OGH vom 28.08.1986, 6Ob625/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Jensik, Dr.Schobel und Mag.Engelmaier als Richter in der Vormundschaftssache des mj.Kindes Christian K***, geboren am , Schüler, im Haushalt seiner Mutter und Vormünderin Renate K***, geborene R***, Wien 19., Grinzingerallee 54/5/7, wegen Regelung des persönlichen Verkehrs mit dem unehelichen Vater Franz Josef S***, Gemeindebediensteter, Wien 19., Döblinger Gürtel 19/20, infolge Revisionsrekurses der Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom , GZ.47 R 441/86-59, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ.2 P 178/83-53, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung:
Christian kam am zur Welt. Zur Zeit seiner Geburt war seine Mutter 21 1/2 Jahre alt; sie war geschieden und führte mit dem damals knapp 28-jährigen, ebenfalls geschiedenen Vater des Kindes eine Lebensgemeinschaft. Dieser anerkannte am vor dem Jugendamt seine Vaterschaft. Die Mutter trennte sich vom Vater des Kindes und ging eine zweite Ehe ein. Der zweite Ehemann der Mutter gab dem Kind seinen Namen. Auch diese eheliche Lebensgemeinschaft ist inzwischen gescheitert. Seit der während des ersten Lebensjahres des Kindes erfolgten Trennung der Eltern hat der Vater seinen Sohn nur einige wenige Male in der Wohnung der Mutter besucht. Das Kind weiß nicht, daß der ehemalige Lebensgefährte der Mutter sein Vater ist. Dieser ist nunmehr 35 Jahre alt; er steht als Vorarbeiter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien. Die Mutter steht nunmehr im 29.Lebensjahr, sie arbeitet als Heimhelferin. (Nach den ungeprüft gebliebenen Rekursbehauptungen des Vaters ist sie eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen.)
Am gab der Vater einen Antrag zu gerichtlichem Protokoll, ihm ein Besuchsrecht an jedem ersten Samstag eines Monats in der Zeit von 9 bis 18 Uhr einzuräumen. Nach der grundsätzlich zustimmenden, aber eine zeitliche Abänderung empfehlenden Stellungnahme des Jugendamtes erklärte sich der Vater am mit einer Besuchsrechtsausübung an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat jeweils zwischen 13 und 18 Uhr einverstanden.
Die Mutter sprach sich vor Gericht - entgegen ihrer Stellungnahme vor dem Jugendamt - grundsätzlich gegen jeden Besuchskontakt des Vaters mit dem Kind aus. Sie machte geltend, daß sich der Vater bisher kaum um das Kind gekümmert habe, kein echtes Interesse an einer persönlichen Beziehung zu dem Kind besitze und sein Besuchsrecht nur geltend mache, um zu bewirken, daß sie sich wie bisher mit einer geringeren als der vom besonderen Sachwalter für das Kind beantragten Unterhaltsleistung zufrieden gebe. Die Mutter äußerte nach ihrem Wissen über die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater zu seinem 1976 geborenen ehelichen Sohn Thomas die Besorgnis, daß der Vater von einem ihm zugestandenen Besuchsrecht nur gelegentlich Gebrauch machen und dadurch das als sehr sensibel bezeichnete Kind beeinträchtigen würde. Der Vater bestritt die ihm unterstellte Absicht, die Besuchsrechtsregelung als Durckmittel in der Unterhaltsfrage einzusetzen und der Mutter die von ihr behaupteten Vorschläge gemacht zu haben; er erklärte seine bisherige Zurückhaltung in der Kontaktpflege mit seiner Rücksichtnahme auf Wünsche, die die Mutter im Zusammenhang mit einer angeblich bevorstehenden Adoption des Kindes durch den zweiten Ehemann der Mutter geäußert habe. Das Vormundschaftsgericht wies den Antrag des Vaters auf Regelung des persönlichen Verkehrs zu seinem unehelichen Sohn ab. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne des zeitlich abgewandelten Antrages des Vaters ab.
