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OGH vom 08.04.2008, 4Ob48/08z

OGH vom 08.04.2008, 4Ob48/08z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Apothekerkammer, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ingelore *****, Apothekerin, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 170/07t-13, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 39 Cg 117/06h-9 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hat diese Kosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, nimmt die wirtschaftlichen Interessen der österreichischen Apotheker wahr und schreitet unter anderem gegen gesetzwidriges Bewerben und Inverkehrbringen von Arzneimitteln ein. Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Deutschland. In einem Wiener Bezirksblatt warb sie 2006 für „Arzneimittel aus Deutschland aus der Apotheke. 15 % Rabatt auf rezeptfreie Arzneimittel." Dazu gab sie ihre Telefon- und Faxnummer sowie ihre E-Mail-Adresse an. Die Lieferung erfolge „im Rahmen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes".

Ein Kunde bestellte mit E-Mail verschiedene Arzneimittel, darunter je eine Packung „Wick MediNait" und „Ebenol 0,25%". Die Beklagte informierte den Kunden mit E-Mail über Packungsgrößen, Preise und Versandspesen. Der Kunde konkretisierte seine Bestellung und erhielt daraufhin die bestellte Ware.

Die Arzneimittel „Wick MediNait" und „Ebenol 0,25%" sind in Deutschland zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. In Österreich ist ein Arzneimittel, das „Wick MediNait" entspricht, unter einer anderen Bezeichnung zugelassen, jedoch rezeptpflichtig; ein „Ebenol 0,25 %" entsprechendes Arzneimittel ist in Österreich nicht zugelassen, es wäre hier aufgrund eines bestimmten Bestandteils rezeptpflichtig.

Die Klägerin beantragt nach Einschränkung des Sicherungsbegehrens, der Beklagten zu verbieten,

„im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Österreich entgegen den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere im Versandhandel, Arzneimittel zu vertreiben oder abzugeben, nämlich

a. verschreibungspflichtige (rezeptpflichtige) Arzneimittel, insbesondere „Ebenol 0,25 %" und „Wick MediNait" im Wege des Versandhandels, insbesondere aus Deutschland, an Letztverbraucher in Österreich abzugeben, und

b. nur in Deutschland, nicht aber EU-weit oder in Österreich im Sinne des AMG zugelassene, also nicht mit einer österreichischen Zulassung oder EU-Zulassung versehene Arzneispezialitäten, soferne diese in Österreich verschreibungspflichtig (rezeptpflichtig) sind oder als verschreibungspflichtig (rezeptpflichtig) einzustufen sind, insbesondere „Ebenol 0,25 %" und „Wick MediNait Erkältungssaft", in Österreich, insbesondere im Wege des Versandhandels, an Letztverbraucher abzugeben.

Die Beklagte betreibe einen Versandhandel mit in Österreich verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und verstoße damit gegen § 59 Abs 9 AMG und § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz. Weiters bringe sie entgegen § 7 Abs 1 AMG Arzneimittel ohne österreichische oder europäische Zulassung auf den Markt. Diese Rechtsverletzungen seien der Beklagten wegen der klaren Rechtslage subjektiv vorwerfbar. Sie seien auch geeignet, zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu führen.

Die Beklagte wendet ein, sie betreibe keinen Versandhandel, sondern räume Verbrauchern in Österreich nur die Möglichkeit ein, sich im Rahmen des gesetzlich Erlaubten Arzneimittel aus Deutschland schicken zu lassen. Zudem verstoße das Versandhandelsverbot gegen Gemeinschaftsrecht. Die vom Testkäufer der Klägerin bestellten Medikamente seien in Deutschland nicht rezeptpflichtig. § 7 Abs 1 AMG verletze die Beklagte nicht, da die Abgabe der Arzneispezialitäten durch § 7 Abs 1 Z 2 AMG iVm § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz gedeckt sei.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Beklagte biete Letztverbrauchern ihr gesamtes Warenangebot an, wobei das Angebot einer durchschnittlichen Apotheke allgemein bekannt sei. Sie betreibe daher einen Versandhandel, was gegen § 59 Abs 9 AMG verstoße. Diese Bestimmung widerspreche in Bezug auf verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht dem Gemeinschaftsrecht. Weiters verletze die Beklagte das Verbot des Anbietens von in Österreich nicht zugelassenen Arzneispezialitäten. Auf eine zulässige Abgabe iSv § 7 Abs 1 Z 2 AMG iVm § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz könne sie sich wegen des Verstoßes gegen das Versandhandelsverbot nicht erfolgreich berufen. Die Rechtsverletzungen seien geeignet, der Beklagten einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen. Die Beklagte habe daher auch gegen § 1 UWG verstoßen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Bestellung und deren Abwicklung sei durch die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz gedeckt, wonach Einfuhrbewilligungen oder Meldungen für Arzneispezialitäten nicht erforderlich seien, die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum bezogen würden, dort in den Verkehr gebracht werden dürften und dort nicht der Rezeptpflicht unterlägen. Alle gekauften Arzneimittel seien in Deutschland nicht rezeptpflichtig.

