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OGH vom 13.04.1994, 3Ob37/94

OGH vom 13.04.1994, 3Ob37/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Gamerith, Dr.Melber, Dr.Warta, Dr.Zehetner und Dr.Klinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Paul W*****, vertreten durch Dr.Anton Bauer, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wider die beklagte Partei Dr.Wilhelm L*****, vertreten durch Dr.Karl Zingher und Dr.Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 41 R 47/93-27, in der Fassung des Beschlusses vom , AZ 41 R 47/93, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom , GZ 2 C 1572/91a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Der Kläger ist aufgrund eines Urteils des Erstgerichtes verpflichtet, in einer dem Beklagten vermieteten Wohnung den früheren Zustand durch Wiederanbringung der Decke in ursprünglicher Höhe und Entfernung der aufgestellten Trennwände wieder herzustellen. Der Beklagte führt zur Erwirkung dieser Handlung Exekution.

Der Kläger begehrte, durch Urteil auszusprechen, daß der Anspruch des Beklagten erloschen ist. Die zuständige Baubehörde habe den Antrag auf Bewilligung der Wiederherstellung des früheren Zustands abgewiesen und zugleich die Räumung und den Abbruch des Gebäudes angeordnet. Dieser Bescheid habe den Untergang des Bestandobjektes und damit das Erlöschen des Bestandverhältnisses im Sinn des § 1112 ABGB herbeigeführt. Außerdem wäre der wiederherzustellende Zustand gesetzwidrig. Der Anspruch des Beklagten sei daher wegen Untergangs der Sache erloschen.

Das Erstgericht wies die Klage zunächst wegen Unzuständigkeit zurück. Das Landesgericht für ZRS Wien hob jedoch diesen Beschluß infolge Rekurses des Klägers auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auf. Es vertrat in der Begründung seiner Entscheidung die Auffassung, daß es sich bei der Klage um eine Oppositionsklage handle.

Der Beklagte wendete in der sodann über die Klage abgeführten mündlichen Verhandlung ein, daß das Bestandverhältnis nicht gemäß § 1112 ABGB erloschen sei, weil den Kläger die Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustands treffe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei nur der Titelakt verlesen wurde. Es war rechtlich der Meinung, daß der Bestandgeber darauf verzichten könne, die im § 1112 ABGB vorgesehenen Rechtsfolgen für sich in Anspruch zu nehmen, weil diese Bestimmung nur nachgiebiges Recht enthalte. Ein solcher Verzicht liege vor, wenn der Bestandgeber sich zur Wiederherstellung des Bestandobjekts verpflichte. Da den Kläger sogar eine durch Urteil festgestellte Wiederherstellungspflicht treffe, sei das Bestandverhältnis nicht beendet. Er sei vielmehr verpflichtet, alles zu unternehmen, um dem Beklagten den bedungenen Gebrauch zu ermöglichen. Die Anwendung des § 1112 ABGB sei ferner ausgeschlossen, wenn der Bestandnehmer - wie hier - zuerst veranlaßt wird, vorübergehend den Mietgegenstand zu räumen, um dadurch dem Hauseigentümer Gelegenheit zu einem Umbau zu geben. Überdies sei nach Einleitung eines Exekutionsverfahrens nur eine Oppositionsklage zulässig. Eine Feststellungsklage könne nur dann eingebracht werden, wenn ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ohne Rücksicht auf die Exekution bestehe. Dies habe der Kläger nicht behauptet.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die urteilsmäßig festgestellte Wiederherstellungsverpflichtung resultiere aus der vom Kläger bewußt vorgenommenen "Beseitigung" (gemeint offenbar: Veränderung) des Mietobjektes des Beklagten. Diese Wiederherstellungsverpflichtung könne nicht dadurch erlöschen, daß der Beklagte (gemeint wohl: Kläger) das Gebäude oder Gebäudeteile oder gar jene Baumaßnahmen, die das Mietobjekt des Klägers (gemeint wohl: Beklagten) vernichtet hätten, aufgrund eines baubehördlichen Auftrags beseitigen müsse. Es sei Sache eines hiezu privatrechtlich verpflichteten Grundeigentümers, einen konsensfähigen oder dem Baukonsens entsprechenden Bau herzustellen, wozu auch die Stellung geeigneter Anträge an die Verwaltungsbehörde gehöre. Der Abbruchsauftrag ändere daher an der Verpflichtung zur Wiederherstellung des Bestandobjektes nichts.

