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OGH vom 16.02.2005, 3Ob257/04x

OGH vom 16.02.2005, 3Ob257/04x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hannelore F*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier und Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Gerhard F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.624,78 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 156/04f-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Ybbs vom , GZ 2 C 1486/03y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei, ihr Kosten für ihre Revisionsbeantwortung zuzusprechen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Geschwister. Ihr am verstorbener Vater setzte die beiden in seinem Testament vom zu gleichen Teilen als Erben ein, die übrigen vier Geschwister verwies er auf den Pflichtteil. Der Erblasser setzte beiden im Testament auch Vermächtnisse in Anrechnung auf den Erbteil aus; der Beklagte erhielt eine Liegenschaft, die Klägerin einen PKW.

Aus einer zu Gunsten der Klägerin vinkulierten Lebensversicherung erhielt diese das Realisat von 42.968,39 EUR.

Vom Reinnachlass von 175.381,71 EUR standen den Streitteilen nach Berichtigung der Verfahrenskosten Vermögenswerte von 174.064,43 EUR zu. Der Nachlass wurde beiden je zur Hälfte eingeantwortet. Aus dem Reinnachlass erhielt die Klägerin 43.407,44 EUR, der Beklagte 130.656,99 EUR.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von 43.624,78 EUR sA als Differenz auf die ihr zustehende Hälfte des Nachlasses.

Der Beklagte wendete ein, der Erblasser habe einen Lebensversicherungsvertrag unterhalten und die Prämien dazu aus eigenem Vermögen geleistet. Die Versicherungsurkunde sei am Todestag zu Gunsten der Klägerin vinkuliert gewesen. Das Realisat von 42.968,39 EUR sei auch nach dem Todestag an sie geflossen. Es liege daher eine Schenkung auf den Todesfall oder ein Vermächtnis vor. Zwar erwerbe die begünstigte Erbin dieses Vermögen nicht aus dem Nachlass, weshalb es auch nicht in diesem zu aktivieren sei. Es habe aber zur Wahrung der letztwilligen Verfügungsfreiheit des Erblassers sehr wohl eine Anrechnung der Zuwendung bei der Berechnung der erhaltenen Vermögenswerte stattzufinden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Ausgehend von dem wiedergegebenen, im Verfahren unbestrittenen Sachverhalt vertrat es in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass der Gesetzgeber für die in § 789 ABGB als Vorschuss auf den Pflichtteil beschriebenen Zuwendungen eine Anrechnung auf den Erbteil nicht habe regeln wollen. Es finde somit eine Anrechnung des von der Klägerin erhaltenen Realisat aus der Lebensversicherung des Erblassers auf ihren Erbteil nicht statt. Es müsse ihr demnach der Beklagte die Differenz zwischen dem von ihr aus dem Nachlass erlangten Vermögenswert und der Hälfte des Reinnachlasses zahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Die zweite Instanz bezeichnete einerseits die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts als zutreffend (§ 500a zweiter Satz ZPO), andererseits berief es sich auf § 790 erster Satz ABGB, wonach die Anrechnung bei der Erbfolge der Kinder aus einem letzten Willen nur im Fall der ausdrücklichen Anordnung des Erblassers geschehe. Dies sei hier nicht der Fall. Da der Erblasser explizit Legate in Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil vorgesehen habe, bleibe für eine darüber hinausgehende Anrechnung kein Raum. Ein Vorgehen nach §§ 785, 951 ABGB stehe zwar auch dem letztwillig oder kraft Gesetzes berufenen pflichtteilsberechtigten Erben zu, jedoch bestehe kein Anspruch, wenn - wie hier - die Zuwendungen des Erblassers den Pflichtteil samt der gemäß § 785 ABGB errechneten Erhöhung deckten.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anrechnung eines Lebensversicherungsrealisat auf den testamentarisch hinterlassenen Erbteil fehle.

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Revision führt der Beklagte aus, der Umstand, dass die Anrechnungsregeln der §§ 787 bis 796 ABGB die Ausmessung des besonders geschützten Pflichtteils festlegten, dürfe nicht zu dem Schluss verleiten, sie gälten ausschließlich für diesen. Vielmehr dürfe nach Lehre und Rsp auch ein gesetzlicher Erbe oder ein Testamentserbe die Anrechnung in Anspruch nehmen. Das Berufungsgericht berücksichtige aber ebenso wenig wie die erste Instanz das Recht des Beklagten als Testamentserben, zum Ausgleich der Erbteile die Anrechnung des Vorausempfangs der Klägerin (Realisat der Lebensversicherung) zu verlangen.

Wenn es auch zutreffen mag, dass sich der Oberste Gerichtshof bisher mit der Frage der Anrechnung des Realisats aus einem Lebensversicherungsvertrag auf ein testamentarisch hinterlassenes Erbteil ausdrücklich noch nicht zu befassen hatte, bedarf es einer Entscheidung in der Sache im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil § 790 erster Satz ABGB nicht den geringsten Zweifel offen lässt, dass bei testamentarischer Erbfolge eine Anrechnung von Vorempfängen - sollte die Auszahlung eines Guthabens aus einem Lebensversicherungsvertrag nach dem Ableben des Versicherungsnehmers oder bereits die Zuwendung des Werts der Lebensversicherung zu Lebzeiten ein derartiger Vorempfang sein - nur bei ausdrücklicher Anordnung des Erblassers stattzufinden hat. Ausdrücklich ordnete der Erblasser im vorliegenden Fall die Anrechnung an, was die Legate an die Streitteile betraf. Behauptungen dazu, dass er auch für den Lebensversicherungsvertrag derartige Anordnungen getroffen hätte, wurden niemals aufgestellt. Eine Anrechnung muss daher an der eindeutigen gesetzlichen Regel scheitern, weshalb es nicht darauf ankommt, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin das „Realisat" aus diesem Versicherungsvertrag bezog. Auf die bezeichnete Norm geht der Revisionswerber im Übrigen mit keinem Wort ein. Dass auch nach Zuspruch des von der Klägerin begehrten Betrags sein Pflichtteil nicht verkürzt wird, hat das Berufungsgericht eingehend dargelegt. Auch dagegen wird vom Beklagten nicht argumentiert. Die in der Revision zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und Lehrmeinungen vermögen seine Rechtsansicht in keiner Weise zu stützen. Insbesondere ist er darauf hinzuweisen, dass er ja gerade keinen Pflichtteilsanspruch geltend macht.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen, weshalb die Revisionsbeantwortung nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen ist.