der bloße Hinweis darauf, daß die Vollmacht erteilt wurde. Der vom Erstgericht erteilte Verbesserungsauftrag war daher nicht gerechtfertigt.
Der erleichterte Vollmachtsnachweis befreit das Gericht zwar nicht von der Prüfung, ob tatsächlich Prozeßvollmacht erteilt wurde, wenn sich aus der Aktenlage oder aus Gerichtsnotorietät (Amtsbekanntheit) Zweifel gegen eine solche Vollmachtserteilung ergeben (Fasching aaO). Es muß sich hier jedoch um konkrete Zweifel handeln. Bestehen solche nicht, dann hat eine Prüfung, ob tatsächlich Bevollmächtigung erteilt wurde, nicht zu erfolgen. Da sich im vorliegenden Fall aus der Aktenlage keine Bedenken ergeben, daß der Beklagtenvertreter von den Beklagten bevollmächtigt wurde, und das Erstgericht in seinem Verbesserungsauftrag auch nicht darlegte, daß es an der Bevollmächtigung zweifle und welche Gründe hiefür maßgebend seien, muß davon ausgegangen werden, daß kein Anlaß für eine amtswegige Prüfung, ob Prozeßvollmacht erteilt wurde, bestand.