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem - gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Rechtsfrage, von der die Entscheidung abhängt, uneinheitlich ist. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom , 3 Ob 1140/93, ausgesprochen, daß die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 2 OGHG erfüllt sind, weshalb zur Entscheidung ein verstärkter Senat berufen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vertrat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein von der Verwaltungsbehörde erteilter Auftrag zum Abbruch des Gebäudes, in dem sich der Bestandgegenstand befindet, zum Untergang der Bestandsache und daher gemäß § 1112 ABGB zur Auflösung des Bestandvertrages führt (aus älterer Zeit MietSlg 7077-7079 mwN; aus jüngerer Zeit MietSlg Bd 37/32, Bd 34/31, 27.196/7). Er hat ferner die Meinung vertreten, daß das Gericht an einen rechtskräftigen Abbruchauftrag der Verwaltungsbehörde gebunden sei (EvBl 1983/76 = MietSlg Bd 34/31; SZ 45/56; SZ 41/83 = MietSlg 20.168/25) und den Abbruchbescheid nicht inhaltlich prüfen könne, wenn die Fehlerhaftigkeit nicht einen Nichtakt oder einen absolut nichtigen Verwaltungsakt zur Folge habe (EvBl 1983/76 = MietSlg Bd 34/31; MietSlg 27.072, 26.132 ua). Ferner wurde ausgesprochen, daß durch den mit dem Abbruchsbescheid - wenn auch nicht ausdrücklich - ausgesprochenen Widerruf der Benützungsbewilligung die Rechtslage gestaltet werde und der Richter die durch den gestaltenden Verwaltungsakt geschaffene (veränderte) Rechtslage grundsätzlich zur Grundlage seiner Entscheidung machen müsse (EvBl 1983/76 = MietSlg Bd 34/31 ua). In anderen Entscheidungen wurde darauf hingewiesen, daß den durch den rechtskräftigen Abbruchauftrag verhaltenen Hauseigentümer eine Verpflichtung öffentlichen Rechts treffe, der er ohne Rücksicht auf etwaige vertragliche Rechte des Bestandnehmers zu entsprechen habe (MietSlg 27.072, 23.203, 19.142 ua). Alle diese Hinweise wurden zur Begründung der eingangs wiedergegebenen Auffassung verwendet.

Im Schrifttum vertrat Pichler (in JBl 1965, 494 ff und JBl 1966, 553 ff) eine der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsprechende Meinung, die er im wesentlichen mit der Bindungswirkung des "Demolierungsbescheides" und mit § 356 ABGB begründete, dies mit dem Argument, daß die angeführte Bestimmung analog gelte, weil durch den "Demolierungsbescheid" bewiesen worden sei, daß die Sache dem Verwendungszweck entzogen und das Volleigentum des Bestandgebers gemäß der behördlichen Verfügung beschränkt sei. Klang (in Klang2 V 98) führt aus, daß man der Zerstörung des Bestandgegenstandes in der Wirkung auch eine behördliche Verfügung gleichstellen müsse, durch welche die Bestandsache dem Zweck, dem sie bisher diente, dauernd entzogen wird. Hauer (in ÖJZ 1966, 257 f) ist der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im wesentlichen mit dem Argument entgegengetreten, ein Räumungs- oder Abbruchauftrag könne von der Behörde gemäß § 68 Abs 2 AVG jederzeit behoben werden und sei deshalb der materiellen Rechtskraft nicht teilhaftig. Der Oberste Gerichtshof hat dieses Argument in den Entscheidungen SZ 41/83 = MietSlg 20.168/25 und MietSlg 21.205 mit der Begründung abgelehnt, daß der Eigentümer einer Liegenschaft, dem ein Abbruchauftrag rechtskräftig erteilt wurde, damit auch ein Recht erworben habe, davon Gebrauch zu machen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dem allerdings nicht angeschlossen und hat schon mehrfach ausgesprochen, daß unter "aus dem Bescheid erwachsen" im Sinn des § 68 Abs 2 AVG nur Rechte verstanden werden könnten, die Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruchs waren. Er führte aus, daß durch die Aufhebung rein pflichtenbegründender Verwaltungsakte, zu denen bau- und feuerpolizeiliche Vollzugsverfügungen gehören, durch welche der Behörde die Möglichkeit gegeben wird, den vom Gesetz gewollten Zustand erforderlichenfalls mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung herzustellen, der Verpflichtete nicht in einem subjektiven Recht, insbesondere auch nicht bei Anwendung des § 68 Abs 2 AVG, verletzt wird. Er hat daher in der Aufhebung von Bescheiden, mit denen dem Liegenschaftseigentümer ein bau- oder feuerpolizeilicher Auftrag erteilt wurde, keine Rechtswidrigkeit des Inhalts erblickt (VwSlg 9707/A; ZfVB 1979/1858; vgl auch VwSlg 6579/A; Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 658). Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung wurde die dargelegte Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs zuletzt auch von Würth (in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 1112) kritisiert. Binder (in Schwimann, ABGB Rz 7 ff zu § 1112 ABGB) gibt hingegen im wesentlichen bloß die dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommentarlos wieder, woraus zu schließen ist, daß er dagegen keine Einwände erhebt. Ähnliches gilt für Czech (in ImmZ 1966,183 f). Michlmayr (in ImmZ 1974, 343) scheint die Rechtsprechung zwar für richtig zu halten, sieht aber die damit verbundenen Rechtsfolgen als unbillig an.

