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OGH vom 23.06.1995, 1Ob519/95

OGH vom 23.06.1995, 1Ob519/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Johannes Andreas G*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Tochter Margarethe D*****, vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Alexander Klaus, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 462/94-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom , GZ 24 A 303/93-38, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Verstorbene hinterließ fünf volljährige Kinder. Er war Eigentümer verschiedener Liegenschaften. Mit „Testament“ vom vermachte er diesen Besitz einer Tochter, die im Verlassenschaftsverfahren aufgrund dieser letztwilligen Verfügung zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung abgab. Die übrigen vier Kinder des Erblassers bestritten die Gültigkeit dieses Erbrechtstitels und gaben aufgrund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen zu je einem Fünftel des Nachlasses ab. Das Erstgericht nahm alle Erbserklärungen zu Gericht an und wies den aufgrund des Gesetzes erbserklärten Erben die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu. Diese Erben brachten fristgerecht die Klage ein und beantragten, mit dem Verlassenschaftsverfahren gemäß § 127 AußStrG bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Erbrechtsstreit innezuhalten und die gerichtliche Sequestration des Nachlasses zu bewilligen. Sie schlugen verschiedene als Sequester in Frage kommende Personen vor. Die aufgrund des Testamentes erbserklärte Erbin sprach sich nicht gegen die Sequestration des Nachlasses aus, wohl aber gegen die vorgeschlagenen Sequester. Sie machte ihrerseits ihren Ehegatten, der zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem das Realvermögen bewirtschaftet habe und als Landwirt über die erforderliche Eignung verfüge, für dieses Amt namhaft. Die Bestellung sei für die Verlassenschaft von Vorteil, weil der Ehegatte bereit sei, die Tätigkeit unentgeltlich auszuüben. Gegen diesen Vorschlag sprachen sich die übrigen Erben aus.

Das Erstgericht bestellte den Ehegatten der aufgrund Testamentes erbserklärten Erbin „als Sequester zur Besorgung und Verwaltung des Nachlaßvermögens“. Dieser habe seit dem Tod des Erblassers die Liegenschaften verwaltet. Soweit überprüfbar, habe er diese Tätigkeit ordnungsgemäß durchgeführt. Es sei zweckmäßig und sinnvoll, einen Sequester zu bestellen, der mit den Gegebenheiten der Nachlaßliegenschaft bestens vertraut und zudem bereit sei, sein Amt ohne finanzielle Belastungen für die Verlassenschaft auszuüben. Im Hinblick darauf, daß der Sequester Rechnung zu legen und bei wichtigen Entscheidungen die Genehmigung des Gerichtes einzuholen habe, sei eine Gefahr für die Verlassenschaft durch die Bestellung des Angehörigen einer Partei des Erbrechtsstreites nicht gegeben. Es gehe auch nicht an, ein weitwendiges Verfahren durchzuführen, weil es zur Vermeidung von Nachteilen erforderlich sei, ehestmöglich jemanden zu bestellen, der zur Verwaltung der Nachlaßliegenschaften legitimiert sei.

Das Gericht zweiter Instanz hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der Sequestration nach § 127 Abs. 1 Satz 2 AußStrG liege ein Kollisionsfall zugrunde. Ebenso wie nach ständiger Rechtsprechung bei widersprechenden Erbserklärungen die Verwaltung und Besorgung des Nachlasses nicht einem der widerstreitenden Erben überlassen werden könne, komme auch für das Amt des Sequesters keine der in den Erbrechtsstreit verwickelten Parteien in Frage. Die Bestellung des Ehegatten der Testamentserbin käme aber faktisch deren Bestellung gleich und hätte die gleichen Wirkungen wie die unzulässige Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft an die Testamentserbin. Die Verwaltung der Nachlaßliegenschaften verbliebe also in der Sphäre eines der widerstreitenden Teile, was mit dem Wesen der Sequestration nicht in Einklang gebracht werden könne. Das Erstgericht werde sich daher im fortgesetzten Verfahren für einen (außenstehenden) Dritten als Sequester zu entscheiden haben.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der aufgrund Testamentes erbserklärten Erbin kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 127 Abs. 1 AußStrG ist mit der Verlassenschaftsabhandlung für die Dauer des Erbrechtsstreites innezuhalten. Es steht in diesem Falle jedem Teil frei, einstweilen um die gerichtliche Sequestration des Nachlasses anzusuchen. Mangels eigener Bestimmungen im Außerstreitgesetz ist - wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - für die Definition des Begriffes Sequestration die Bestimmung des § 968 ABGB heranzuziehen. Danach heißt derjenige Verwahrer oder Sequester, dem eine in Anspruch genommene Sache von den streitenden Parteien oder vom Gericht in Verwahrung gegeben wird. Aufgabe des Sequesters ist es, die Sache bis zur Entscheidung des Gerichtes zu verwahren; sie soll für diesen Zeitraum dem Zugriff der Streitteile entzogen werden (Schubert in Rummel2 Rdz 1 zu § 968). Es verbietet sich daher - ausgenommen den hier nicht vorliegenden Fall der Zustimmung aller Beteiligten - die Bestellung eines der Erbanwärter zum Sequester ebenso wie von Personen, die zu einem der Streitteile in so enger Beziehung stehen, daß die unbefangene Ausübung des Amtes nicht gewährleistet ist. Da die Sequestration während des Zeitraumes der Innehaltung des Verlassenschaftsverfahrens gerade der Sicherung des Nachlasses dienen soll, reicht der vom Erstgericht gebrauchte Hinweis auf die Rechnungslegungs- und Genehmigungspflicht allein nicht aus, weil dadurch faktische Handlungen zum Nachteil der Erben nicht oder nur schwer unterbunden werden können. Es ist daher dem Gericht zweiter Instanz zuzustimmen, daß die Bestellung des Ehegatten der aufgrund des Testamentes erbserklärten Erbin trotz der vom Erstgericht aufgezählten Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist.