§ 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz ordne zwar an, dass durch die Ausnahmen nach § 5 Abs 1 Z 7 und Z 8 leg cit das Verbot des Versandhandels nach § 59 Abs 9 AMG nicht berührt werde. Ein solcher Versandhandel liege aber nicht vor. In der Entscheidung 4 Ob 2254/96s habe der Oberste Gerichtshof bei der Beschreibung des Versandhandels noch von einer „Zustellung durch die Post aufgrund schriftlicher oder telefonischer Bestellung" gesprochen. In 4 Ob 129/99w habe er aber ausgeführt, dass unter Versandhandel eine Betriebsform des Einzelhandels zu verstehen sei, bei welcher das Anbieten der Ware nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten, oder auch durch Vertreter erfolge, und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandweg (meist Postversand) zugestellt würden. Für den Versandhandel sei danach wesentlich, dass der Verkäufer seine Waren einem unbestimmten Personenkreis schriftlich, also nicht persönlich anbiete und die bestellte Ware zugesandt werde. Diese Definition habe der Oberste Gerichtshof auch in 4 Ob 321/99f aufrecht erhalten.

Die Beklagte biete ihre Waren nicht einem unbestimmten Personenkreis schriftlich an. Vielmehr müssten sich Endverbraucher erst mit ihr in Verbindung setzen, um Angebot und Preise zu erfragen. Damit verstoße die Beklagte nicht gegen § 59 Abs 9 AMG. Zumindest könne sie diese Rechtsansicht mit guten Gründen vertreten. Die beiden im Spruch der Entscheidung genannten Arzneimittel seien zwar in Österreich nicht zugelassen. Nach § 7 Abs 1 Z 2 AMG sei jedoch eine inländische Zulassung unter anderem dann nicht erforderlich, wenn Arzneispezialitäten nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz nach Österreich eingeführt worden seien. In § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz sei zwar angeordnet, dass der Bezug von Arzneispezialitäten im Sinne des § 5 Abs 1 Z 7 leg cit über eine öffentliche inländische Apotheke erfolgen müsse, wenn keine ärztliche Bestätigung vorgelegt werde. Der Oberste Gerichtshof habe diese Regelung allerdings in 4 Ob 243/06y als gemeinschaftsrechtswidrig erkannt. Dem schließe sich das Rekursgericht an. Damit habe die Beklagte auch nicht gegen § 7 AMG verstoßen.

Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil die Auslegung des Begriffes „Versandhandel" eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO begründe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

1. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch auf § 1 UWG iVm § 59 Abs 9 AMG (Versandhandelsverbot) und § 7 AMG (Verbot der Abgabe nicht zugelassener Arzneimittel). Die lauterkeitsrechtlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs hat der Senat zuletzt in der Entscheidung 4 Ob 225/07b ausführlich dargelegt: Danach kann der Verstoß gegen eine generelle Norm einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen. Das gilt jedoch nicht, wenn das beanstandete Verhalten durch eine vertretbare Auslegung der angeblich verletzten Bestimmungen gedeckt ist. Dafür maßgebend sind deren eindeutiger Wortlaut und Zweck sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden. Weiters muss das Verhalten geeignet sein,den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. In diesen Punkten hat die UWG-Novelle 2007 zu keiner relevanten Änderung geführt.

2. Die Rechtslage zur Einfuhr von Arzneimitteln ist zwar komplex, sie erlaubt aber dennoch eine eindeutige Beurteilung des beanstandeten Verhaltens.

2.1. Nach § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz ist die Einfuhr von Arzneispezialitäten zur Anwendung am Menschen ohne weitere Bewilligung oder Meldung zulässig, „die in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Empfängers entsprechenden Menge aus einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) bezogen werden, dort in den Verkehr gebracht werden dürfen und dort nicht der Rezeptpflicht unterliegen". Der Bezug hat in diesem Fall nach § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz - außer bei Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung - „über eine öffentliche inländische Apotheke zu erfolgen". Darüber hinaus berührt § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz nach § 5 Abs 5 leg cit nicht das „Verbot des Versandhandels gemäß § 59 Abs 9 des Arzneimittelgesetzes". Nach der letztgenannten Bestimmung ist die Abgabe von Arzneimitteln „in Selbstbedienung oder durch Versandhandel" verboten.