Die bisherige Rechtsprechung führte auch zu einer Diskrepanz der Ansichten des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes. Während der Oberste Gerichtshof, wie dargestellt, die Bindung an rechtskräftige Abbruchaufträge der Verwaltungsbehörden grundsätzlich bejahte, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (ZfVB 1987/54, MietSlg 23.354, VwSlg 6949/A; VwSlg 6579/A mwN) die Ansicht, daß einem Mieter im Verfahren über die Erteilung baupolizeilicher Aufträge, also auch von Abbruchaufträgen, an den Eigentümer (Vermieter) keine Parteistellung zukommt. Obwohl der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Slg 4610/1963 aussprach, daß wegen der vom Gericht bejahten Bindung an baupolizeiliche Aufträge und der dadurch gemäß § 1112 ABGB bewirkten Auflösung des Bestandvertrages die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, daß durch solche Bescheide subjektive Rechte von Mietern verletzt werden könnten, blieb der Verwaltungsgerichtshof in derselben Sache (Slg 6579/A) bei seiner bisherigen Rechtsprechung mit der Begründung, daß an der Richtigkeit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes schon mehrfach Zweifel aufgetreten seien, und diese dem Verwaltungsgerichtshof nicht von vornherein unzutreffend erschienen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß ein baubehördlicher Räumungs- und Abtragungsauftrag ein Polizeibefehl sei, der nach § 68 Abs 2 AVG von der Behörde jederzeit aufgehoben werden könne. Auch der Eigentümer sei an diesen Auftrag nicht unter allen Umständen gebunden, er könne nämlich die Vollstreckung des Bescheides dadurch unzulässig machen (§ 10 Abs 2 lit a VVG), daß er die Baugebrechen, die für die Erteilung des Räumungs- und Abtragungsauftrages maßgebend gewesen seien - erforderlichenfalls nach Erwirkung einer Baubewilligung - beseitige. Es sei also nicht so, daß der rechtskräftige und vollstreckbare Räumungs- und Abtragungsauftrag unter allen Umständen zum physischen Untergang des Bestandobjektes führe.

Aus mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs läßt sich allerdings eine Auffassung ableiten, die von der in der bisher dargestellten Rechtsprechung vertretenen zum Teil abweicht. So hat er in der Entscheidung MietSlg 39.405 ausgeführt, daß es sich dann, wenn der Wegfall öffentlich-rechtlicher Benützungsgrundlagen dem körperlichen Untergang der Bestandsache gleichgestellt wird, nach herrschender - allerdings nicht näher bezeichneter - Rechtsprechung nicht um einen bloß vorübergehenden Entzug der baurechtlichen Benützungsbewilligung handeln dürfe. Der Schluß auf eine nicht bloß vorübergehende Aussetzung dieser Benützungsbewilligung durch den Räumungsauftrag sei solange nicht gerechtfertigt, wie rechtliche Möglichkeiten offenstehen, die Aufhebung oder den Widerruf des Räumungsauftrags zu erwirken, vor allem durch Behebung der zum Anlaß der baubehördlichen Sicherungsmaßnahme genommenen Baugebrechen. Entscheidend sei die Endgültigkeit der behördlichen Maßnahme, die als Entzug der Benützungsbewilligung gewertet wird. Diese Ansicht wurde in der Entscheidung SZ 63/137 wiederholt. Ähnlich ergibt sich aus der Entscheidung SZ 43/12 = MietSlg 22.158, daß ein Abbruchauftrag dann nicht den rechtlichen Untergang der Bestandsache bewirkt, wenn die Verwaltungsbehörde nicht von der dauernden Unbenützbarkeit, sondern vom Bestehen einer Instandsetzungsmöglichkeit ausgegangen ist. In der Entscheidung SZ 62/209 hat der Oberste Gerichtshof schließlich die Meinung vertreten, daß der Mietvertrag trotz Untergangs des Mietgegenstandes nicht aufgelöst werde, wenn eine Wiederherstellungspflicht besteht. Er hat sich dabei auf die Entscheidung ImmZ 1988, 312 = MietSlg 40.263 bezogen, in der (ähnlich wie schon früher in SZ 10/284) dieselbe Rechtsansicht vertreten wurde. Die beiden zuletzt genannten Entscheidungen betrafen allerdings den Fall, daß zur Wiederherstellung Leistungen aus einer bestehenden Versicherung zur Verfügung standen (vgl § 10 MG und nunmehr § 7 MRG).

