OGH vom 15.04.1998, 3Ob37/98g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Johanna D*****, vertreten durch Dr.Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Lieselotte H*****, vertreten durch Dr.Ingeborg Reuterer, Rechtsanwalt in Wien, als einstweiliger Sachwalter (§ 238 Abs 2 AußStrG), wegen S 37.036,05 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei und des Erstehers D***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 46 R 1231/97p-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom , GZ 13 E 27/96x-36, abgeändert wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Beschluß vom bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei aufgrund des Urteils des Bezirksgerichtes Favoriten vom , 7 C 1283/95a, zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von S 37.036,05 sA die Zwangsversteigerung der 910/20500 Anteile (B-LNr 29) der EZ *****, Grundbuch ***** F*****. Die an die verpflichtete Partei vorzunehmenden Zustellungen erfolgten immer an die im Exekutionsantrag als deren Vertreterin "als einstweilige Sachwalterin zu 8 SW 17/94" angeführte Rechtsanwältin Dr.Ingeborg Reuterer.
Für die Verpflichtete war im Verfahren 8 P 1128/96p des Bezirksgerichtes Favoriten erstmals mit Beschluß vom Rechtsanwalt Dr.Peter Bock zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden; sein Wirkungsbereich umfaßte nur die Vertretung im Verfahren 5 E 66/94 des Bezirksgerichtes Favoriten. Dieses Zwangsversteigerungsverfahren betraf denselben Liegenschaftsanteil der Verpflichteten und wurde in weiterer Folge eingestellt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom wurde Dr.Peter Bock seines Amtes enthoben und an seiner Stelle Dr.Ingeborg Reuterer, Rechtsanwalt in Wien, gemäß § 238 Abs 2 AußStrG zum einstweiligen Sachwalter bestellt. Der Wirkungskreis betraf die Vertretung im Verfahren 5 E 66/94 des Bezirksgerichtes Favoriten. Mit Beschluß vom wurde der Wirkungskreis des Sachwalters auf die Einkommens- und Vermögensverwaltung der Verpflichteten sowie auf die Vertretung im Verfahren 7 C 1298/95a des Bezirksgerichtes Favoriten erstreckt; weiters hatte Dr.Ingeborg Reuterer die Betroffene im Sachwalterschaftsverfahren selbst zu vertreten. Erst mit Beschluß vom , dem einstweiligen Sachwalter am zugestellt, wurde der Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters wie folgt erweitert:
"Vertretung gegenüber Gerichten, Verwaltungsbehörden und Sozialversicherungsträgern".
In der Versteigerungstagsatzung am erhob die Sachwalterin der Verpflichteten Widerspruch gegen die Erteilung des Zuschlags mit der Begründung, daß sämtliche Zustellungen im gegenständlichen Verfahren an sie nichtig seien, zumal sie nicht zur Vertretung in diesem Verfahren als Sachwalterin bestellt gewesen sei.
Die Erstrichterin verkündete nach Einsicht in den Akt 8 P 1128/96p des Erstgerichtes den Beschluß, der Widerspruch werde abgewiesen, weil die Sachwalterschaft im Grundbuch angemerkt sei und die Bestellung auch für frühere Zwangsversteigerungsverfahren erfolgt sei. Hierauf wurde die versteigerte Liegenschaft um das Meistbot von S 716.000 der D***** GmbH zugeschlagen.
Die betreibende Partei beantragte, der Verpflichteten auch für den Fall der Stattgebung des Rekurses sämtliche Kosten aufzuerlegen, weil die behauptete gesetzliche Vertretung auch bei Einleitung des Verfahrens hätte geltend gemacht werden können.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei gegen die Abweisung des Widerspruchs gegen die Erteilung des Zuschlags nicht Folge, wohl aber deren Rekurs gegen die Zuschlagserteilung und änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Zuschlag an die D***** GmbH versagt wurde. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung jedenfalls unzulässig sei, weil der Entscheidungsgegenstand S 50.000 nicht übersteige (§ 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO).
Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, zum Zeitpunkt der öffentlichen Versteigerung der Liegenschaftsanteile am sei die Bestellung der einstweiligen Sachwalterin wirksam gewesen und habe sich auch auf das Exekutionsverfahren erstreckt. Auf den Beschluß über die Bestellung des einstweiligen Sachwalters sei nämlich § 12 Abs 1 AußStrG anzuwenden. Danach könnten Verfügungen über nicht streitige Rechtsangelegenheiten, insofern in dem gegenwärtigen Gesetze keine Ausnahmen festgesetzt sind, oder der Richter nicht aus besonderen Gründen die Rekursfrist abzuwarten notwendig findet, sogleich in Vollzug gesetzt werden. Damit unterscheide sich die Bestellung des einstweiligen Sachwalters von der endgültigen Bestellung, die gemäß § 247 AußStrG vom Eintritt der Rechtskraft abhängig sei.
