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OGH vom 12.03.1992, 6Ob633/91

OGH vom 12.03.1992, 6Ob633/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate H*****, vertreten durch Dr. Helfried Krainz und Dr. Bernhard Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Paula H*****, vertreten durch Dr. Waltraude Steger, Rechtsanwältin in Linz, wegen 663.829,80 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 94/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 6 Cg 39/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in Ansehung der Abweisung eines Teilbetrages von 200.000 S samt 4 % Zinsen ab dem Tage der Klagszustellung als Teilurteil bestätigt.

Im übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin - eine in der Schweiz lebende

österr. Staatsbürgerin - wurde im am kundgemachten Testament vom ihres am verstorbenen Vaters auf den Pflichtteil beschränkt, die Beklagte als dessen Witwe (und Stiefmutter der Klägerin) als Universalerbin eingesetzt und der Bruder der Klägerin "aus den gerichtsbekannten Gründen" enterbt. Der Erblasser hatte der Beklagten mit Übergabsvertrag vom zu einem Übergabspreis von 303.000 S die Hälfte einer Liegenschaft in Lembach und das von ihm unter diesem Standort betriebene Unternehmen des Krankentransportes und Kfz-Handels (im folgenden Unternehmen) übergeben.

Das Bezirksgericht Lembach im Mühlkreis (im folgenden Verlassenschaftsgericht) verfügte mit Beschluß vom , daß gemäß § 72 Abs 2 AußStrG eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde, es jedoch den Beteiligten freistehe, die Einleitung einer solchen zu begehren. Die (nunmehrige) Klägerin als Pflichtteilsberechtigte beantragte am die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung, weil die Behauptungen der (nunmehrigen) Beklagten hinsichtlich des vorhandenen Vermögens des Erblassers unrichtig seien. Der Erblasser habe mehr an Vermögen hinterlassen als angegeben, so eine Münzsammlung, wertvolle Teppiche, Sparguthaben etc. Als Pflichtteilsberechtigte verlange die Klägerin die vom Erblasser an die Beklagte oder Dritte gemachten Schenkungen dem reinen Nachlaß hinzuzuzählen und auf dieser Basis ihren Pflichtteil zu ermitteln, wobei auch auf die Liegenschaftshälfte und das Unternehmen Bezug genommen wurde. Mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom wurde ua ausgesprochen, daß der von der Klägerin und ihrem Bruder beantragten Einbeziehung der am vom Erblasser der Beklagten übergebenen Liegenschaft(shälfte) und des Unternehmens im Hinblick auf § 785 Abs 3 ABGB nicht näher getreten werden könne; den Pflichtteilsberechtigten stehe es jedoch frei, ihr behauptetes Recht im Zivilrechtswege geltend zu machen. Über Rekurs der Klägerin hob das Landesgericht Linz als Rekursgericht diesen Beschluß auf und trug dem Verlassenschaftsgericht, von der Rechtsansicht ausgehend, das Recht auf Pflichtteilsergänzung könne auch im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden, die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung zur Prüfung, ob es sich um unentgeltliche Rechtsgeschäfte gehandelt habe, auf. Das Verlassenschaftsgericht holte demgemäß Schätzungsgutachten über den Wert der nach Ansicht der Klägerin in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehenden Vermögenswerte ein.

Nach dem Inhalt des im Verlassenschaftsverfahren vom beauftragten

Notar am aufgenommenen Protokolls wurde zunächst

die Aktenlage erörtert und den Erschienenen die Schätzungsgutachten

mehrerer Sachverständiger - einschließlich des mit der Schätzung

der Liegenschaft beauftragten - zur Kenntnis gebracht. "In der

Folge diskutierten die Rechtsanwälte über diverse Probleme in der

gegenständlichen Angelegenheit. In diesem Zusammenhang erklärt Frau

Dr. Waltraute S***** namens ihrer Mandantin, der

erbl. Witwe ... ausdrücklich den Pflichtteilsanspruch der beiden

erbl. Kinder ... anzuerkennen." Nach Belehrung über die Bedeutung

der bedingten und unbedingten Erbserklärung gab die Beklagte aus dem Rechtstitel des erbl. Privattestamentes vom zum gesamten Nachlaß und der Rechtsvertreter der Klägerin namens dieser aus dem Rechtstitel des Gesetzes zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab.