Der erkennende Senat hat erwogen:

Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Meinung vertreten, daß der Auflösung des zwischen den Parteien geschlossenen Bestandvertrages die dem Kläger im Exekutionstitel auferlegte Wiederherstellungspflicht jedenfalls entgegenstehe. Diese Pflicht betrifft nur einen Teil des Bestandobjektes, während mit dem Bescheid, auf den sich der Kläger beruft, der Abbruch des gesamten Gebäudes angeordnet wurde, in dem sich der Bestandgegenstand befindet. Es kann also nur darauf ankommen, ob der Kläger zu der Herstellung oder Instandsetzung des Gebäudes in dem Umfang verpflichtet ist, der dem Abbruchauftrag die Grundlage entziehen würde. Eine solche Verpflichtung läßt sich aber aus dem den Exekutionstitel bildenden Urteil nicht entnehmen, was auch in der Revisionsbeantwortung des Beklagten verkannt wird. Aus demselben Grund ist ferner der Hinweis des Erstgerichtes auf die Entscheidung MietSlg 18.196 (= EvBl 1966/302) nicht zielführend, weil sie und die darin zitierte Entscheidung MietSlg 5.609 nicht den Fall betrafen, daß der Abbruch des gesamten Gebäudes angeordnet wurde. Die in diesen Entscheidungen vertretene Rechtsansicht, es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich der Vermieter, der den Mieter zuerst veranlaßt hat, vorübergehend einen Teil des Mietgegenstandes zu räumen, um dadurch dem Vermieter Gelegenheit zu geben, einen Umbau durchzuführen, später auf den Standpunkt stellen könnte, den Mietverrag nicht erfüllen zu müssen, hat aber mit der behördlichen Anordnung des Abbruchs des Gebäudes, in dem sich der Mietgegenstand befindet, nichts zu tun.

Das Erstgericht hat sich ferner zur Begründung seiner das Klagebegehren abweisenden Entscheidung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs berufen, wonach nach Einleitung der Exekution die Klage auf Feststellung des Erlöschens des dem Exekutionstitel zugrundeliegenden Anspruchs nicht mehr erhoben werden darf (MGA EO12 § 35/176). Der Kläger hat mit der Klage eine den betriebenen Anspruch aufhebende Tatsache, nämlich die Auflösung des Bestandvertrages wegen Unterganges der Bestandsache, geltend gemacht und im wesentlichen ein bei einer Oppositionsklage übliches Klagebegehren (vgl SZ 32/93; SZ 19/316 ua) gestellt, weshalb kein Grund besteht, die Klage nicht als Klage im Sinn des § 35 EO anzusehen. Diese Ansicht hat im übrigen schon das Gericht zweiter Instanz in dem Beschluß vertreten, mit dem der die Klage zurückweisende Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben wurde.

Ohne Bedeutung ist, daß nach dem Vorbringen des Klägers sein Ansuchen um Bewilligung der Wiederherstellung des früheren Zustands von der Baubehörde abgewiesen wurde. In diesem Punkt ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß es seine Sache ist, einen den Vorschriften der Bauordnung entsprechenden Antrag zu stellen. Die Abweisung durch die Baubehörde bewirkt aber noch nicht das Erlöschen seiner - hier überdies titelmäßig festgestellten - Verpflichtung.

