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OGH vom 31.10.1967, 4Ob48/67

OGH vom 31.10.1967, 4Ob48/67

Norm

Arbeitszeitordnung § 3;

Arbeitszeitordnung § 15;

Vertragsbedienstetengesetz 1948 § 20;

Vertragsbedienstetengesetz 1948 § 21;

Kopf

SZ 40/139

Spruch

Überstundenbezahlung bei Teilzeitbeschäftigung (Vertragsbedienstete).

Entscheidung vom , 4 Ob 48/67.

I. Instanz: Arbeitsgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Unbestritten blieb folgender Sachverhalt:

Die Klägerinnen sind als Vertragsbedienstete der Republik Österreich im Reinigungsdienst an einer Bundesrealschule beschäftigt, die Erstklägerin seit , die Zweitklägerin seit . Nach dem Dienstvertrag wurden sie in Entlohnungsschema II, Entlohnungsgruppe p 8, des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 eingestuft. Ihr Beschäftigungsausmaß beträgt 50% der Vollbeschäftigung, somit 221/2 Wochenstunden. Im Jahre 1964 wurden sie über dieses Teilbeschäftigungsausmaß hinaus infolge Erkrankung einer anderen Arbeitskraft zu Mehrdienstleistungen herangezogen, und zwar vom 9. bis 14. März zu 15 Stunden, vom 16. bis 20. März zu 10 Stunden, vom 23. bis 27. März zu 20 Stunden und am 31. März zu 2 Stunden, insgesamt daher zu je 47 Stunden. Diese Mehrdienstleistungen wurden mit dem vereinbarten Stundenlohn, also ohne Zuschlag, vergütet. Das Rechtsbüro der Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten richtete am an das Bundesministerium für Unterricht ein Schreiben mit dem Ersuchen, diese Mehrdienstleistungen als Überstunden zu honorieren, und verwies darauf, daß der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom , 4 Ob 134/63 (Arb. 7860), und vom , 4 Ob 115/64 (Arb. 8012), das Vorliegen von Überstunden bereits dann anerkannt habe, wenn Dienstleistungen über das vereinbarte Teilbeschäftigungsausmaß hinaus erbracht werden mußten. Darauf richtete das Bundesministerium für Unterricht an den Landesschulrat für Niederösterreich den Erlaß vom , worin es mitteilte, daß das Bundeskanzleramt einvernehmlich mit dem Bundesministerium für Finanzen in seiner Stellungnahme vom die Rechtsauffassung vertreten habe, daß Arbeitsstunden von teilbeschäftigten Vertragsbediensteten, die über das vereinbarte Teilbeschäftigungsausmaß hinausgehen, als Überstunden zu vergüten seien, und wies den Landesschulrat an, das Zentralbesoldungsamt um Berechnung und Bezahlung der von den Klägerinnen über die vereinbarte halbtägige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden nach den Bestimmungen des § 20 (4) VBG. 1948, in der Fassung der 3. VBG.-Novelle, BGBl. Nr. 165/1961, im Zusammenhang mit der VB.- Überstundenverordnung, BGBl. Nr. 181/1961, zu ersuchen. Eine Zweitschrift wurde für das Zentralbesoldungsamt angeschlossen. Eine Abschrift dieses Erlasses wurde dem Rechtsbüro der Gewerkschaft zur Kenntnisnahme mit dem Beifügen übermittelt, daß aus den in ihrem Schreiben angeführten Urteilen des Obersten Gerichtshofes nicht entnommen werden könne, daß sie sich auf Überstunden teilbeschäftigter Vertragsbediensteter beziehen. Mit Schreiben vom ersuchte die Gewerkschaft unter Bezugnahme auf das Anerkenntnis vom um Liquidierung der Beträge, worauf das Bundesministerium für Unterricht an den Landesschulrat für Niederösterreich den Erlaß vom richtete, in welchem es unter Behebung des Erlasses vom eröffnete, daß die Klägerinnen mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 20 (4) VBG. 1948 keinen Anspruch auf Überstundenentgelt hätten. Auch von diesem Erlaß wurde eine Abschrift an die Gewerkschaft gesendet. In einem Schreiben vom teilte das Bundesministerium für Unterricht der Gewerkschaft mit, daß der seinerzeitige Erlaß kein Anerkenntnis von Rechtsansprüchen auf Bezahlung von Überstunden in einem höheren als dem im § 20 (4) VBG. festgesetzten Ausmaß, sondern nur eine irrtümliche interne Auslegung dieser Bestimmung gewesen sei, deren Unrichtigkeit an Hand des Gesetzes erkennbar gewesen sei.