Unter Berücksichtigung der Kosten des Verlassenschaftsverfahrens wurde der Klägerin bei dem mit 188.865,20 S errechneten reinen Nachlaß ein Pflichtteilsbetrag von 7.506 S ausbezahlt. Im Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom wurde ua der Nachlaß der Beklagten eingeantwortet sowie die Anträge der Klägerin und ihres Bruders auf Einbeziehung der am vom Erblasser an die Beklagte übergebenen Liegenschaft(shälfte) und des seinerzeit vom Erblasser betriebenen Unternehmens abgewiesen und die Antragsteller zur Geltendmachung ihrer Pflichtteilsergänzungsansprüche auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 663.829,80 S sA bei sonstiger Exekution in die im Eigentum der Beklagten stehende Hälfte der Liegenschaft EZ ... sowie des ebenfalls im Eigentum der Beklagten stehenden Unternehmens ..., und zwar a) 471.335,80 S sA aus dem Rechtsgrund der Pflichtteilserhöhung durch Anrechnung des geschenkten Teils der im Übergabsvertrag vom betreffend die Liegenschaftshälfte und das Unternehmen gelegenen gemischten Schenkung und b) 200.000 S sA, gestützt auf § 786 ABGB, als verhältnismäßiger Anteil an den Erträgnissen des Nachlaßvermögens für die Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der zu erwartenden Zuteilung des Pflichtteils. Abzuziehen sei die von der Beklagten geleistete Zahlung von 7.506 S.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete ua Verjährung ein, weil bei Klagseinbringung die mit Testamentskundmachung in Gang gesetzte dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei.

Die Klägerin replizierte, die Beklagte habe im Verlassenschaftsverfahren in der Tagsatzung vom den Pflichtteilsanspruch der Klägerin ausdrücklich dem Grunde nach anerkannt; damit sei die Verjährungsfrist unterbrochen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich ging es im wesentlichen von der Verjährung des Klagsanspruches aus.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. In rechtlicher Hinsicht ging es im wesentlichen davon aus, daß die Geltendmachung des Pflichtteiles aus der letztwilligen Verfügung des Erblassers abgeleitet werde, während sich die Geltendmachung der Pflichtteilsergänzung gegen den testamentarisch zum Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers richte. Ein Anerkenntnis des Pflichtteilsanspruches durch den Erben betreffe bei einer derartigen Sachlage im Zweifel nur den Anspruch des Noterben aus dem Testament. Die Frage der Pflichtteilsergänzung stelle sich in einem derartigen Fall nicht nur als Frage der Berechnung des Pflichtteiles dar, wie dies etwa der Fall wäre, wenn der Erblasser bereits im Testament die Pflichtteilsergänzung angeordnet hätte. Wenn der Klägerin infolge Verjährung ihres Begehrens auf Pflichtteilsergänzung keine Ansprüche auf die der Beklagten übergebenen Vermögensobjekte zustehen, habe sie auch keinen Anspruch auf aus diesen Objekten gezogene Früchte.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der Klägerin ist teilweise berechtigt.

a) Zum Anspruch der Klägerin nach §§ 785, 951 ABGB: Das Recht des pflichtteilsberechtigten Kindes, gemäß § 785 Abs 1 ABGB auf sein Verlangen bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen (Schenkungspflichtteil oder Pflichtteilserhöhung), muß ebenso mit Leistungsklage im streitigen Verfahren durchgesetzt werden (RZ 1986/67; SZ 54/122, SZ 51/179 ua; Weiß in Klang2 III 866, 898; Welser in Rummel2, Rz 22 zu § 785 ABGB; Eccher in Schwimann, Rz 2 zu § 785 ABGB) wie der mangels ausreichender Deckung des Nachlasses erhobene Anspruch nach § 951 ABGB gegen den Beschenkten (SZ 23/232; Schubert in Rummel2, Rz 3 zu § 951 ABGB), der sich auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache richtet (JBl 1989, 377; SZ 48/114, SZ 44/137; Schubert aaO, Rz 3 zu § 951 ABGB; Koziol-Welser, Grundriß9 II 384). Bei einer gemischten Schenkung (auch in Gestalt eines Übergabsvertrages) ist nur der geschenkte Teil auf den Pflichtteil anrechenbar und nur in diesem Umfang kommt ein Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils in Betracht (JBl 1989, 377; SZ 48/144; Schubert aaO, Rz 4 zu § 951 ABGB; Eccher aaO, Rz 4 zu § 785 ABGB).