Im Sinn der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist jedoch daran festzuhalten, daß ein Abbruchauftrag der Verwaltungsbehörde nur dann den Untergang der Bestandsache und damit die Auflösung des Bestandvertrages bewirkt, wenn er endgültig ist (vgl auch "dem Zwecke...dauernd entzogen" bei Klang in Klang2 V 98). Nur in einem solchen Fall kann von einem rechtlichen Untergang der Bestandsache ausgegangen werden, der ihrem tatsächlichen Untergang, der auch erst dann vorliegt, wenn das Bestandobjekt vollständig zugrundegegangen ist (Binder in Schwimann, ABGB Rz 3 zu § 1112 mwN), gleichgehalten werden muß. Endgültig ist ein Abbruchauftrag aber erst, wenn entweder die Baugebrechen, die zur Erlassung geführt haben, aus technischen Gründen nicht behoben werden können (vgl hiezu VwGH Slg 7789/A) oder wenn der Bestandgeber sie nicht behebt und hiezu auch nicht verpflichtet ist. Besteht hingegen eine Wiederherstellungsverpflichtung (§ 1096 ABGB), kann es nicht sachgerecht sein, den Bestandgeber hievon dadurch zu befreien, daß die Auflösung des Bestandvertrages angenommen wird. Die Tatsache allein, daß ein behördlicher Abbruchauftrag ergangen ist, zwingt dazu nicht, weil dieser Auftrag seine Wirksamkeit verliert, wenn der Bestandgeber den Zustand, der zur Erlassung des Abbruchauftrages führte, beseitigte. Er kann dann wegen Änderung des Sachverhalts nicht mehr vollstreckt (SZ 63/137; SZ 63/106; SZ 41/83 = MietSlg 20.168/25; Hauer in ÖJZ 1966, 258) und entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von der Behörde gemäß § 68 Abs 2 AVG sogar aufgehoben werden. Da allein schon die erforderlichenfalls mit baubehördlicher Bewilligung erfolgte Behebung der Baugebrechen, die Anlaß für den Abbruchauftrag waren, die Vollstreckung nach § 10 Abs 2 Z 1 VVG unzulässig macht (vgl SZ 63/106 mwN - auch Walter-Mayer haben sich in ihrer fünften Auflage des Verwaltungsverfahrens in Rz 995 dieser Ansicht nunmehr angeschlossen; ZfVB 1990/2431), verschlägt es nicht, daß ein Rechtsanspruch auf Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs 2 AVG nicht besteht (E 100 zu § 68 AVG in Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze). Soweit hiezu in den Entscheidungen SZ 43/12 = MietSlg 22.158/25 und MietSlg 21.205 ausgeführt wird, der angeführte Umstand ändere nichts daran, daß der Räumungs- und Abbruchauftrag den rechtlichen Untergang des Bestandobjekts und damit gemäß § 1112 ABGB auch das Erlöschen des Bestandvertrages bewirkt hatte, kann dem nicht gefolgt werden, weil, wie schon erwähnt, ein Räumungs- oder Abbruchauftrag, von dem nicht feststeht, ob er wirksam bleibt, nicht dem Untergang der Sache im Sinn des § 1112 ABGB gleichgestellt werden darf. Aus demselben Grund überzeugen auch die Argumente nicht, die sich auf die Bindungs- und Tatbestandswirkung der Bescheide der Verwaltungsehörden berufen. Diese Wirkung kann das Erlöschen des Bestandvertrages nur und erst zur Folge haben, wenn der Sachverhalt, aus dem sie sich ergibt, endgültig ist. Nur diese Auslegung der Bestimmung des § 1112 ABGB gewährleistet auch, daß Bestandnehmer, deren Sphäre durch den Auftrag berührt wird, in einem rechtlichen Verfahren zur Beurteilung der Frage Parteistellung haben, ob die Behebung von Baugebrechen dem Bestandgeber wirtschaftlich zumutbar ist.