Mit den vorliegenden Klagen begehren die Klägerinnen die Feststellung, daß ihnen gemäß § 20 (4) VBG. 1948 bei Heranziehung zu Mehrdienstleistungen über das vereinbarte Teilbeschäftigungsausmaß von 221/2 Stunden pro Woche ein Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung im Verhältnis des 11/4fachen bis zu 24 Stunden pro Woche und des 11/2fachen bei einer Arbeitszeit von mehr als 24 Stunden pro Woche zustehe. Sie stützen ihren Anspruch auf die Bestimmung des § 20 (4) VBG. im Zusammenhalt mit jener des § 21 VBG. 1948 und auf die Anerkennung ihrer Forderungen durch das Bundesministerium für Unterricht. Sie wählen die Form der Feststellungsklage mit der Begründung, daß die Beklagte wiederholt versucht habe, ihre Verpflichtung zur Bezahlung des Überstundenentgeltes dadurch zu umgehen, daß sie stets dann, wenn eine erhöhte Arbeitsleistung notwendig gewesen sei, die Unterfertigung von entsprechenden, auf die Verpflichtung zu Vollarbeitsleistung gerichteten Nachträgen zu den Dienstverträgen verlangt habe.

Die Beklagte beantragt, das Begehren abzuweisen. Gemäß § 20 (4) VBG. 1948 sei eine Überstundenentlohnung erst ab der 46. Wochenstunde vorgesehen. Ein Anerkenntnis liege nicht vor. Der Erlaß vom habe nur einen internen Vorgang im Rahmen des Dienststellenaufbaues des Bundes dargestellt und sei nicht an die Klägerinnen gerichtet gewesen. Diese irrige Auffassung hätte im übrigen den rechtskundigen Vertretern der Klägerinnen auffallen müssen.

Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Beide Untergerichte gingen von der Rechtsauffassung aus, daß die Bestimmung des § 20 (4) VBG. nicht nur für Fälle der Vollbeschäftigung anzuwenden sei, sondern auch für solche der Teilbeschäftigung, sodaß auch dem nicht voll beschäftigten Vertragsbediensteten ein Überstundenentgelt erst mit der 46. Wochenstunde gebühre, und daß ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten nicht vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerinnen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Unrecht versuchen die Klägerinnen, ihren Anspruch auf die in den oben näher bezeichneten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes Arb. 7860 und 8012 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung zu stützen. In dem der erstgenannten Entscheidung zu Gründe liegenden Fall handelte es sich in erster Linie um die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Entgelt für Sonntagsarbeit. Erst im Berufungsverfahren war zusätzlich behauptet worden, daß die Sonntagsdienste nach Abschluß der 45-Stunden-Woche bzw. der entsprechenden Teilbeschäftigungszeiten geleistet wurden und somit Überstunden seien. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage nicht auseinandergesetzt, ob Mehrleistungen über das vereinbarte Ausmaß hinaus als Überstunden zu entgelten seien. Auch die denselben Rechtsstreit betreffende Entscheidung Arb. 8012 beschäftigte sich mit dieser Frage nicht. Auf Schlüsse, die nach der Meinung der Klägerinnen aus den genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu ziehen seien, können die Klägerinnen also ihren Anspruch nicht grunden.

