OGH vom 20.10.1994, 6Ob617/94

OGH vom 20.10.1994, 6Ob617/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine Z*****, bisher vertreten durch Dr.Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Johann Z*****, vertreten durch Karl F.Engelhart und Dr.Nikolaus Reininger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Besitzstörung, Unterlassung und Herausgabe (Teilstreitwert 50.000 S), infolge des Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den zum Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom , GZ 10 C 62/93-14, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , AZ 47 R 2086/94(ON 24), den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Aufhebungsbeschluß derart abgeändert, daß der erstinstanzliche Zurückweisungsbeschluß ersatzlos aufgehoben und dem Prozeßgericht erster Instanz aufgetragen wird, das Verfahren über das Begehren zu den Punkten 1 und 2 der Klage idF des Schriftsatzes ON 12 einerseits und jenes über das Begehren zu Punkt 3 der Klage zu trennen und die getrennten Verfahren unabhängig voneinander weiterzuführen.

Die bisherigen Verfahrenskosten, einschließlich jener des Rechtsmittelverfahrens, sind anteilig - im Verhältnis der Kostenbemessungsgrundlagen - Kosten der getrennten Verfahren.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind miteinander verheiratet. Über Klage des Mannes ist ein Scheidungsverfahren anhängig.

Die Frau brachte gegen ihren Ehemann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel die gemeinsam benützte Ehewohnung liegt, eine Klage mit einem in drei Punkte gegliederten Urteilsbegehren, einem in drei Abschnitte gegliederten Vorbringen und einer dreigliedrigen Angabe des Streitgegenstandes und seiner Teilbewertung im sogenannten Rubrum ein.

Nach Punkt 1 des Klagebegehrens soll der Beklagte verpflichtet werden,

"der Klägerin alle zum ungehinderten Gebrauch des in der gemeinsamen ehelichen Wohnung fest installierten Tresors nötigen Schlüssel für die gegenwärtig den Tresor schließenden Schlösser zu übergeben und der Klägerin den ungestörten Mitbesitz des Tresors dadurch wiederherzustellen, daß er deren unbehinderten Gebrauch des Tresors wieder ermöglicht".

Dazu führte die Klägerin in einem mit dem Wort "Besitzstörung" überschriebenen Absatz (II/a) der Klagsschrift aus, die Streitteile bewohnten die im ersten Stock eines im Eigentum des Mannes stehenden Mehrfamilienhauses gelegene Wohnung als Ehewohnung gemeinsam; den in dieser Wohnung eingebauten Tresor hätte jeder der beiden Streitteile zur Aufbewahrung seiner Wertgegenstände benützt, die Klägerin zur Aufbewahrung verschiedener - im Zusammenhang mit dem Herausgabebegehren aufgezählter und beschriebener - Schmuckstücke. Der Beklagte habe ohne Absprache mit der Klägerin die Sperrvorrichtung des Tresors geändert, ohne der Klägerin Schlüssel zur gegenwärtig bestehenden Sperrvorrichtung zur Verfügung zu stellen; selbst im Fall der Behändigung der im Tresor verwahrt gewesenen Schmuckstücke bliebe die Klägerin durch die unrechtmäßige, ausdrücklich als Besitzstörung bezeichnete Vorgangsweise des Beklagten geschädigt, solange ihr die Tresorbenützung verwehrt bleibe.

Nach dem zweiten Punkt des Klagebegehrens soll der Beklagte verpflichtet werden,

"neue Veränderungen am Tresor, insbesondere neuerliche Änderungen eines Tresorschlosses zu unterlassen und jede Behinderung ihres unbehinderten Zutrittes zur Wohnung und insbesondere zu dem Raum, in dem sich der Tresor befindet, zu unterlassen".

Dazu führte die Klägerin in ihrer Klagsschrift in einem gesonderten Abschnitt (II/b) aus, aufgrund des in dem mit dem Wort "Besitzstörung" überschriebenen Abschnitt dargelegten Sachverhaltes sei der Beklagte zur Unterlassung jedweder künftigen Behinderung des Zugangs der Klägerin zum Tresor und dessen Gebrauches verpflichtet.

Nach dem Punkt 3 des Klagebegehrens soll der Beklagte zur Ausfolgung der in der Klagserzählung aufgelisteten Schmuckstücke an die Klägerin oder zu Handen ihres Prozeßbevollmächtigten verpflichtet werden.

Dazu führte die Klägerin in einem gesonderten Abschnitt der Klagserzählung (II/c) aus, sie habe im Tresor (vor der Änderung seiner Schließvorrichtungen) die aufgelisteten Schmuckstücke verwahrt gehabt, über deren gegenwärtigen Verbleib sie nichts wisse; der Beklagte habe diese Schmuckstücke, die die Klägerin in einem späteren Verfahrensstadium ausdrücklich als ihr Eigentum bezeichnete, durch die geschilderte Vorgangsweise in seine alleinige Verfügungsgewalt genommen; er sei (als Inhaber) zu deren Herausgabe an die Klägerin (als Eigentümerin) verpflichtet.