2.2. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache DocMorris (Rs C-322/01 = Slg 2003 I 14887) ist ein Versandhandelsverbot für Arzneimittel eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinn von Art 28 EG. Auf die Rechtfertigung eines solchen Verbots durch Art 30 EG können sich die Mitgliedstaaten nur soweit berufen, als es Arzneimittel betrifft, die im Wohnsitzstaat des Bestellers verschreibungspflichtig sind (vgl dazu etwa Gast/Reiser, Arzneimittel aus der Internet-Apotheke? RdM 2004/41; Nemetz, Internetapotheke - Post DocMorris, ecolex 2004, 991; Köck/Schmitt, DocMorris und die österreichische Gewerbeordnung, wbl 2006, 454).

Auf dieser Grundlage hat der Senat entschieden (4 Ob 243/06y = wbl 2007, 293 - Lemocin), dass eine in Österreich nicht rezeptpflichtige Arzneispezialität im Inland in üblichen, dem persönlichen Bedarf von Empfängern entsprechenden Mengen im Weg des grenzüberschreitenden Versandhandels aus dem EWR vertrieben werden darf, wenn sie im Versendestaat in Verkehr gebracht werden darf und (auch dort) nicht rezeptpflichtig ist. In diesem Fall schadet nach § 7 Abs 1 Z 2 AMG auch das Fehlen einer inländischen Zulassung nicht, da die Einfuhr nach § 5 Abs 1 Z 7 Arzneiwareneinfuhrgesetz zulässig ist und die einschränkenden Bestimmungen des § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz und des § 59 Abs 9 AMG wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts unangewendet zu bleiben haben.

Aus DocMorris folgt allerdings nicht, dass das Versandhandelsverbot auch in Bezug auf im Bestellerstaat rezeptpflichtige Arzneimittel dem Gemeinschaftsrecht widerspräche. Denn insofern hat der Europäische Gerichtshof für das (in concreto: deutsche) Versandhandelsverbot eine Rechtfertigung nach Art 30 EG anerkannt. Für im Inland rezeptpflichtige Arzneimittel bleiben § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz und § 59 Abs 9 AMG daher - anders als vom Rekursgericht angenommen - anwendbar.

Soweit sich die Beklagte darauf stützt, dass die strittigen Arzneimittel in Deutschland nicht verschreibungspflichtig seien, ist sie ebenfalls auf die Entscheidung DocMorris zu verweisen. Maßgebend ist danach die Verschreibungspflicht im Staat des Bestellers, nicht in jenem der Absendung (Rz 124). Das Fehlen der Verschreibungspflicht in anderen Mitgliedstaaten berührt nicht die Befugnis des Bestellerstaates, bestimmte Arzneimittel insofern strenger zu behandeln als in deren Ursprungsstaat (Rz 118).

2.3. Der Begriff des Versandhandels ist weder in § 59 Abs 9 AMG noch in § 50 GewO definiert. Nach der Rechtsprechung des Senats ist Versandhandel, den Gesetzesmaterialien zu § 50 GewO folgend, „eine Betriebsform des Einzelhandels, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenster), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandweg (meist Postversand) zugestellt werden. Für den Versandhandel ist demnach wesentlich, dass der Verkäufer seine Waren einem unbestimmten Personenkreis schriftlich (also nicht persönlich) anbietet und die bestellte Ware zugesandt wird" (4 Ob 129/99w = ÖBl 2000, 64 - Viagra; 4 Ob 22/04w = RdW 2004, 539 - Thunbergia Laurifolia).

Genau das trifft hier zu: Durch die festgestellte Anzeige bietet die Beklagte schriftlich (also nicht persönlich) die Zusendung von Arzneimitteln an, und bestellte Ware wird dann zugesandt.

Das Rekursgericht stützt seine davon abweichende Auffassung auf das Fehlen von Prospekten oder Preislisten. Darauf kommt es aber offenkundig nicht an. Denn der Zweck des Versandhandelsverbots liegt (auch) in der dadurch ermöglichten persönlichen Beratung und Kontrolle bei der Abgabe an Letztverbraucher. Dafür ist es unerheblich, ob es Kataloge oder Preislisten gibt oder ob Bestellungen - wie hier - aufgrund des typischerweise erwarteten Apothekensortiments getätigt und abgewickelt werden. Für diese Auslegung sprechen auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz (AB 935 BlgNR 21. GP): Danach soll diese Bestimmung klarstellen, dass trotz des durch § 5 Abs 1 Z 7 und 8 Arzneiwareneinfuhrgesetz liberalisierten Arzneimittelbezugs vertreiberinitiierte Vertriebsformen untersagt sind.