Daß die Bestimmungen der Arbeitszeitordnung, die sich auf die über das Arbeitsausmaß von acht Stunden täglich hinausgehende Arbeitsleistung beziehen, zur Stützung ihres Anspruches nicht herangezogen werden können, sehen die Klägerinnen selbst ein. Sie berufen sich aber auf den § 20 VBG. 1948 und beharren auf ihrem Standpunkt, daß die Bestimmung des Abs. 4 nur auf vollbeschäftigte Vertragsbedienstete anzuwenden und § 21 zu beachten sei, der bestimme, daß nicht vollbeschäftigte Vertragsbedienstete den entsprechenden Teil des Monatsentgeltes erhalten. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß die Überstundenregelung des Abs. 4 nur für die in Abs. 1 genannten vollbeschäftigten Vertragsbediensteten zu gelten habe und daß sie für die Teilbeschäftigten eine sinngemäße Änderung zu erfahren habe.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, daß die über die vereinbarte kürzere Arbeitszeit hinausgehende, aber noch innerhalb der Normalarbeitszeit liegende Mehrarbeit bereits als Überstunde zu entgelten sei, besteht nicht. In der Lehre (Hämmerle, Arbeitsvertrag, S. 181, Henrich, Die Überstunde, ÖJZ. 1950, S. 321, Denecke, Kommentar zur Arbeitszeitordnung[5], S. 149 f., Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des (deutschen) Arbeitsrechtes[7] I, S. 210, Nikisch (Deutsches) Arbeitsrecht[3] I, S. 349) wird als Überstunde nur jene Arbeitszeit angesehen, die die für das Arbeitsverhältnis bestehende Normalarbeitszeit überschreitet. Diese Normalarbeitszeit beträgt für den voll beschäftigten Vertragsbediensteten gemäß § 20 (1) VBG. 1948 45 Wochenstunden. Wird mit einem Dienstnehmer die wöchentliche Arbeitszeit im Ausmaß von 221/2 Stunden vereinbart, so ändert sich dadurch nichts am Ausmaß der Normalarbeitszeit. Der Regelung des § 20 (4) VBG. 1948 liegt derselbe Gedanke zu Gründe, von dem auch die Lehre ausgeht: Ab der 46. Stunde, also bei Überschreitung der Normalarbeitszeit, besteht Anspruch auf Überstundenentgelt.

Der Grund, warum für Überstunden ein erhöhtes Entgelt zu bezahlen ist, liegt einerseits darin, daß ein Dienstnehmer nach Absolvierung der Normalarbeitszeit (oder doch der Zeit, die in seiner Arbeitssparte als Vollbeschäftigung gilt) erhöhter Anspannung bedarf, um weitere Arbeit leisten zu können, und deshalb für die Mehrleistung höher entlohnt werden muß. Ein weiterer Grund ist aber auch darin zu erblicken, daß der Dienstgeber abgehalten werden soll, den Dienstnehmer über das Normalmaß hinaus in Anspruch zu nehmen (so schon Breyer, Leitfaden durch das österreichische Arbeitsrecht, S. 99). Diese Erwägungen treffen auf einen Teilzeitbeschäftigten nicht zu.