Den Verfahrensgegenstand gab die Klägerin im sogenannten Rubrum der Klage unter Angabe folgender Bewertungen an:

"Wegen Besitzstörung Streitwert S 10.000

wegen Unterlassung Streitwert S 10.000

und wegen Herausgabe Streitwert S 50.000

Gesamtstreitwert S 60.000"

Nachdem der Beklagte die Unzulässigkeit einer Anspruchshäufung vorgebracht und aus diesem Grund die Zurückweisung der Klage, hilfsweise deren Verbesserung durch die Klägerin beantragt hatte, bezeichnete die Klägerin selbst ihr Begehren zu den beiden ersten Punkten als bloß zweiteiliges Besitzstörungsbegehren und erweiterte es durch folgenden Satz:

"Die beklagte Partei hat den ruhigen Besitz der klagenden Partei an dem in der Ehewohnung...befindlichen Tresor gestört, indem er das Schloß zu diesem Tresor wechselte und die beklagte Partei von ihrem Besitz nicht nur an dem Tresor, sondern auch an den darin befindlichen Fahrnissen, insbesondere diversen Schmuckstücken, ausschloß."

Die Prozeßrichterin brachte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom die Frage der Anspruchshäufung zur Erörterung. Nach dem Inhalt der Verhandlungsniederschrift wurde "festgestellt", daß mit den ersten beiden Punkten des Klagebegehrens und dem zugehörigen Klagsvorbringen eine Besitzstörung, mit dem Punkt 3 des Klagebegehrens und dem zugehörigen Klagsvorbringen aber ein Herausgabeanspruch geltend gemacht werde.

Hierauf verkündete die Prozeßrichterin den Beschluß auf Zurückweisung des zu Punkt 3 der Klage gestellten Begehrens wegen Vorliegens einer nach § 227 ZPO unzulässigen Anspruchshäufung.

In teilweise Stattgebung eines von der Klägerin gegen die teilweise Klagszurückweisung erhobenen Rekurses faßte das Rekursgericht einen Aufhebungsbeschluß; dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Das Rekursgericht teilte zwar die erstrichterliche Beurteilung, daß das zu Punkt 3 des Urteilsantrages gestellte Herausgabebegehren über ein bloßes Begehren auf Wiederherstellung des nach der (ursprünglichen) Klage als gestört bezeichneten Besitzes (an der Tresormitbenützung) hinausgehe und deshalb eine nach § 227 Abs 1 ZPO wegen der Verschiedenheit der vorgesehenen Verfahrensart unzulässige Anspruchshäufung vorliege. Das Rekursgericht befand aber das Verfahren zur Entscheidung über die Folgen dieser unzulässigen Klagenhäufung noch als ergänzungsbedürftig. Es erachtete weder eine Trennung der Verhandlung über die unzulässigerweise in ein und derselben Klage geltend gemachten Ansprüche, wie dies in SZ 2/134 als richtig dargestellt wurde, noch einen Ausschluß der Verbesserungsmöglichkeit, wie dies der Lehrmeinung von Fasching Komm II, 556 und III, 43 entspräche, als gesetzeskonforme Lösung der sich aus einer wegen Verschiedenheit der vorgesehenen Verfahrensart unzulässigen Verbindung mehrerer Ansprüche in einer Klage, über die bereits verhandelt wurde, ergebenden Verfahrensfragen. Es erachtete im vorliegenden Fall eine Verfahrensergänzung für notwendig und trug dem Prozeßgericht erster Instanz die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf, in dessen Zug mit der Klägerin vorab zu klären wäre, wie sie ihre Klage verstanden wissen wolle, als reine Besitzstörung unter Entfall des Herausgabebegehrens oder als Verbindung von Besitzstörungsbegehren mit einem petitorischen Herausgabebegehren, die getrennt werden müßten, weil das Herausgabebegehren nicht als Teil des Besitzstörungsanspruches gewertet werden könne; im Falle des Scheiterns der gebotenen Verbesserung müßte allerdings die gesamte Klage zurückgewiesen werden.

