OGH vom 18.03.1987, 3Ob39/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R*** W***
reg. Genossenschaft m.b.H., Walchsee, vertreten durch Dr. Harald Meder u.a., Rechtsanwälte in Kufstein, wider die verpflichteten Parteien 1) Johann G*** und 2) Johanna G***, Gastwirte, Walchsee, Durchholzen 12, Gasthof "Alpenhof", wegen S 376.494,94 s.A., infolge der außerordentlichen Revisionsrekurse 1) der Pfandgläubigerin S*** K***, vertreten durch
Dr. Johannes Waldbauer u.a., Rechtsanwälte in Kufstein, und 2) der G*** W***, vertreten durch Dr. Santner u.a., Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , GZ 2 a R 551/86-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom , GZ E 55/85-36, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Pfandgläubigerin S*** K*** wird Folge gegeben und der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die G*** W*** ist schuldig, der S*** K*** die
mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 308,85 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Dem Revisionsrekurs der G*** W*** wird nicht Folge
gegeben.
Die G*** W*** hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Am wurde eine Liegenschaft der verpflichteten Parteien um das Meistbot von 4,910.000,-- S versteigert. Zum Versteigerungstermin hatte die G*** W*** folgende Abgaben als Vorzugspost angemeldet:
1. Getränkesteuer 1985 S 57.158,80
2. Lohnsummensteuer 1985 S 3.776,--
3. Stundungszinsen zu 1 und 2 S 8.009,--
4. Kanalanschlußgebühr 1. und
2. Rate fällig 1984 bzw. 1985 S 87.410,40
5. Säumniszuschlag
a) zu 1 und 2 S 2.276,70
b) zu 4. S 1.748,21
6. Mahngebühren
a) zu 1. S 180,--
b) zu 3. und 4. S 90,--
zusammen S 160.649,11
Erst zur Verteilungstagsatzung meldete die G*** W***
weitere Abgaben als Vorzugspost an, nämlich:
7. a) Getränkesteuer 1986 S 38.000,--
b) Verspätungszuschlag
dazu S 3.800,--
c) Säumniszuschlag dazu S 760,--
8. Grundsteuer 1986 S 2.892,--
9. Müllgebühr 1986 S 968,--
10. Kanalgebühr 1986 S 3.837,17
11. Müllgebühr 1985 Nachtrag S 4.114,--
12. Kanalanschlußgebühr
3. Rate fällig 1986 S 43.705,20
13. weitere Grundsteuer 1986 S 1.446,--
zusammen S 99.522,37
Das Erstgericht wies als Vorzugsposten gemäß § 216 Abs 1 Z 2 EO die Positionen 8 bis 11 und 13 im Betrag von zusammen S 13.257,18 (Rechenfehler ein Groschen) zu, welche Zuweisung in Rechtskraft erwuchs. Der Antrag auf Zuweisung weiterer Beträge als Vorzugspost wurde abgewiesen.
Das Gericht zweiter Instanz wies der G*** W***
zusätzlich die Positionen 1, 2, 3, 5a und 6a im Gesamtbetrag von weiteren S 71.400,50 zu, bestätigte aber den Meistbotsverteilungsbeschluß des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Mehrbetrages von S 175.513,81. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, daß der Getränkesteuer und der Lohnsummensteuer samt Nebengebühren ein Vorzugsrecht zukomme, nicht aber der Kanalanschlußgebühr. Die erst zur Verteilungstagsatzung erfolgte zweite Anmeldung sei gemäß § 172 Abs 2 EO verspätet. Dem Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Gericht zweiter Instanz mit dem Vorliegen einer herrschenden Literatur und Rechtsprechung. Die Hypothekargläubigerin S*** K*** und die G***
W*** erhoben je einen außerordentlichen Revisionsrekurs, erstere gegen den abändernden Teil, letztere gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung zweiter Instanz.
