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OGH vom 20.03.2007, 4Ob47/07a

OGH vom 20.03.2007, 4Ob47/07a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R***** B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 26.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 51/06a-63, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 36/04x-59, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht verbot der Beklagten, in ihrer Werbung in Österreich, insbesondere in Werbezusendungen, die sie in Österreich zur Verteilung bringt und/oder auf Websites, die in deutscher Sprache verfasst und in Österreich aufrufbar sind, zu behaupten, die von ihr vertriebenen Präparate, etwa „Dr. Raths Zellular-Medizin-Formulas", könnten schwerste Erkrankungen wie insbesondere Krebs heilen und/oder ihnen vorbeugen, wenn diese Behauptungen wissenschaftlich nicht erwiesen sind und darauf nicht in eindeutiger und unmissverständlicher Weise hingewiesen wird.

1) Die Beklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Berufungsgericht habe mit der Veränderung des Unterlassungsgebots dem klägerischen Begehren im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 405 ZPO einen anderen sachlichen Inhalt gegeben und aktenwidrig ohne entsprechende Feststellungsgrundlage „Behauptungen" unterstellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob durch eine Neuformulierung des Spruches nur eine Verdeutlichung vorgenommen oder das Begehren unter Berücksichtigung des dazu erstatteten Vorbringens in unzulässiger Weise überschritten wird, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sondern betrifft ausschließlich den Einzelfall (stRsp, RIS-Justiz RS0041192). Im Hinblick auf die festgestellte Beigabe von Faltblättern etc zu den von der Beklagten vertriebenen Nahrungsergänzungsmitteln mit eindeutig gesundheitsbezogenen Ankündigungen wie „Bedeutung für die Vorbeugung und unterstützende Behandlung von Durchblutungsstörungen, Bluthochdruckkrankheiten, Herz-Kreislaufproblemen, Diabetes, Osteoporose etc, Stärkung der Immunabwehr" liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung vor, wenn das Berufungsgericht von „Behauptungen" der Beklagten ausgeht.

2) Ebensowenig über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung kommt der Frage zu, ob das vom Berufungsgericht erlassene Unterlassungsgebot im konkreten Fall einerseits ausreichend bestimmt (als Exekutionstitel tauglich iSd § 7 Abs 1 EO) und/oder nicht zu weit gefasst (vom materiellrechtlichen Anspruch gedeckt) ist (RIS-Justiz RS0037671, RS0037734). In beiderlei Hinsicht liegt gleichfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung vor.

3) Da die vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen (auch) auf von der Beklagten versandten Faltblättern (Beilagen zu ihren nach Österreich gelieferten Produkten) zu lesen waren, stellen sich die aufgeworfenen Fragen der Unternehmerhaftung nach § 18 UWG in Ansehung von Werbeaussagen von Schwesterunternehmen/Stiftungen nicht.

4) Zur ausdrücklichen räumlichen Beschränkung von Werbeaussagen im Internet (Disclaimer) sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass in Anerkennung des Bedürfnisses nach Gestaltungsmöglichkeiten, Werbung und Angebot auf bestimmte Staaten zu beschränken, der Hinweis auf einer Website, dass das Angebot nur für bestimmte Märkte gelte, ein zusätzliches Indiz dafür sei, auf welche Märkte ein Angebot ausgerichtet sei; es dürfe aber weder durch den sonstigen Inhalt der Website noch durch das tatsächliche Verhalten des werbenden Unternehmens widerlegt sein (4 Ob 174/02w = SZ 2002/134 = Öbl 2003, 31 - BOSS-Zigaretten IV mwN). Ungeachtet der Erklärung, die beanstandete Ware nur in bestimmten Ländern zu vertreiben, lieferte die dort Beklagte auch nach Österreich, weshalb sie mit ihrem tatsächlichen Verhalten den Inhalt des Disclaimers widerlegte. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die verbliebenen Links zu (von derselben Unternehmensgruppe gestalteten) Internetseiten mit (nach wie vor) unlauterem Inhalt neben der Einrichtung einer Website für Österreich (.at) und Belieferung des österreichischen Markts nehme dem Disclaimer auf der ursprünglich beanstandeten Website die einschränkende Wirkung (nicht an Benutzer in Österreich gerichtet, keine Übernahme der Inhalte verlinkter Websites), bildet daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5) Der Oberste Gerichtshof hielt bereits fest, dass auch das in § 20 ECG verankerte (in Umsetzung der E-commerce Richtlinie 2003/31/EG erlassene) Herkunftslandprinzip der Anwendung österreichischen Wettbewerbsrecht auf an österreichische Verbraucher gerichtete Online-Werbung nicht entgegensteht. Zwar ist Online-Werbung ausdrücklich in der Aufzählung des § 3 Z 1 ECG enthalten (Dienste der Informationsgesellschaft). Unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes besteht aber im Rahmen des § 22 Z 5 ECG eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip auch im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Sachverhalten (hier: irreführender Werbung), weshalb eine Irreführung inländischer Verbraucher im Rahmen von dem ECG unterliegenden Sachverhalten nach § 2 UWG zu beurteilen ist (4 Ob 234/03w = Öbl 2004, 269 - Wiener Werkstätten III mwN; vgl 4 Ob 62/06f). Ob das geschützte Allgemeininteresse (hier der Schutz vor irreführenden „Gesundheitsangaben" bei Nahrungsergänzungsmitteln) durch den Diensteanbieter ernstlich und schwerwiegend gefährdet wird und die Maßnahme (Werbeverbot) in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen steht, also erforderlich und verhältnismäßig ist (§ 22 Abs 1 ECG), muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Im Hinblick auf den hohen Wert des zu schützenden Guts bildet die der Berufungsentscheidung zugrundeliegende Rechtsauffassung keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

6) Das Vorbringen der Beklagten, das Berufungsgericht habe sich im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum „Wegfall der Wiederholungsgefahr" nach Anbot eines Unterlassungsvergleichs, mit dem der Kläger alles erreiche, was er mit einem klagestattgebenden Urteil erreichen könne (RIS-Justiz RS0079692, RS0079921), gesetzt, übersieht, dass die Beklagte lediglich eine eigene Urteilsveröffentlichung im Internet (anstelle der nicht zu beanstandenden Veröffentlichungsermächtigung in einer bundesweit erscheinenden Tageszeitung) angeboten hat. Der von der Rechtsprechung für die Annahme, der wegen eines Wettbewerbsverstoßes Belangte habe seine Willensrichtung geändert, verlangte umfassende Unterlassungsvergleich wurde daher nicht angeboten. Auch in Ansehung des sonstigen Prozessverhaltens der Beklagten (fortgesetzte Bestreitung der Unlauterkeit des ihr angelasteten Werbeverhaltens) ist daher kein Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu erkennen.

7) Allein die Beigabe von Faltblättern mit unlauterem Inhalt zu an einen unbestimmten Personenkreis in Österreich gelieferten Produkten rechtfertigt das Veröffentlichungsbegehren im zugesprochenen Umfang (Samstagsausgabe einer österreichweit erscheinenden Tageszeitung). Die aufgeworfene Frage nach dem Umfang des berechtigten Veröffentlichungsbegehrens im Fall der Unternehmerhaftung nach § 18 UWG bzw der Beteilung Dritter stellt sich daher nicht. Im übrigen bildet die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falles zur Aufklärung des Publikums geboten ist, - von einer groben, hier nicht vorliegenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 37/04a).

Da die Beklagte sohin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihre Revision zurückzuweisen.