OGH 16.04.2013, 3Ob36/13k
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*****, 2. E*****, und 3. A*****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Bruzek, Dr. Heinz Ager, Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwälte in Elsbethen, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 183/12b-23, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 6 Cg 21/11h-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 735,96 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind die Miteigentümer von ausgedehnten Alpliegenschaften (ua EZ 32 und 106), die mit grundbücherlich einverleibten, im Zug von agrarbehördlichen Regulierungsverfahren in den 1920er Jahren eingeräumten ua Weiderechten auf immerwährende Zeit zugunsten von zwei Bauerngütern (EZ 32) und einem weiteren (EZ 106) belastet sind. Unterhalb dieser Liegenschaften ist eine Liegenschaft der Beklagten (EZ 110) situiert, über deren hier streitverfangene, zum Teil unmittelbar an die Liegenschaften der Kläger angrenzende sechs Grundstücke der sogenannte Alpsweg führt, der an der Gemeindestraße im Tal beginnt und in die EZ 32 der Kläger mündet. Ua auch diese Grundstücke sind mit einem ebenso grundbücherlich einverleibten „Heimweiderecht“ auf immerwährende Zeit belastet, das ua auch für dieselben Bauerngüter im Rahmen eines Regulierungserkenntnisses aus 1870 begründet wurde.
Den Rechtsvorgängern der Kläger war die Jagdausübung auf der Liegenschaft der Beklagten seit 1875 bis 1932 rechtsgeschäftlich eingeräumt; von 1932 bis 1938 wurde die klägerische Eigenjagd vereinbarungsgemäß von der Beklagten bewirtschaftet; die weitere jagdliche Bewirtschaftung der Liegenschaften der Streitteile bis 1945 steht nicht fest; nach 1945 erfolgte keine Jagdausübung mehr durch die (Rechtsvorgänger der) Kläger auf der Liegenschaft der Beklagten; für deren Jagdbewirtschaftung bis in die Gegenwart sorgte die Beklagte.
Der - bis 2002 nicht mit zweispurigen Fahrzeugen befahrbare - Alpsweg wurde seit 1955 von den Weideberechtigten für alpswirtschaftliche Zwecke vorerst nur begangen, ab Mitte der 1970er Jahre mit Pferdefuhrwerken und ab 1980 überwiegend mit Motorrädern befahren. Ab 2002 - nach einer zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Vereinbarung über die Verbreiterung des Wegs und die Einräumung eines bis 2010 befristeten und nicht verlängerten Fahrtrechts an die Kläger - wurden auch Quads benützt. Teilweise unterstützten Weideberechtigte bei ihren Fahrten auf die und von den klägerischen Liegenschaften die Jäger bei Transporten für jagdliche Zwecke. Der Beklagten war das Befahren des Alpswegs auch für jagdliche Zwecke der Kläger nicht bekannt. Zwecks Jagdausübung auf den Liegenschaften der Kläger begingen deren Jäger den Alpsweg immer zu Fuß. Erlegtes Wild wurde zu Fuß am Alpsweg ins Tal getragen oder gezerrt. Für das jagdliche Gehen bestand keine schriftliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen, es wurde von der Beklagten aber stets geduldet.
Die Kläger begehrten die Feststellung und Einverleibung der ersessenen Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts zu (näher beschriebenen) jagdlichen und alpswirtschaftlichen Zwecken, weil die (Rechtsvorgänger der) Kläger, deren Jagdbeauftragte und Abschussberechtigte sowie die Weideberechtigten darauf angewiesen gewesen seien, den Alpsweg seit 1895 für jagdliche Zwecke und für die Bewirtschaftung der Almen zu benützen. Obwohl diese Besitzausübung der Beklagten bekannt gewesen sei, habe sie den Zugang nie verwehrt. Den Weideberechtigten stehe aufgrund vertraglicher Einräumung des Weiderechts durch die Grundeigentümer ein vom Eigentumsrecht der Kläger abgeleitetes Geh- und Fahrtrecht zu, das sie als Besitzmittler für die Kläger ausgeübt hätten. Der Beklagten habe schon vor der 1950 erfolgten Einführung eines gesetzlichen Jägernotwegerechts (das den Klägern hier zustehe) klar sein müssen, dass ein privatrechtliches Geh- und Fahrtrecht in Anspruch genommen werde.
Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass der Alpsweg nur von den auf den Liegenschaften sowohl der Kläger als auch der Beklagten Weideberechtigten nur für alpswirtschaftliche Zwecke genutzt worden sei, und zwar berechtigt kraft ihres Nebenrechts zum Weiderecht an der EZ 110 nach § 6 Salzburger Einforstungsrechtegesetz (Slbg EFRG). Ein allenfalls ersessenes Recht stehe daher nicht den Klägern, sondern den Weideberechtigten oder den Eigentümern der berechtigten Liegenschaften zu. Eine - für die Beklagte auch gar nicht erkennbare - Besitzmittlung durch die Weideberechtigten scheide aus. Ein jagdliches Gehrecht im Sinn des den Klägern zustehenden Jägernotwegs sei von der Beklagten stets akzeptiert worden. § 101 des Salzburger Jagdgesetzes 1993 (Slbg JagdG), der die Benützung des Wegs mit Schusswaffen verbiete, stelle überdies ein Ersitzungshindernis dar.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine Ersitzung der behaupteten Dienstbarkeit zu Jagdzwecken scheitere in Ansehung des Fahrtrechts an der fehlenden objektiven Erkennbarkeit dieser Nutzung für die Beklagte und zum Gehrecht am Ersitzungshindernis des § 101 Slbg JagdG und daran, dass es nur den Jagdberechtigten der Kläger, nicht jedoch deren Liegenschaften Vorteile bringe. Ein Geh- und Fahrtrecht der Kläger zu alpswirtschaftlichen Zwecken sei zu verneinen, weil eine Besitzmittlung durch die Weideberechtigten ausscheide.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu. Es verwarf die Beweisrügen der Kläger und hielt auch deren Rechtsrüge für nicht berechtigt.
Die Ersitzung jedes Fahrtrechts ab Mitte der 1970er Jahre scheitere schon an der nicht erfüllten Eristzungszeit von 40 Jahren.
Die durch Regulierungsurkunden eingeräumten Servituten würden öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse begründen; deren Ersitzung sei seit dem Servitutenpatent vom 5. Juli 1853 ausgeschlossen. Nach § 6 Slbg EFRG folge aus dem Weiderecht an der EZ 110 der Beklagten ein Benützungsrecht des Alpswegs, weshalb die Beklagte den Weideberechtigten eine Benützung nicht untersagen habe können; überdies sei eine Ersitzung dieses mit dem Weiderecht verknüpften Nebenrechts ausgeschlossen. Für den Erwerb von neuen Besitzrechten durch einen Besitzmittler sei erforderlich, dass sie ihrer äußeren Erscheinung nach auch zum herrschenden Grundstück gehörten und diesem wirtschaftlich zugeordnet seien. Das Gehen und Fahren der Weideberechtigten habe aber der Ausübung ihrer auf immerwährende Zeiten eingeräumten Weiderechte und damit der vorteilhafteren und bequemeren Nutzung der daraus berechtigten Liegenschaften als herrschende Güter gedient; es sei deshalb wirtschaftlich den berechtigten Bauerngütern zuzuordnen. Sofern eine Ersitzung zulässig sein sollte, könnten Besitzhandlungen der Weideberechtigten nur zu einer Ersitzung eines Geh- und Fahrtrechts für alpswirtschaftliche Zwecke zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer herrschenden Liegenschaften und nicht zu Gunsten der Kläger führen.
Ein rechtlich unmöglicher Sachgebrauch als Ersitzungshindernis liege dann vor, wenn die Nutzung während des Ersitzungszeitraums gegen gesetzliche Verbote verstoße. Schon nach dem Slbg JagdG 1946 sei es jagdfremden Personen im Wesentlichen verboten gewesen, ein Jagdgebiet mit Schusswaffen zu durchstreifen. Daher habe ein Recht, den Alpsweg zum Zweck der Jagdausübung mit Schusswaffen zu begehen, nicht ersessen werden können. Ein sekundärer Feststellungsmangel zur Möglichkeit nach § 77 Slbg JagdG, einen Jägernotweg im Verwaltungsweg einzuräumen, liege nicht vor, weil ab dem Zeitpunkt der gesetzlichen Regelung eines Jägernotwegerechts ab 1950 die Gutgläubigkeit der Kläger fehlen würde.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen fehle, ob Weideberechtigte als Besitzmittler für die Eigentümer der damit belasteten Grundstücke handeln können und ob § 101 Slbg JagdG ein Ersitzungshindernis für ein Gehrecht zu Jagdzwecken darstelle.
