OGH vom 18.10.1990, 6Ob622/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef W***, Kraftfahrer, Hub Nr 5, 5251 Höhnhart, vertreten durch Dr.Manfred Denkmayr, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wider die beklagte Partei Katharina W***, Pensionistin, Hub Nr 5, 5251 Höhnhart, vertreten durch Dr.Hans Estermann, Dr.Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen einer Million Schilling infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ 5 R 51/90-12, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 3 Cg 366/89-9, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittels sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Georg W***, der Vater des Klägers und Ehemann der Beklagten, ist am unter Hinterlassung eines mit seiner Gattin errichteten wechselseitigen Testamentes vom verstorben. In diesem hatten Georg und Katharina W*** einander gegenseitig zu Erben eingesetzt und ihren Sohn Josef W***, den Kläger, enterbt. Dieser erklärte in der Verlassenschaftsabhandlung, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen, ohne diese aber zu beziffern. Er stellte auch keinen Antrag auf Inventierung und Schätzung des Nachlasses. Ein Antrag auf Feststellung der Erbhofeigenschaft der erblasserischen Landwirtschaft oder auf Bestimmung eines Übernahmspreises wurde im Verlassenschaftsverfahren von keiner der beteiligten Parteien gestellt.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mauerkirchen vom , A 93/89-5, wurde die von der erblasserischen Witwe Katharina W*** aus dem Titel des Testamentes zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen, das eidesstättige Vermögensbekenntnis mit einer rechnerischen Nachlaßüberschuldung von S 440.674,68 der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegt, die Einantwortungsurkunde, nach welcher der Beklagten der gesamte Nachlaß eingeantwortet wurde, erlassen und die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt. Dieser Beschluß wurde beiden Streitteilen zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren von der Beklagten die Leistung seines mit einer Million Schilling bezifferten Pflichtteiles. Er behauptet, das landwirtschaftliche Anwesen, dessen Hälfteeigentümer sein Vater gemeinsam mit der Beklagten gewesen sei, habe einen Verkehrswert von zumindest sechs Millionen Schilling. Die Beklagte wandte unter anderem ein, auf den gegenständlichen Nachlaß habe das Anerbengesetz Anwendung zu finden, für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches sei daher nicht der Verkehrswert sondern der Übernahmspreis zugrundezulegen. Mit Beschluß vom unterbrach das Erstgericht das Verfahren gemäß § 190 ZPO bis zur Feststellung der Erbhofeigenschaft und bejahendenfalls bis zur Festsetzung des Übernahmspreises durch das zuständige Verlassenschaftsgericht. Es führte aus, durch das Anerbengesetz sei die Entscheidung, ob ein in die Verlassenschaft fallendes Vermögen als Erbhof anzusehen sei und die Zuständigkeit für die Bestimmung des Übernahmspreises zwingend in allen Fällen, insbesondere auch für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche dem Verlassenschaftsgericht übertragen. Die Unterbrechung des Verfahrens zur Klärung dieser Vorfragen sei zwingend anzuordnen, die Streitteile hätten durch entsprechende Anträge beim Verlassenschaftsgericht eine Entscheidung über diese Vorfragen herbeizuführen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, behob den Beschluß des Erstgerichtes, trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus:
Die rechtskräftige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Bestimmung des Überanhmspreises nach § 11 AnerbenG sei für alle Verfahrensbeteiligten, auch für den Pflichtteilsberechtigten, über das Verlassenschaftsverfahren hinaus bindend. Die Feststellung der Erbhofeigenschaft und die Festsetzung des Übernahmspreises habe im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen. Wenn auch nach der Rechtsprechung die Unterbrechung in einem solchen Fall zwingend sei, und für das Ermessen des Gerichtes kein Raum bleibe, so setze die Unterbrechung nach § 190 Abs 1 ZPO doch voraus, daß die präjudiziellen Fragen Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens seien. Im vorliegenden Fall sei durch die rechtskräftige Einantwortung das Abhandlungsverfahren beendet, das Abhandlungsgericht könne nicht mehr befaßt werden.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil das Rekursverbot des § 192 Abs 2 ZPO hier nicht gelte und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in einem vergleichbaren Sachverhalt nicht bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist zwar aus den zutreffenden Gründen des Rekursgerichtes zulässig, aber nicht berechtigt.
