OGH vom 19.12.2013, 2Ob42/13k

OGH vom 19.12.2013, 2Ob42/13k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj N***** R*****, geboren am ***** 2000, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Rechtsvertretung, Bezirke 17, 18, 19, Gatterburggasse 14, 1190 Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 322/12g 62, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 8 Pu 103/09w 55, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird, soweit die Unterhaltspflicht des Vaters im Zeitraum bis herabgesetzt wurde, ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Minderjährige lebt bei der obsorgeberechtigten Mutter. Der Vater war zuletzt zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 235 EUR verpflichtet. Mit Schreiben vom beantragte er die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltspflicht auf 200 EUR „ab März“ 2012.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag ab.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters für den Zeitraum vom bis auf 200 EUR und ab auf 205 EUR verminderte. Das Mehrbegehen des Vaters wurde abgewiesen. Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Aufgrund der mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Zulassungsvorstellung des durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Minderjährigen fasste es am den Beschluss, dass der Revisionsrekurs „im Hinblick auf den Zeitraum vom bis zum “ doch zulässig sei. „Hinsichtlich der übrigen Zeiträume“ wies es die Zulassungsvorstellung und den Revisionsrekurs zurück. Zur Begründung der teilweisen Zulassung des Revisionsrekurses führte das Rekursgericht aus, es habe übersehen, dass der Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht erst ab Anfang März 2012 begehrt habe. Im Übrigen verneinte es das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage.

Dieser Beschluss wurde dem Jugendwohlfahrtsträger am zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde dagegen nicht erhoben.

Der Vater hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat erwogen:

I. Zum Zeitraum ab :

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Unterhaltsanspruch als einheitlicher Anspruch anzusehen, weshalb auch nur ein einheitlicher Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses möglich ist. Ist daher der Revisionsrekurs zulässig, dann ist der Rechtsmittelwerber nicht nur auf erhebliche Rechtsfragen beschränkt, sondern kann alle Rechtsmittelgründe geltend machen (vgl 8 Ob 114/03b; 4 Ob 53/06g; 9 Ob 27/08y; RIS Justiz RS0118275). Ein nach verschiedenen Unterhaltsperioden differenzierender Zulassungsausspruch ist deshalb unzulässig (4 Ob 53/06g).

Der (nachträgliche) Ausspruch des Rekursgerichts, mit dem es den Revisionsrekurs nur teilweise zuließ, erweist sich somit als verfehlt. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses für eine bestimmte Unterhaltsperiode hätte die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen die gesamte Entscheidung zur Folge gehabt (vgl 8 Ob 114/03b; 4 Ob 53/06g).

2. Dessen ungeachtet hat das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung und mit dieser auch den Revisionsrekurs des Minderjährigen teilweise zurückgewiesen. Anders als in dem der Entscheidung 4 Ob 53/06g zugrunde gelegenen Fall ist der Umfang der Zurückweisung hier eindeutig. Da in Wahrheit kein Fall des § 63 Abs 4 letzter Satz AußStrG vorliegt, wäre trotz des dort normierten Rechtsmittelausschlusses die Entscheidung in ihrem zurückweisenden Teil anfechtbar gewesen. Sie blieb jedoch unbekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen, sodass der Revisionsrekurs, soweit er den Zeitraum ab betrifft, nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist (vgl 9 Ob 27/08y [§ 508 Abs 4 ZPO]).

II. Zum Zeitraum vom bis :

1. In Fragen der Unterhaltsbemessung gilt im außerstreitigen Verfahren der in § 8 Abs 1 AußStrG verankerte Dispositionsgrundsatz (so schon zur alten Rechtslage 9 Ob 513/95; vgl ferner RIS Justiz RS0006259, RS0008751 [T4, T 5 und T 7]). Gemäß § 36 Abs 3 AußStrG ist jeder Beschluss im Rahmen des Gegenstands des Verfahrens zu fassen, wobei auf die Interessenlage und die zivilrechtlich wirksamen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien Bedacht zu nehmen ist. In Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können, ist der Beschluss im Rahmen der Anträge zu fassen (§ 36 Abs 4 erster Satz AußStrG). § 36 Abs 3 und Abs 4 erster Satz AußStrG sind die Parallelbestimmungen zu § 405 ZPO. Ein Überschreiten des Verfahrensgegenstands bildet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (7 Ob 173/11h mit Hinweis auf ErläutRV; RIS Justiz RS0007501 [T6]).

2. Im vorliegenden Fall ist dem Rekursgericht ein solcher Verfahrensmangel unterlaufen, indem es über einen weder vom Herabsetzungsbegehren des Vaters noch vom erstinstanzlichen Beschluss umfassten Zeitraum entschied. Die zutreffende Rüge dieses Verfahrensmangels im Revisionsrekurs des Minderjährigen muss daher zur ersatzlosen Aufhebung der Rekursentscheidung im (noch) angefochtenen Umfang führen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00042.13K.1219.000