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OGH vom 24.09.1968, 4Ob47/68

OGH vom 24.09.1968, 4Ob47/68

Norm

ABGB § 1393;

ABGB § 1448;

Angestelltengesetz § 17;

Angestelltengesetz § 17a;

Arbeiterurlaubsgesetz § 7;

Kopf

SZ 41/115

Spruch

Der Urlaubsanspruch in natura ist höchstpersönlich; der Geldanspruch auf Urlaubsentschädigung hingegen ist übertragbar und vererblich.

Entscheidung vom , 4 Ob 47/68.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Hermann R. war seit Angestellter der beklagten Partei. Er ist am verstorben. In der vorliegenden, von der Verlassenschaft nach Hermann R. überreichten Klage wird vorgebracht, es sei vereinbart gewesen, daß Hermann R. im Frühjahr 1967 einen Resturlaub von 12 Werktagen aus dem Dienstjahr 1965/1966 konsumieren solle. Da Hermann R. jedoch im Dezember 1966 erkrankt und das Dienstverhältnis wegen Überschreitung der Krankheitsdauer gemäß den §§ 8, 9 AngG. mit aufgelöst worden sei, habe Hermann R. die 12 Tage Resturlaub aus dem Dienstjahr 1965/1966, aber auch den Urlaub für die Dienstjahre 1966/1967 und 1967/1968 im Ausmaß von je 30 Werktagen unverschuldet nicht konsumieren können. Der Verstorbene habe wiederholt von der Beklagten die Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubes, aber ohne Erfolg, begehrt. Die Verlassenschaft verlange daher von der Beklagten die Bezahlung der gebührenden Urlaubsentschädigung für 72 Werktage, die sich auf Grund des zuletzt bezogenen Gehaltes des Verstorbenen von monatlich 4100 S zuzüglich anteiliger Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe mit dem Betrage von 12.971.52 S errechne, der ab dem Klagstage mit 4% zu verzinsen sei. Die beklagte Partei wendete ein, der Anspruch auf Urlaubsentschädigung sei höchstpersönlicher Natur und nicht vererblich, auch habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, den Resturlaub aus dem Dienstjahr 1956/1966 zu konsumieren. Er habe sich geweigert, diesen Urlaub anzutreten und daher den Urlaubsanspruch verwirkt. Eine anteilige Weihnachts- und Urlaubsremuneration gebühre dem Kläger bei der Urlaubsentschädigung umsoweniger, als der Kläger in den Jahren 1965, 1966 und 1967 die Sonderzahlungen bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses erhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Der Urlaubsanspruch sei ein höchstpersönliches Recht des Dienstnehmers. Das gleiche gelte für den Anspruch auf Urlaubsentschädigung. Höchstpersönliche Ansprüche aber seien unvererblich und fielen nicht in die Verlassenschaft.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde von der klagenden Partei mit Berufung bekämpft. Im Berufungsverfahren wurde das Klagebegehren um den Betrag von 3242.88 S auf 16.214.40 S samt Nebengebühren ausgedehnt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung unter Bedachtnahme auf die im Berufungsverfahren vorgenommene Ausdehnung des Klagebegehrens nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Sache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beim Urlaubsanspruch handelt es sich für den Dienstnehmer um einen Anspruch auf Freizeit unter Fortbezug des Entgeltes. Soweit es sich dabei um den primär in Betracht kommenden Anspruch auf bezahlte Freizeitgewährung, also den Urlaubsanspruch in natura handelt, kann dieser Anspruch nur in der Person des Berechtigten erfüllt werden, weil er das bestimmte Dienstverhältnis betrifft und seinem Wesen nach nur von dem bestimmten Dienstnehmer, nicht aber von einer beliebigen anderen Person ausgeübt werden kann. Gerade diese faktische Unmöglichkeit meint das Gesetz, wenn es von Rechten spricht, die "in bloß persönlichen Verhältnissen gegrundet sind" (§ 531 ABGB.) oder "der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen" (§ 1393 ABGB.) oder "auf die Person eingeschränkt sind" (§ 1448 ABGB.). Der Naturalanspruch auf Urlaub kann in diesem Sinn als höchstpersönliches, weil von einer dritten Person unmöglich auszuübendes Recht angesehen werden (ähnlich Weiß in Klang[2] III 30). Der Naturalanspruch auf Urlaub ist daher nicht vererblich (§ 531 ABGB.).