Gemäß § 187 Abs 1 EO könne der Beschluß, durch welchen der Zuschlag erteilt werde, nur von denjenigen Personen mittels Rekurses angefochten werden, welche im Versteigerungstermin anwesend und wegen Erhebung des Widerspruchs zu befragen waren. Die verpflichtete Partei sei zwar beim Versteigerungstermin ordnungsgemäß vertreten gewesen; alle vorangegangenen Zustellungen, beginnend mit der Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses, seien jedoch nicht in gesetzmäßiger Weise erfolgt. Zu diesem Fehler sei es offenbar insbesondere dadurch gekommen, daß bereits die betreibende Partei in ihrem Exekutionsantrag Dr.Reuterer als einstweilige Sachwalterin der verpflichteten Partei anführt. Bei Erteilung des Zuschlags habe durch den vorangegangenen Widerspruch des einstweiligen Sachwalters dem Erstgericht die Fehlerhaftigkeit der Zustellvorgänge bekannt sein müssen. Der Zuschlag sei daher gemäß § 187 Abs 1 EO unzulässig. Keiner der vom Erstgericht gefaßten Beschlüsse, zurückgehend bis zur Exekutionsbewilligung, sei rechtskräftig.
Von einer Nichtigerklärung des gesamten Verfahrens, wie von der Rekurswerberin beantragt, sei abzusehen, weil sich das Exekutionsverfahren, im Gegensatz zum streitigen Zivilprozeß, in mehrere Abschnitte unterteile und daher die nunmehr wirksam vertretene verpflichtete Partei die Möglichkeit habe, nachträglich auch einzelne Verfahrensteile zu genehmigen und dadurch zu sanieren. Gemäß § 187 Abs 5 EO habe die weiteren Verfügungen das Gericht erster Instanz von Amts wegen zu treffen. Dazu werde in erster Linie gehören, alle Beschlüsse, die der verpflichteten Partei zuzustellen sind und die noch nicht wirksam zugestellt wurden, nunmehr dem Sachwalter zuzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei und des Erstehers ist zulässig. Der Ausspruch des Rekursgerichtes, der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig, ist unrichtig und bindet den Obersten Gerichtshof nicht. Anders als beim Rekurs des Erstehers und des Verpflichteten, in welchen Fällen für den Wert des Entscheidungsgegenstandes die Höhe des Meistbots maßgebend ist, richtet sich beim Rekurs des Hypothekargläubigers oder des betreibenden Gläubigers der Wert des Entscheidungsgegenstandes in erster Linie nach der Höhe seiner Forderung, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes in diesen Fällen nur dafür Bedeutung hat, ob diese Forderung aus dem Meistbot berichtigt werden kann oder nicht, nach der Höhe des Meistbots daher nur dann, wenn die Forderung geringer als das Meistbot ist (ÖBA 1996, 138 [Buchegger]). Dieser zuletzt genannte Fall ist hier gegeben; maßgeblich ist somit nicht die betriebene Kapitalforderung von S 37.036,05, sondern das Meistbot von S 716.000.
Bei der einzuhaltenden Vorgangsweise bei Wahrnehmung der Prozeßunfähigkeit der verpflichteten Partei, die erstmals in der Versteigerungstagsatzung gesetzmäßig vertreten ist, handelt es sich auch um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 78 EO,§ 528 Abs 1 ZPO).
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Zutreffend hat bereits das Rekursgericht erkannt, daß die Zustellung aller Beschlüsse - beginnend mit der Exekutionsbewilligung - an die einstweilige Sachwalterin nicht gesetzmäßig war, weil der Wirkungskreis des gemäß § 238 Abs 2 AußStrG bestellten Sachwalters damals nicht die Vertretung in diesem Exekutionsverfahren umfaßt hatte. Die dringenden Angelegenheiten, zu deren Besorgung der einstweilige Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 AußStrG bestellt wird, sind im Beschluß genau zu beschreiben, weil der Betroffene genau in diesem Umfang in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt wird (Maurer/Tschugguel, Sachwalterrecht2, Rz 14, 20 zu § 238 AußStrG; Gitschthaler in ÖJZ 1990, 767). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber kann unter der Vermögensverwaltung nicht die Vertretung in gerichtlichen Verfahren, insbesondere einem Zwangsversteigerungsverfahren, verstanden werden. Auch aus dem Umstand, daß die einstweilige Sachwalterin zur Vertretung der Verpflichteten im Titelverfahren bestellt war, ergibt sich nicht deren Vertretungsbefugnis im Exekutionsverfahren; für eine analoge Anwendung des § 64 Abs 1 ZPO über den Umfang einer bewilligten Verfahrenshilfe besteht wegen des unterschiedlichen Regelungsinhalts keine Grundlage. Bei ihrem Hinweis auf den Grundbuchsstand verkennen die Revisionsrekurswerber, daß dort keineswegs die Bestellung Dris.Reuterer zur einstweiligen Sachwalterin angemerkt war, sondern die frühere, bereits überholte Bestellung des nunmehrigen betreibenden Vertreters Dr.Bock.