Richtig hat das Rekursgericht ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Feststellung der Erbhofeigenschaft ebenso wie die Festsetzung eines Übernahmspreises im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen hat und daß ein Prozeß auf Pflichtteilsauszahlung oder Pflichtteilsergänzung bis zur Klärung der Erbhofeigenschaft und Festsetzung des Übernahmspreises durch das Verlassenschaftsgericht unterbrochen werden muß (SZ 40/98; EvBl 1970/281; SZ 52/194). Obwohl das Anerbengesetz einen solchen ausdrücklichen Befehl nicht enthält, überträgt es doch die Zuständigkeit für die Entscheidung der Frage, ob ein in die Verlassenschaft gehöriges Vermögen als Erbhof anzusehen und danach zu verfahren ist, dem Verlassenschaftsgericht. Der Zweck der ziwngend vorzunehmenden Unterbrechung des streitigen Verfahrens bis zur Entscheidung des Verlassenschaftsverfahrens ist es, zu vermeiden, daß der Verlassenschaftsrichter die Erbhofeigenschaft bejahen, der Streitrichter sie dessen ungeachtet verneinen könnte oder letzterer zunächst zur Ansicht käme, ein Erbhof liege nicht vor, der Verlassenschaftsrichter dann aber doch die Erbhofeigenschaft bejahte.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte allein zur Erbin berufen, es wurde im Verlassenschaftsverfahren auch von keinem der Beteiligten ein Antrag auf Feststellung der Erbhofeigenschaft und der Festsetzung des Übernahmspreises gestellt. Mit der rechtskräftigen Einantwortung eines Nachlasses wird das Abhandlungsverfahren beendet. Damit hat das Abhandlungsgericht keine Möglichkeit mehr, sich mit der Verlassenschafsangelegenheit des Erblassers zu befassen. Alle Rechtsmittel, aber auch jede Antragstellung, die nur im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung, also beim Abhandlungsgericht beantragt werden können, sind ausgeschlossen (EvBl 1970/184 mwN). Für ein Tätigwerden des Abhandlungsgerichtes nach rechtskräftiger Einantwortung bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, wie sie etwa die §§ 179 und 180 AußStrG oder § 18 AnerbenG enthalten. Gerade weil § 18 AnerbenG eine detaillierte Regelung enthält, wie in bestimmten Fällen und Fristen eine Korrektur des seinerzeitigen Übernahmspreises vorzunehmen ist, kommt die Annahme einer gesetzlich nicht geregelten weiteren Zuständigkeit des Abhandlungsgerichtes nicht in Betracht. Nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens ist auch eine divergierende Beurteilung der Erbhofeigenschaft und/oder der Höhe des Übernahmspreises nicht mehr möglich.
Auch in jenen Fällen, in denen ausnahmsweise eine Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung eines Außerstreitverfahrens geboten ist, ist entsprechend der Bestimmung des § 190 ZPO Voraussetzung, daß ein solches Verfahren anhängig ist (vgl MietSlg 37.047 = 37.807/14). Ein weiterer Unterbrechungstatbestand bedürfte einer besonderen gesetzlichen Regelung, wie sie etwa im § 11 AHG erfolgte.
Sollte daher entgegen den Behauptungen der beklagten Partei kein Enterbungsgrund vorgelegen sein, wird das Erstgericht zur Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruches des Klägers die Vorfrage, ob in die Verlassenschaft gehöriges Vermögen als Erbhof anzusehen ist und bejahendenfalls die Bestimmung des Übernahmspreises selbständig zu lösen haben.
Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.