Die Frage, ob der Bestandgeber zur Behebung der Baugebrechen verpflichtet ist, die den Anlaß für den Abbruchauftrag gebildet haben, ist im Anwendungsbereich des MRG aufgrund von dessen § 3, im Anwendungsbereich des WGG aufgrund von dessen § 14 a und sonst aufgrund des § 1096 ABGB zu lösen. Aus allen diesen Bestimmungen ist - mit den aus den jeweiligen Gesetzen hervorgehenden Besonderheiten -

die Verpflichtung zur Behebung der Baugebrechen abzuleiten. Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat, findet aber die Pflicht zur Erhaltung des Gebäudes, in dem das Bestandobjekt liegt, auch im Anwendungsbereich des MRG ihre Grenze an der Unwirtschaftlichkeit (SZ 62/209; MietSlg Bd 40/27, wobei in dieser Entscheidung allerdings von der - damals unstrittigen - Auflösung des Bestandvertrages infolge des Abbruchauftrags ausgegangen wurde; MietSlg 37.255/28 und 5 Ob 96/93 mit einer Ausnahme für privilegierte Erhaltungsarbeiten im Sinn des § 3 Abs 3 Z 2 MRG; zum vergleichbaren MG schon MietSlg 18.321/15, 7212/18 ua). Zu diesem Ergebnis kommt man für andere Fälle aufgrund des § 1447 ABGB, weil die dort geregelte Unmöglichkeit der Leistung auch dann besteht, wenn die Leistung unerschwinglich ist (SZ 54/90; SZ 44/77 = MietSlg 23.223/14; EvBl 1963/401 = ImmZ 1963, 367; SZ 26/194 ua). Es kann daher allgemein gesagt werden, daß, von besonderen, im Gesetz anders geregelten Fällen abgesehen, die Verpflichtung zur Behebung von Baugebrechen dann nicht besteht, wenn die Behebung unwirtschaftlich ist. Welche Bedeutung es im Hinblick auf § 1112 zweiter Satz erster Halbsatz ABGB hat, wenn den Bestandgeber ein Verschulden an der Entstehung der Baugebrechen trifft, ist hier mangels eines entsprechenden Parteienvorbringens nicht zu entscheiden.

Die Frage, ob die Behebung der Baugebrechen unwirtschaftlich ist, haben die Gerichte selbständig und ohne Bindung an die Bescheide der Verwaltungsbehörden zu lösen. Die Lösung dieser Frage fällt in den Bereich der rechtlichen Beurteilung. Die Bindung an die Bescheide der Verwaltungsbehörde umfaßt aber nicht die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage (VwGH Slg 5332/A; Antoniolli-Koja, Verwaltungsrecht2 539). Daß in diesem Punkt eine Bindung an die Bescheide der Verwaltungsbehörden nicht bestehen kann, ergibt sich aus der Überlegung, daß die Kriterien für die Unwirtschaftlichkeit der Behebung eines Baugebrechens, welche die Anordnung des Abbruchs der Baulichkeit rechtfertigen, verschieden von jenen sein können, die für die Verpflichtung zur Behebung der Baugebrechen nach bürgerlichem Recht maßgebend sind. So hat etwa der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung MietSlg 37.255/28 unter Hinweis auf Vorentscheidungen die Grenzen für die Pflicht des Vermieters zur "ordnungsgemäßen Erhaltung" des Bestandgegenstandes dort gezogen, wo Arbeiten für sich allein oder im Zusammenhalt mit weiteren zur Vermeidung des Verfalls des Hauses noch erforderlichen Reparaturen zu einer Mietzinserhöhung führen würden, welche die Mietgegenstände unter Berücksichtigung der Lage und Beschaffenheit des Gebäudes sowie des Angebots und der Nachfrage auf dem Markt unvermietbar machen. Dieser Umstand kann aber mangels vergleichbarer gesetzlicher Regelung bei der Lösung der Frage, ob der Abbruch der Baulichkeit angeordnet werden muß, weil die Behebung der Baugebrechen unwirtschaftlich ist, nicht ausschlaggebend sein.

Zusammenfassend ist der erkennende Senat der Meinung, daß die von der Verwaltungsbehörde wegen Baugebrechen verfügte Anordnung des Abbruchs der Baulichkeit, die Bestandgegenstand ist oder in der sich der Bestandgegenstand befindet, nur und erst dann gemäß § 1112 ABGB die Auflösung des Bestandvertrages bewirkt, wenn feststeht, daß die Baugebrechen nicht beseitigt werden können oder vom Bestandgeber nicht beseitigt werden müssen. Soweit sich aus früheren Entscheidungen eine andere Auffassung ergibt, wird sie nicht aufrecht erhalten.

Da die dargelegte Rechtsansicht bisher offensichtlich von den Parteien, aber auch von den Vorinstanzen nicht bedacht wurde, mußten deren Entscheidungen zum Zweck der Erörterung mit den Parteien aufgehoben werden (JBl 1988, 730; SZ 50/35; EvBl 1993/50 ua).

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.