Der Naturalanspruch auf Gewährung des Urlaubes wandelt sich aber bei

Unmöglichwerden der Erfüllung dann, wenn den Dienstnehmer daran kein

Verschulden trifft, in einen Geldanspruch auf Urlaubsentschädigung

um (4 Ob 52/65 = SZ. XXXVIII 67 = EvBl. 1965 Nr. 388 = JBl. 1966 S.

156 = ZAS. 1966 S. 57 = ArbSlg. 8080 SOZ I Ac S. 131 = Ind. 1966

Folge 4/5 S. 5; die Grundsätzlichkeit dieser Entscheidung wird von Hoppel, ZAS. 1966 S. 59, zu Unrecht angezweifelt).

Die Erkrankung des Klägers hat nach der Behauptung der klagenden Partei bewirkt, daß der Naturalanspruch auf Urlaub ohne Verschulden des Dienstnehmers von ihm nicht mehr ausgeübt werden konnte. Sollte diese Behauptung richtig sein, hätte sich der Naturalanspruch des Klägers in einen Geldanspruch verwandelt.

Das Berufungsgericht leitet seine Auffassung vom höchstpersönlichen Charakter auch der Urlaubsentschädigung im wesentlichen aus dem Zweck des Urlaubes, der Erholung des Dienstnehmers zu dienen, ab. Die Abgeltung des Urlaubes solle dem Dienstnehmer zumindest die Möglichkeit geben, sich Freizeit zu verschaffen. Eine Trennung der vermögensrechtlichen Komponente vom Anspruch auf Freizeitgewährung sei nicht denkbar, der Anspruch auf Urlaubsentschädigung könne daher in der Frage, ob er höchstpersönlich und daher unvererblich sei, seiner rechtlichen Struktur nach nicht anders als der Naturalanspruch auf Urlaubsgewährung beurteilt werden.

Diese - dem Standpunkt von Weiß, a. a. O. S. 30, entgegenstehenden - Ausführungen finden zwar - aber nach deutschem Recht - ihre Stütze bei Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des deutschen Arbeitsrechts[7] I S. 455 f., und bei Nikisch, Arbeitsrecht[3] I S. 552. Auch in der zur Frage der Vererblichkeit der Urlaubsabfindung nach § 7 ArbUrlG.

ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 159/52 = SZ.

XXV 297 = ArbSlg. 5557 ist (in der amtl. Slg. S. 756 Abs. 2) in

einem Nebensatz zum Ausdruck gebracht worden, daß ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach dem Angestelltengesetz höchstpersönlicher Natur sei, was aber nicht näher begrundet worden ist, in jenem Rechtsstreit rechtlich auch nicht von Bedeutung war. Es darf aber nicht übersehen werden, daß nach österreichischem Recht die Höchstpersönlichkeit eines Anspruchs wegfällt, wenn an seine Stelle ein bloßer Geldanspruch tritt, der auch nach seiner Höhe und Widmung von der Person des ursprünglich Berechtigten unabhängig ist. Ein solcher Geldanspruch kann von jedem beliebigen Dritten ausgeübt werden, da der persönliche Zuschnitt der Forderung weggefallen ist.

Hier handelt es sich um den als Entgelt anzusehenden Anspruch auf Urlaubsentschädigung in Geld, die der ursprünglich Berechtigte ohneweiters zu beliebigen Zwecken hätte verwenden können, da eine Verpflichtung, die Urlaubsentschädigung gerade nur zu Erholungszwecken zu benützen, nicht angenommen werden kann. Die Zweckbestimmung des betreffenden Entgeltsanspruchs spielt dann keine Rolle mehr. Trotz des angenommenen Zweckes einzelner Entgeltsansprüche (Abfertigung, Überstundenentlohnung usw.) wird nicht bezweifelt, daß solche auf Zahlung von Geld gerichtete Ansprüche nicht höchstpersönlicher Natur sind, sondern von Rechtsnachfolgern geltend gemacht werden können.