Der Beklagte ficht den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen qualifiziert unrichtiger Lösung einer Frage des Verfahrensrechtes mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung (teilweise Klagszurückweisung) zielenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nur insofern berechtigt, als die vom Rekursgericht aufgetragene Verfahrensergänzung zu entfallen, es deshalb aber nicht bei der erstinstanzlichen teilweisen Klagszurückweisung zu verbleiben hat, sondern von Amts wegen eine völlige Trennung der Verfahren vorzunehmen ist:

Die Beurteilung der Vorinstanzen, daß das (mit dem Eigentum der Klägerin und einer Alleingewahrsame des Beklagten begründeten) Herausgabebegehren über ein bloßes Begehren auf Wiederherstellung der nach den Klagsangaben entzogenen Tresorbenützung hinausgeht, so daß eine nach § 227 Abs 1 ZPO unzulässige Anspruchshäufung vorliegt, trifft zu.

Einer Verfahrensergänzung zur Klärung der Absichten der Klägerin bedarf es nach dem Verfahrensstand nicht, da die Klägerin ihren verfahrensrechtlichen Standpunkt bereits eindeutig klargelegt hat.

Es ist vielmehr von einer unzulässigen Klagenhäufung auszugehen, deren Vorliegen die Klägerin nicht anerkennt und zu deren Behebung sie auch nicht bereit ist.

Die Zivilprozeßordnung trifft keine ausdrückliche Regelung, welche Rechtsfolgen eine bloß wegen Verschiedenheit der anzuwendenden Verfahrensart unzulässige Häufung mehrerer Ansprüche in einer Klage nach Einleitung des Verfahrens über diese auslöst.

Diese Gesetzeslücke ist nach dem Zweck des Verbotes und den Regelungstendenzen zu schließen, die sich aus den für vergleichbare Fälle getroffenen Regelungen erkennen läßt.

Der offensichtliche Zweck des Verbotes, im verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Klage Begehren, über die wegen ihrer Eigenheit unter besonderer Straffung und Beschleunigung verhandelt und entschieden werden soll, mit anderen Begehren zu verbinden, liegt darin, den im Falle bestimmter Begehren (zB wegen Besitzstörung oder wegen wechselmäßiger oder bestandrechtlicher Ansprüche) angestrebten Beschleunigungseffekt nicht dadurch zu beeinträchtigen, daß auch über andere Ansprüche, für die typischerweise mit einem zeitaufwendigeren Verfahren gerechnet werden muß, zu verhandeln wäre.

Die denkmögliche Folge einer Zurückweisung der gesamten Klage widerstreitet der durch die Novellengesetzgebung (vor allem § 40a JN, der hier unmittelbar nicht anzuwenden ist) hervorleuchtenden gesetzgeberischen Zielsetzung, die Gerichtshängigkeit eines Rechtsschutzgesuches tunlichst aufrechtzuerhalten und die Vernichtung von bereits getätigtem Verfahrensaufwand möglichst zu vermeiden.

Eine Verfahrenstrennung ist im Falle der klageweisen Anspruchshäufung, wenn für die Verfolgung eines der mehreren Ansprüche etwa das außerstreitige Verfahren vorgesehen ist, durch eine bloß teilweise Überweisung gesetzlich gedeckt, tatsächlich gebräuchlich und technisch (durch Anfertigung von Fotokopien) unschwer durchführbar.

Eine solche Verfahrenstrennung - und nicht bloß eine getrennte Verhandlung im Sinne des § 188 ZPO - mit allen geschäftsverteilungsmäßigen, geschäftsordnungsmäßigen und gebührenrechtlichen Folgen - wird dem Ziel des Verbindungsverbotes nach § 227 Abs 1 ZPO vollauf gerecht und vermeidet die Aufhebung der (unter Umständen für die Wahrung von Ausschluß- oder Verjährungsfristen erhebliche) Gerichtshängigkeit und bei einem bereits fortgeschrittenen Verfahrensstand die Vernichtung von Verfahrensaufwand, der nicht wegen der Art seines Zustandekommens als solcher, sondern nur wegen seiner Belastung des für den besonderen Anspruch vorgesehenen besonders straff zu führenden Verfahrens, die aber durch nichts mehr ungeschehen gemacht werden könnte, nicht erfolgen hätte sollen.

Im Fall einer bloß wegen der Verschiedenheit der vorgesehenen

Verfahrensart gemäß § 227 Abs 1 ZPO unzulässigen Verbindung mehrerer

Ansprüche in einer Klage hat das Prozeßgericht erster Instanz von

Amts wegen das Verfahren über das in einem besonderen Verfahren zu

verhandelnde und zu entscheidende Begehren vom Verfahren über das

restliche Begehren zu trennen und die getrennten Verfahren so

weiterzuführen, als wäre nicht eine, sondern als wären mehrere Klagen

angebracht worden.

In diesem Sinn wird das Prozeßgericht auch im vorliegenden Fall unter getrennter Aktenbildung seine zu Unrecht durch eine gemeinsame Klagsschrift eingeleiteten zwei voneinander zu sondernden Verfahren fortzuführen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 52 ZPO und der Besonderheit der vorzunehmenden Verfahrenstrennung.