Das Erstgericht war in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß der Vater seinen Sohn zuletzt im Herbst 1984 gesehen, sich nicht um den Aufbau einer persönlichen Beziehung zu ihm bemüht habe und auch derzeit kein wahrhaftes Interesse am Kind besitze, sondern den Antrag auf Besuchsregelung lediglich als bloße Reaktion auf einen Unterhaltserhöhungsantrag des Kindes gestellt habe; der Vater habe im Juni 1985 der Mutter erklärt, er würde das Kind "in Ruhe lassen", wenn sie sich - anstelle der vom besonderen Sachwalter beantragten monatlichen Unterhaltsleistung von 3.000 S - mit einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.000 S begnügte. Die vom Vater vorgebrachte Erklärung, sich wegen einer geplanten Adoption des Kindes jahrelang nicht um innigere Kontakte bemüht zu haben, erklärte das Erstgericht als unglaubwürdig.
Das Vormundschaftsgericht folgerte daraus, daß die Bedenken der Mutter gegen ein Besuchsrecht des Vaters gerechtfertigt seien und es nicht im Interesse des Kindes gelegen wäre, zwischen diesem und seinem Vater einen persönlichen Verkehr anzubahnen, der vielleicht nach einigen Besuchstagen vom Vater wieder eingestellt oder doch nur höchst gelegentlich gepflegt würde.
Das Rekursgericht erachtete den zeitlichen Zusammenhang des Protokollarrekurses gegen den Unterhaltserhöhungsbeschluß mit dem Antrag auf Regelung des Besuchsrechtes nicht als ausreichend, um den zweitgenannten Antrag ausschließlich als Repressalie des Vaters zu werten. Es erblickte in den von der Mutter vorgebrachten Bedenken über das mögliche künftige Verhalten des Vaters nur abstrakte Befürchtungen. Das Rekursgericht folgerte daher, daß dem Recht des Vaters auf persönlichen Verkehr zu seinem Kind, mag er diesen aus Rücksicht auf eine als geplant angenommene Adoption oder aus purer Interessenlosigkeit auch jahrelang nicht in Anspruch genommen haben, keine konkret faßbaren Interessen des Kindes entgegenstünden. Die Mutter ficht die abändernde Rekursentscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses gerichteten Abänderungsantrag an. Dieser Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Der nunmehr 7 1/2 Jahre alte Knabe wuchs in der Vorstellung heran, der (zweite) Ehemann seiner Mutter, der ihm auch den Namen gegeben hat, sei sein Vater. Nach der Trennung der Mutter von diesem Mann war das Kind gezwungen, sich mit dem Verlust dieser Bezugsperson auseinanderzusetzen. Es ist kein Anzeichen dafür aktenkundig, daß der von der Mutter als sehr sensibel beschriebene Knabe auf die einschneidenden Änderungen in den familiären und häuslichen Verhältnissen in auffälliger Weise reagiert hätte; auch die Mutter hat keine diesbezüglichen Behauptungen aufgestellt. Konkrete in der Persönlichkeit des Kindes gelegene Bedenken gegen einen im Sinne der Stellungnahme des Jugendamtes behutsam aufzubauenden persönlichen Verkehr zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater bestehen nach der Aktenlage nicht. Es entspricht grundsätzlich dem Interesse eines Heranwachsenden, in einer seiner Entwicklung gemäßen Weise über seine blutsmäßige Abstammung unterrichtet zu werden und die Möglichkeit zu erhalten, über seinen leiblichen Vater ein auf eigenem Erleben und Empfinden beruhendes Bild zu gewinnen.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang wiedergegebenen Rechtsprechungsleitsätze sind entgegen der im Protokollarrekurs zum Ausdruck gebrachten Ansicht durchaus auch auf den durch die aktenkundigen Umstände gekennzeichneten Fall anwendbar. Das Rekursgericht hat bei seiner angefochtenen Entscheidung keinen der nach § 178 a ABGB zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vernachlässigt. Ihm ist nach seiner von der Prognose des Erstgerichtes abweichenden Abschätzung der voraussichtlich künftigen Entwicklungen kein erkennbarer Irrtum in der gegenseitigen Abwägung der zu bedenkenden Umstände unterlaufen.
Es besteht kein hinreichender Anhaltspunkt, daran zu zweifeln, daß beide Eltern bestrebt und imstande sein werden, im Interesse des Kindes dessen persönliche Beziehung zu seinem leiblichen Vater so behutsam wie möglich aufzubauen, um dem Kind - gerade bei einem Wechsel in der Person des Lebensgefährten der Mutter - die Gelegenheit zu bieten, Vertrauen und Zuneigung zu einer ihm durch blutsmäßige Abstammung ständig verbunden bleibenden Bezugsperson zu gewinnen.
Dem Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.