Am Vorliegen einer solchen „vertreiberinitiierten Vertriebsform" ist hier nicht zu zweifeln, kann doch die Anzeige der Beklagten nur als Aufforderung verstanden werden, Bestellungen aus einem typischen Apothekensortiment an sie zu richten. Dass in Österreich rezeptpflichtige Arzneimittel von der Bestellung und vom Versand ausgeschlossen wären, ergibt sich aus der Anzeige nicht. Der Umstand, dass die Beklagte Packungsgrößen und Preise erst nachträglich bekannt gibt, ändert nichts an der fehlenden Möglichkeit zur persönlichen Beratung und Kontrolle bei der Abgabe der - rezeptpflichtigen - Ware.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten und des Rekursgerichts ist aufgrund von Wortlaut und Zweck der genannten Bestimmungen nicht mit guten Gründen vertretbar. Auch die vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs können diese Differenzierung nicht tragen. Die Besonderheit von 4 Ob 129/99w lag darin, dass die strittigen Arzneimittel von Ärzten für ihre Patienten bestellt wurden; der Bestellung ging somit kein Angebot des Versenders an den Letztverbraucher voraus. Für den vorliegenden Fall lässt sich daraus nichts ableiten, richtet sich doch hier das Inserat der Beklagten eindeutig (auch) an Letztverbraucher. Dieser Umstand wurde in 4 Ob 321/99f als entscheidend dafür angesehen, das Vorliegen eines Versandhandels bei Bestellungen „aufgrund von Inseraten" zu bejahen. Dass die angebotenen Arzneimittel (schon) in diesen Inseraten spezifiziert sein müssten, ergibt sich daraus nicht.

Zwar mag der vom Versandhandelsverbot verfolgte Zweck auch bei der Abgabe von Arzneimitteln in Präsenzapotheken nicht immer verwirklicht werden. Dennoch muss es dem Gesetzgeber frei stehen, eine typischerweise missbrauchsanfällige Vertriebsform von vornherein zu verbieten. Eine Verfassungswidrigkeit von § 59 Abs 9 AMG ist daher nicht zu erkennen (vgl VfGH G 74/01).

2.4. Die Unzulässigkeit des Versands ergibt sich im konkreten Fall (auch) aus § 5 Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz, wonach der Bezug von - wie hier nicht verschriebenen - Arzneiwaren über eine öffentliche inländische Apotheke zu erfolgen hat. Für die Anwendung dieser Bestimmung, die aufgrund von DocMorris ebenfalls nur mehr für im Inland rezeptpflichtige Arzneimittel gilt (4 Ob 243/06y), käme es auf die Auslegung des darin nicht enthaltenen Begriffs „Versandhandel" nicht an. Da die Vorgangsweise der Beklagten aber jedenfalls als Versandhandel iSv § 59 Abs 9 AMG iVm § 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz zu qualifizieren ist, kann offen bleiben, welche (anderen) Sachverhaltsgestaltungen (nur) unter § 5 Abs 1 Z 7 und Abs 2 Arzneiwareneinfuhrgesetz fielen, nicht aber unter § 59 Abs 9 AMG iVm § 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz.

3. Arzneispezialitäten dürfen nach § 7 Abs 1 AMG im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen sind. Eine solche Zulassung liegt hier unbestritten nicht vor, ebenso wenig eine europäische Zulassung iSd VO (EG) 726/2004, die nach § 7 Abs 1 Z 1 AMG ausreichte. Auch der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs 1 Z 2 AMG ist nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung ist eine inländische Zulassung ua dann nicht erforderlich, wenn die Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz erfolgt. Das trifft hier aber, wie dargestellt, nicht zu, weil die Lieferung ohne die nach § 5 Abs 2 leg cit erforderliche Verschreibung erfolgte. Damit kann sich die Beklagte nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 1 Z 2 AMG berufen.

4. Die Beklagte hat somit für in Österreich rezeptpflichtige Arzneimittel gegen das Verbot des Versandhandels (§ 59 Abs 9 AMG iVm § 5 Abs 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz) und das Verbot der Abgabe nicht zugelassener Arzneimittelspezialitäten (§ 7 Abs 1 AMG) verstoßen, ohne dass dies mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Der Verstoß ist zweifellos geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil gesetzestreuer Mitbewerber zu beeinflussen. Der Unterlassungsanspruch besteht daher im zuletzt geltend gemachten Umfang zu Recht. Das führt zur Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichts.

Die mögliche Rechtfertigung der Abgabe von nicht zugelassenen Arzneimittelspezialitäten nach den Ausnahmetatbeständen des § 7 Z 1 bis 3 AMG muss nicht zwingend in den Spruch aufgenommen werden (vgl 6 Ob 114/00h = SZ 73/117; RIS-Justiz RS0114017). Gleiches gilt für das Erfordernis der Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes (4 Ob 29/07d = wbl 2007, 399 - Gebrauchsanleitung).

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.