Das Erstgericht hat somit unzutreffend die Beschlüsse im Exekutionsverfahren bereits vor der Erweiterung der Vertretungsbefugnis der einstweiligen Sachwalterin auch auf dieses Exekutionsverfahren der einstweiligen Sachwalterin zugestellt. Eine Heilung dieser bereits früher erfolgten Zustellungen durch die nunmehrige Bestellung der einstweiligen Sachwalterin auch zur Vertretung in diesem Verfahren ist nicht erfolgt. Wie bereits in SZ 46/13 zur Frage der Heilung einer unwirksamen Zustellung an einen Minderjährigen mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit ausgesprochen wurde, muß dies abgelehnt werden, denn ein rechtsunwirksamer Vorgang kann, sofern dies nicht eine besondere gesetzliche Vorschrift normiert, nicht als saniert angesehen und auch nicht umgedeutet werden. Walter/Mayer, Zustellrecht, 42, billigen diese Entscheidung.
Der in Deutschland vertretene gegenteilige Standpunkt (vgl BGH NJW 1989, 1154; Roth in Stein/Jonas, ZPO21, Rz 12 zu § 187; v.Feldmann in MünchKomm zur ZPO, Rz 4 zu § 187; krit aber E.Schneider in WuB VII A § 212 a ZPO 1.89), wonach es ausreicht, wenn das zuzustellende Schriftstück in den Besitz des Rechtsanwalts des Zustellungsempfängers gelangt ist, der Rechtsanwalt aber erst später Zustellungsvollmacht erhält, sofern er das Schriftstück im Zeitpunkt der Bevollmächtigung noch in Besitz hat, kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht übernommen werden und würde unnötige Unsicherheit, besonders zur Auslösung des Laufes von Rechtsmittelfristen, bringen.
Vielmehr konnte die nunmehr gesetzmäßig vertretene verpflichtete Partei mit Rekurs gegen die Zuschlagserteilung die Unterlassung der Verständigung von der Zwangsversteigerung geltend machen.
Da die Frist des § 187 Abs 1 EO eingehalten wurde, stellt sich hier nicht die Frage, ob die fehlende Prozeßfähigkeit auch noch nach Ablauf der absoluten Frist des § 187 Abs 1 EO geltend gemacht werden kann (Zur Problematik s 3 Ob 51, 1060/95, teilweise veröffentlicht in ecolex 1996, 256 mit Glosse von Wilhelm, dessen Ansicht, es sei "naheliegend, daß der 3.Senat, der schon in seiner Vorentscheidung 3 Ob 1527/91 die Frage für ausjudiziert hielt, mangels neuer Argumente an seiner Auffassung festhält", nicht nachvollziehbar ist). Überdies liegen hier noch keine Verfahrensergebnisse, insbesondere ein Sachverständigengutachten, vor, um die Prozeßfähigkeit, insbesondere auch deren Dauer, der Verpflichteten abschließend beurteilen zu können.
Bei dieser Sachlage war die Vorgangsweise des Rekursgerichtes, bereits jetzt den Zuschlag zu versagen, verfehlt. Vielmehr ist vorher der - bereits mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses für das Exekutionsverfahren wirksam bestellten (SZ 64/111; NZ 1992, 294; 1 Ob 252/97h; Maurer/Tschugguel aaO Rz 23; Gitschthaler aaO 766) - einstweiligen Sachwalterin unter Fristsetzung aufzutragen, zu erklären, ob sie das bisher mit der Verpflichteten durchgeführte Exekutionsverfahren genehmige. Der Oberste Gerichtshof holte diesen vom Rekursgericht unterlassenen Auftrag mit Beschluß vom nach. Die einstweilige Sachwalterin teilte dem Obersten Gerichtshof hierauf mit, sie könne das vorangegangene Verfahren nicht genehmigen.
Erst nach dieser Verfahrensergänzung konnte davon ausgegangen werden, daß die nichtige Zustellung der im Zwangsversteigerungsverfahren beginnend ab der Exekutionsbewilligung gefaßten Beschlüsse an die Verpflichtete nicht saniert ist. In diesem Fall ist der Zuschlag gemäß § 186 Abs 1 EO aus dem Grund des § 184 Abs 1 Z 3 EO zu versagen, weil nicht alle vom Versteigerungstermin zu verständigenden Personen verständigt wurden (EvBl 1968/219; Heller/Berger/Stix 1377). Die erforderlichen weiteren Verfügungen, hier die Zustellung der bisher ergangenen Beschlüsse an die nunmehr durch einen einstweiligen Sachwalter (§ 238 Abs 2 AußStrG) auch in diesem Exekutionsverfahren vertretene Verpflichtete, hat gemäß § 187 Abs 5 EO das Gericht erster Instanz zu verfügen (vgl Heller/Berger/Stix 1385). Zumal für die Beurteilung der Prozeßunfähigkeit der Verpflichteten in diesem Verfahren noch keine ausreichenden Grundlagen vorliegen, ist nicht das ganze Verfahren gemäß § 477 Z 5, § 514 Abs 2 ZPO,§ 78 EO als nichtig zu erklären (vgl zur Wahrnehmung der Prozeßunfähigkeit Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 182 ff; Heller/Trenkwalder 640).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO,§ 78 EO.