Wenn der § 21 VBG. 1948 vorsieht, daß nicht vollbeschäftigte Vertragsbedienstete den ihrer Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgeltes und der Haushaltszulage erhalten, bedeutet dies einerseits, daß der Gesetzgeber den Vertragsparteien anheim stellt, auch eine kürzere Beschäftigungszeit als die Normalarbeitszeit zu vereinbaren, und andererseits, daß dem Vertragsbediensteten in diesem Fall kein geringeres Entgelt zukommen darf, als dem Verhältnis seiner vereinbarten Arbeitszeit zur Arbeitszeit der vollbeschäftigten Dienstnehmer entspricht. Dieser Bestimmung kann jedoch nicht entnommen werden, daß auch jenes Ausmaß an Arbeitszeit geändert werden sollte, bis zu dem nach dem vierten Absatz des § 20 VBG. 1948 kein Anspruch auf Überstundenentlohnung besteht. Gemäß § 8a VBG. 1948 gebührt den Vertragsbediensteten das Monatsentgelt, dessen Höhe sich aus dem § 14 ergibt, und allfällige Zuschläge (Dienstzulagen, Ergänzungszulagen, Haushaltszulage, Teuerungszulagen, Ergänzungszuschläge). Es wird hier also ausdrücklich zwischen dem Monatsentgelt und den Zulagen unterschieden. Die Anordnung des § 21 VBG. 1948, daß nicht vollbeschäftigte Vertragsbedienstete den ihrer Arbeitszeit entsprechenden Teil des Monatsentgeltes erhalten, kann sich daher schon nach dem Wortlaut nicht auf die Überstunden in der Weise beziehen, daß der Anspruch auf Überstundenentlohnung bei Teilbeschäftigten anders, als dies im § 20 (4) VBG. 1948 bestimmt ist, nämlich schon bei der ersten, das vereinbarte Teilbeschäftigungsausmaß überschreitenden Stunde, begänne. So hat auch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb. 6302, der allerdings einen durch Kollektivvertrag geregelten Fall betrifft, zum Ausdruck gebracht, daß Mehrarbeit innerhalb der im Kollektivvertrag vereinbarten Wochenarbeitszeit keinen Anspruch auf Überstundenentlohnung begrundet. Dieselbe Auffassung vertrat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung Arb. 4429. Dort war eine 48stundige Wochenarbeitszeit bedungen, gegenüber einem Dienstnehmer jedoch auf einige Arbeitsstunden in der Woche verzichtet worden. Auch in diesem Fall ging der Oberste Gerichtshof davon aus, daß Mehrarbeit im Rahmen des Achtstundentages keinen Anspruch auf Überstundenentlohnung begrunde. Derselben Meinung sind auch Tomandl, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, ZAS 1966, S. 77, und wohl auch Isele, Arbeitsrechtliche Besonderheiten der Teilzeitarbeit, RdA 1964, S. 204 oben.

Auch Erwägungen der Art, der Dienstgeber könnte sich die Zahlung von Überstunden auf die Weise ersparen, daß er an Stelle eines vollbeschäftigten Dienstnehmers zwei Halbtagsbeschäftigte aufnimmt, sind kein Argument gegen die hier vertretene Ansicht. Denn die gesetzlichen Bestimmungen stellen ihre Vorschriften auf den Normalfall eines bestimmten Dienstverhältnisses, nicht aber auf mögliche Zusammenhänge mehrerer Dienstverhältnisse ab. Ein Dienstnehmer, der neben seiner Normalbeschäftigung etwa noch einen zweiten Beruf, zum Beispiel als Billeteur in einem Theater, ausübt, kann deshalb auch nicht verlangen, daß er für den zweiten, die Normalarbeitszeit im ganzen übersteigenden Beruf nur Überstundenentlohnung erhalte.

Geht man von den dargelegten Erwägungen aus, lassen sich die den Feststellungsbegehren zu Gründe liegenden Ansprüche nicht auf gesetzliche Bestimmungen stützen.

Was das behauptete Anerkenntnis durch das Bundesministerium für Unterricht betrifft, so erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob der Erlaß dieses Ministeriums vom ein konstitutives Anerkenntnis für die Zukunft bedeutet, wie dies die Klägerinnen behaupten. Durch ein solches Anerkenntnis würde nämlich eine Regelung getroffen werden, die von den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 abweicht. Es läge ein Sondervertrag im Sinne des § 36 VBG. 1948 vor, der zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Bundeskanzleramtes bedürfte. Das Vorliegen einer solchen Genehmigung wird aber nicht behauptet. Die im Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht vom erwähnte Stellungnahme des Bundeskanzleramtes vom kann nicht als Genehmigung eines speziellen Sondervertrages der beklagten Partei mit den beiden Klägerinnen angesehen werden.