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OGH vom 10.05.2011, 4Ob49/11a

OGH vom 10.05.2011, 4Ob49/11a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Rechtsanwaltskammer, Graz, Salzamtsgasse 3/4, vertreten durch Piaty Müller Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 10/11x 11, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Unstrittig ist, dass die beklagte Rechtsanwaltskammer in einem zwischen einem Versicherungsnehmer als Kläger und der hier klagenden Rechtsschutzversicherung als Beklagter geführten Deckungsprozess gegenüber dem Masseverwalter des kurz nach Prozessbeginn in Konkurs gegangenen Klägers eine Prozesskostendeckung übernommen hat, ohne ein Entgelt dafür zu verlangen. Grund dafür war, dass die Beklagte an einer Klärung der im Deckungsprozess zu beantwortenden Rechtsfrage interessiert war, ob die Vereinbarung eines Selbstbehalts des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung von 20 % der Prozesskosten, der dann entfällt, wenn der Versicherungsnehmer bereit ist, einen von der Versicherung vorgeschlagenen Rechtsanwalt zu wählen, rechtens ist.

Das Rekursgericht hat die Abweisung des auf einen Lauterkeitsverstoß gestützten Sicherungsbegehrens, der Beklagten aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zu unterlassen, Tätigkeiten als Rechtsschutzversicherung, insbesondere die Führung und Finanzierung von Musterprozessen vorzunehmen, bestätigt. Mit der entgeltfreien, in Wahrnehmung von Mitgliederinteressen erfolgten Prozesskostenübernahme im Einzelfall sei die Beklagte nicht als Rechtsschutzversicherung tätig geworden; die Führung und Finanzierung von Musterprozessen sei nicht lauterkeitswidrig.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung weicht von der Rechtsprechung nicht ab, wonach jeder Unterlassungsanspruch eine bereits begangene oder unmittelbar drohende Rechtsverletzung voraussetzt (vgl RIS Justiz RS0037661, RS0009357). Ein rechtswidriges, insbesondere gegen Lauterkeitsrecht verstoßendes Verhalten kann der Beklagten nach dem bescheinigten Sachverhalt nicht vorgeworfen werden.

Das Klagsvorbringen erfasst im Anlassfall zwei unterschiedliche Verhaltensweisen: Das Tätigwerden als Rechtsschutzversicherung und die Führung und Finanzierung von Musterprozessen.

Der Versicherungsvertrag ist ein zweiseitig verpflichtender, entgeltlicher und synallagmatischer Vertrag, bei dem sich der Versicherer gegen Zahlung der vereinbarten Prämie verpflichtet, die versicherte Gefahr zu übernehmen und bei Eintritt des Versicherungsfalls die vereinbarte Entschädigungsleistung zu erbringen (vgl Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ 43f; vgl auch § 1 VersVG). Dass die Beklagte in diesem Sinn als Versicherer auf dem Gebiet der Rechtsschutzversicherung tätig geworden wäre, ist nicht bescheinigt; dass sie entgeltlich gehandelt hätte, wurde nicht einmal behauptet. Damit fehlt es auch an einem Verhalten der Beklagten, das geeignet wäre, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin nicht nur unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG).

Das Führen und Finanzieren von Musterprozessen kann der Beklagten hingegen schon deshalb nicht untersagt werden, weil ihr dieses Verhalten erlaubt ist: Auch Rechtsanwaltskammern besitzen in Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder ein Klagerecht nach § 14 UWG (RIS Justiz RS0079422). Dass die Beklagte im Anlassfall die Klärung einer Interessen ihrer Mitglieder berührenden Rechtsfrage nicht als Klägerin, sondern dadurch erreichen wollte, dass sie der Partei eines anhängigen Verfahrens die Prozesskostendeckung zusagt, begründet keine Rechtswidrigkeit.