Nach herrschender Auffassung beginnt die dreijährige (§ 1487 ABGB) Frist für die Geltendmachung des Anspruches des im Testament auf den Pflichtteil gesetzten Noterben auf Ergänzung des Pflichtteiles durch Hinzurechnung von Schenkungen nach § 785 ABGB gegen den Beschenkten nach § 951 ABGB mit dem Tod des Schenkers (SZ 58/50, SZ 40/117, SZ 35/7; Eccher aaO, Rz 8 zu § 764 ABGB; Schubert aaO, Rz 6 zu § 951 ABGB und Rz 4 zu § 1487 ABGB, beide mwN). Eine Stellungnahme zur Auffassung von Raber (Die Verjährung des Anspruchs auf den Schenkungspflichtteil; entwicktelt aus ihren Grundlagen in JBl 1988, 137 ff, 217 ff), die Frist beginne in dem Zeitpunkt, in dem dem Noterben alle Umstände, die Voraussetzung für ein Anrechnungsverlangen seien, bekannt gewesen seien oder hätten sein können, kann hier unterbleiben, weil selbst unter Zugrundelegung dieser Ansicht die Frist dennoch mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung zu laufen begonnen hätte. Denn der Klägerin waren unmittelbar nach Testamentseröffnung alle Voraussetzungen für ihr Anrechnungsverlangen bekannt, wie die Geltendmachung ihres Anspruchs im Verlassenschaftsverfahren zeigt. Die Entscheidung JBl 1991, 656 mit Anm von Binder = EvBl 1991/147 behandelt den hier nicht relevanten Beginn der Verjährungsfrist für die Anfechung eines Testaments.

Da die Geltendmachung des Pflichtteils(erhöhungs)anspruches im

Verlassenschaftsverfahren die Verjährung nicht unterbricht

(JBl 1991, 190 mwN ua) und die Klage erst am bei

Gericht überreicht wurde, ist der Anspruch der Klägerin mangels

Behauptung anderer Unterbrechungsgründe nur dann nicht verjährt,

wenn das Anerkenntnis (§ 1497 ABGB) des klägerischen

Pflichtteilsanspruches (dem Grunde nach) durch die

Beklagtenvertreterin im Verlassenschaftsverfahren auch den

klägerischen Anspruch auf Pflichtteilserhöhung betraf. Da sich

beide Parteien über Aufforderung des Erstrichters (§ 182 ZPO) dazu

nur auf den Verlassenschaftsakt berufen haben (ON 6 AS 25), ist die Frage nach dem Inhalt und Umfang des Anerkenntnisses eine solche der rechtlichen Beurteilung. Sie betrifft die Auslegung einer Erklärung der Erbenvertreterin auf ihren Erklärungswert. Das Anerkenntnis (dem Grunde nach) durch die Beklagte bezieht sich nach Auffassung des erkennenden Senats nach seinem Wortlaut und seinem wesentlichen objektiven Erklärungswert (Schubert aaO, Rz 2 zu § 1497 ABGB) auch auf den Schenkungspflichtteil, weil das Verlassenschaftsverfahren in dem es abgegeben wurde, nach dem Aufhebungsbeschluß des Landesgerichtes Linz eben zur Ermittlung des klägerischen Schenkungspflichtteils geführt wurde und nach dem Akteninhalt der Anspruch der Klägerin auf den normalen Pflichtteil zwischen den Streitteilen gar nicht strittig war.

In Ansehung dieser Teilforderung beruht demnach die Abweisung des Klagebegehrens auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die Vorinstanzen. Da zu den übrigen Einwendungen der Beklagten keine Feststellungen getroffen wurden, ist der Revision in diesem Umfang Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.

b) Zum Anspruch der Klägerin nach § 786 zweiter Satz ABGB: Nach dieser Bestimmung ist bis zur wirklichen Zuteilung die Verlassenschaft in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile als ein zwischen dem Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten. Abzustellen ist dabei auf den Wert zur Zeit des Erbfalls (EvBl 1986/155; SZ 57/90, SZ 57/7; Welser aaO, Rz 2 zu § 786 ABGB; Eccher aaO, Rz 5 zu § 786 ABGB). Voraussetzung für die Anwendung des § 786 ABGB ist, daß das Vermögen, um dessen Weiterentwicklung es geht, im Nachlaß vorhanden ist (Welser aaO, Rz 2 zu § 786 ABGB). Für die Berechnung des Schenkungspflichtteils nach § 785 ABGB gilt die Gemeinschaftsfiktion des § 786 ABGB nicht (Eccher aaO, Rz 5 zu § 786 ABGB); bei Schenkungen sind Wertentwicklungen nach dem Erbanfall unerheblich und zwar auch dann, wenn der Beschenkte zugleich Erbe ist (Welser aaO, Rz 2 zu § 786 ABGB mit Hinweis auf SZ 57/7). Die Klägerin ist daher nicht berechtigt, Erträgnisse für die Zeit zwischen dem Tod des Erblassers (Erbfall) und der zu erwartenden Zuteilung des Pflichtteils zu fordern. In Ansehung dieser Teilforderung der Klägerin sind somit die klagsabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen. Es kommt daher nicht mehr darauf an, daß entgegen der Auffassung der zweiten Instanz die Verjährung eines derartigen Anspruchs (erst) mit der "wirklichen Zuteilung" nach § 786 zweiter Satz ABGB beginnt (SZ 49/118; Schubert aaO, Rz 6 zu § 1487 ABGB; Eccher aaO, Rz 8 zu § 764 ABGB).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 iVm § 392 Abs 2 ZPO.