Beide Revisionsrekurse sind als außerordentliche Rechtsmittel (§ 239 Abs 3 EO ist bloß eine Ausnahme von § 528 Abs 1 Z 1 ZPO; die weiteren Rekursbeschränkungen besonders § 528 Abs 2 ZPO sind auch hier anzuwenden; so auch Petrasch an der im Revisionsrekurs der G*** W*** für das Gegenteil zitierten Stelle ÖJZ 1983, 204) zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen obliegt, der wegen des Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum Revisionsrekurs der S*** K***:
Dieser Revisionsrekurs ist berechtigt.
Gewerbesteuer und Lohnsummensteuer gehören zwar gemäß
§ 120 Abs 2 Z 1 EO u.U. zu den gemäß § 120 Abs 1 EO ohne weiteres
Verfahren unmittelbatr aus den Erträgnissen einer verwalteten
Liegenschaft zu berichtigenden Auslagen (nur darauf bezieht sich
auch das Zitat bei Heller-Berger-Stix 1032), und das mag auch noch
für die Getränkesteuer zutreffen. Es kommt ihnen aber kein
gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht gemäß § 216 Abs 1 Z 2 EO zu.
Zwar deckt sich die Formulierung nach § 120 Abs 2 Z 1 EO ("die ...
von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern ..., die ...
öffentlichen Abgaben ... ") weitgehend mit der ersten Voraussetzung
nach § 216 Abs 1 Z 2 EO; damit ein Vorzugsrecht nach
§ 216 Abs 1 Z 2 EO vorliegt, muß aber hier die weitere
Voraussetzung erfüllt sein, daß diese öffentlichen Abgaben nach den
bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht
genießen (Heller-Berger-Stix 1468, 1470). Weder das für die
Lohnsummensteuer maßgebende Gewerbesteuergesetz noch das Tiroler
Getränke- und Speiseeissteuergesetz vom ,
LGBl. Nr. 102 enthalten aber eine etwa der Bestimmung des
§ 11 GrundsteuerG vergleichbare Regelung.
Da die G*** W*** den unrichtigen Zuspruch der zweiten
Instanz durch ihren unberechtigten Rekurs ausgelöst hat und somit
ein von ihr veranlaßter Zwischenstreit vorliegt, hat sie der
S*** K*** gemäß § 78 EO i.V.m. §§ 41 und 50 ZPO die Kosten
des Revisionsrekurses zu ersetzen.
2. Zum Revisionsrekurs der G*** W***:
Hinsichtlich der nicht zugesprochenen Kanalanschlußgebühr samt
Nebengebühren sowie der Getränkesteuer für 1986 ist die Entscheidung
der zweiten Instanz zutreffend. Daß die Getränkesteuer kein Vorrecht
im Sinne des § 216 Abs 1 Z 2 EO genießt, wurde schon ausgeführt.
Auch in den gesetzlichen Bestimmungen, auf denen die angemeldete
Kanalanschlußgebühr beruht, ist kein solches gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht begründet. Schon zu 3 Ob 17/83 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß die Rechtsgrundlage für die von Tiroler Gemeinden erlassenen Kanalgebührenordnungen einerseits im § 30 GemeindeabgabenG (idF LGBl. 1935 Nr. 43) und andererseits in der Bestimmung des § 15 Abs 3 FAG (vgl. dazu auch Schachner-Blazizek, Finanzausgleich in Österreich 110) besteht. In keiner dieser Normen findet sich die Schaffung eines Pfand- oder Vorzugsrechtes im Sinne des § 216 Abs 1 Z 2 EO. An dieser Rechtslage hat sich auch durch das am in Kraft getretene Tiroler KanalisationsG (Landesgesetz vom , LGBl. Nr. 40) nicht geändert. Dieses Gesetz regelt nur die Festlegung eines Anschluß- und Benützungszwanges neu, nicht aber die Erhebung von Kanalanschlußgebühren oder Kanalbenützungsgebühren (weshalb lediglich § 30 Abs 3 Tiroler GemeindeabgabenG aufgehoben wurde).
Der Revisionsrekurs der G*** W*** ist daher nicht
berechtigt.
Gemäß § 78 EO i.V.m. den §§ 40 und 50 ZPO hat die G*** W*** die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.