Gemäß § 968 ABGB sind die Rechte und Verbindlichkeiten des Sequesters nach den Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag zu beurteilen (SZ 52/63; SZ 54/101). Danach obliegt dem Verwahrer lediglich die Obsorge über die übergebene fremde Sache (§ 957 ABGB). Eine Verwaltervollmacht ist davon im allgemeinen nicht umfaßt (Schubert in Rummel2 Rdz 2 zu § 961). Nach dem Inhalt seines Beschlusses ist das Erstgericht aber im gegenständlichen Fall gerade davon ausgegangen, daß Verwaltungshandlungen hinsichtlich des gesamten Nachlaßvermögens erforderlich seien. Daß beim Betrieb eines lebenden landwirtschaftlichen Unternehmens Tätigkeiten entfaltet werden müssen, die über die bloße Obsorgepflicht des Verwahrers weit hinausgehen, kann auch nicht zweifelhaft sein. In einem derartigen Fall bedürfte es daher nicht bloß eines Sequesters, sondern eines Verlassenschaftskurators gemäß § 78 AußStrG. Über das enge Verständnis des Wortlautes dieser Gesetzesstelle hinaus ist nämlich ein Verlassenschaftskurator nicht nur dann zu bestellen, wenn die Erben „gänzlich unbekannt sind“ oder wenn sie keine Erbserklärung abgeben, sondern auch dann, wenn widersprechende Erbserklärungen abgegeben wurden (Knell, Kuratoren 99 f; SZ 19/16; SZ 24/161; SZ 49/149; 4 Ob 501/92), weil in diesem Fall keinem der erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses (§ 145 AußStrG) übertragen werden kann. Zur Vertretung des Nachlasses, sei es auch für laufende Verwaltungsgeschäfte, muß dann ein Verlassenschaftskurator bestellt werden, weil noch nicht feststeht, wer letzten Endes berechtigt ist, den Nachlaß zu vertreten. Die Bestellung hängt nicht von einem Antrag der Beteiligten ab. Ergibt sich die Notwendigkeit einer Kuratorbestellung, dann ist das Verlassenschaftsgericht in Entsprechung seiner Obsorgepflicht für die Verlassenschaft gemäß § 2 Abs. 1 AußStrG jederzeit berufen, das zur Ordnung der Sache Erforderliche von Amts wegen vorzukehren; insbesondere ist es verpflichtet, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses das Zweckentsprechende zu verfügen (Knell aaO 101; RZ 1978/8). Der Geschäftskreis des nach § 78 AußStrG bestellten Verlassenschaftskurators umfaßt die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses. Der Verlassenschaftskurator ist nicht Vertreter von Beteiligten im Abhandlungsverfahren, sondern der vom Gericht bestellte Vermögensverwalter und Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er vertritt nicht die Erben (SZ 61/239) und hat insbesondere auch nicht die Interessen einzelner oder aller erbserklärter Erben zu wahren, wenn er auch - im Ergebnis - durch die Vertretung des Nachlasses materiell für diejenigen handelt, die sich später als die wahren Erben herausstellen (4 Ob 501/92). Wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt, so ist die Sequestration nicht mehr erforderlich und zulässig (SZ 25/223; Knell aaO 101).

Die zur Unparteilichkeit des Sequesters angestellten Überlegungen betreffen umso mehr die Person des Kurators, dessen Rechte und Pflichten wesentlich weitergehend sind.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren vorerst zu klären haben, ob lediglich die Bestellung eines Sequesters oder - sei es auch von Amts wegen und sogar gegen den Willen der Widerstreiterben (Knell aaO 101) - eines Verlassenschaftskurators erforderlich ist. Danach wird es nach Erörterung mit den Parteien eine geeignete Person auszuwählen haben.