Nur gegen die Verneinung eines dinglichen Gehrechts der Kläger zu alpswirtschaftlichen und jagdlichen Zwecken richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, dem Klagebegehren in diesem Umfang stattzugeben. Die Kläger wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, alle Weiderechte an ihren Liegenschaften seien durch verwaltungsbehördliche Regelung begründet worden; durch die beiden - wenngleich agrarbehördlich genehmigten - Übereinkommen seien daher keine Einforstungsrechte im Sinn des Servitutenpatents eingeräumt worden, sondern Dienstbarkeiten des Weiderechts in privatrechtlichem Rahmen, wofür - einem Pachtverhältnis ähnlich - laufend Naturalentgelt geleistet worden sei. Daher sei es geboten, die Weideberechtigten als Besitzmittler zu betrachten. § 6 Slbg EFRG gebe den Weideberechtigten nicht das Recht zur Durchquerung des mit dem Weiderecht belasteten Grundstücks, um Weiderechte an anderen Liegenschaften auszuüben. Deshalb sei durch die Weideberechtigten auch zu Gunsten der Kläger die Dienstbarkeit des Gehrechts am Alpsweg ersessen worden. § 101 Slbg JagdG stehe einer Ersitzung eines jagdlichen Gehrechts nicht entgegen, weil jemand, dem ein Jagdnotwegerecht eingeräumt worden sei, nicht als „jagdfremd“ angesehen werden könne. Überdies sei das Mitführen einer Schusswaffe weder für Wildtransporte noch für die Bewirtschaftung der Jagdhütte oder Transporte zur Erhaltung der Baulichkeiten und Jagdeinrichtungen erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil es einer Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage bedarf, ob jene Personen, die im Rahmen der Ausübung der Grunddienstbarkeit des Weiderechts über weitere Grundstücke im Eigentum Dritter gehen, als Besitzmittler für den Eigentümer des der Weideservitut dienenden Grundstücks an den fremden Grundstücken eine Dienstbarkeit des Gehrechts ersitzen können. Sie ist aber nicht berechtigt.
1. Das Berufungsgericht hat eine Ersitzung eines Gehrechts für alpswirtschaftliche Zwecke für die Kläger mangels Besitzmittlung durch die Weideberechtigten nicht nur mit den von der Revision kritisierten Argumenten (öffentlich-rechtliche Bestellung der Servitut; Recht der Weideberechtigten zur Benützung des Alpswegs als Nebenrecht des Weiderechts) verneint, sondern unabhängig davon auch mit dem ausführlich dargelegten Fehlen der von der Judikatur geforderten Voraussetzungen für den Erwerb von neuen Besitzrechten durch einen Besitzmittler (keine äußerliche und wirtschaftliche Zuordnung der ausgeübten Besitzrechte zu den klägerischen Grundstücken, sondern zu den Heimgütern der Weideberechtigten als herrschende Güter) begründet.
Dagegen trägt die Revision aber nichts Stichhältiges vor, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, es sei geboten, die Weideberechtigten „als Besitzmittler der Eigentümer des dienenden Gutes zu betrachten, da sie die ihnen vertraglich eingeräumte Gewahrsame von den Eigentümern als ihren Vertragspartnern ableiten“. Dass die Weiderechte - egal, ob man von hoheitlicher oder privatrechtlicher (vgl aber die notwendige Zulassung durch die Behörde nach § 43 des kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853 RGBl Nr 130 [Servitutenpatent]; RIS-Justiz RS0011585) Begründung ausgeht - im weitesten Sinn vom Eigentum der beweideten Liegenschaften, hier also von den klägerischen Almliegenschaften, abgeleitet werden und den Weideberechtigten daran Gewahrsame zukommt, mag zutreffen. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an:
1.1. Zum Erwerb des Besitzes eines Rechts an einer Liegenschaft (als Voraussetzung der Ersitzung) ist nicht nur der Wille des Besitzers, ein Recht auszuüben, sondern außerdem erforderlich, dass die Leistung oder Duldung durch den Grundeigentümer erkennbar wie die Erfüllung einer Schuldigkeit geschieht, als hätte derjenige, dem geleistet wird oder dessen Handlungen geduldet werden, ein Recht darauf (RIS-Justiz RS0009762 [T1]; RS0010140). Der erforderliche Besitzwille muss sich aus dem äußeren Verhalten ergeben, bloßes damit nicht im Einklang stehendes inneres Vorhaben stellt noch keinen Besitzwillen dar (RIS-Justiz RS0034138 [T1]). Die Besitzausübung muss so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten individuellen Rechts erkennen kann (RIS-Justiz RS0010135). Ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0033021).
Für die Ersitzung eines Rechts an einer fremden Sache ist zwar grundsätzlich die Ausübung des Rechtsinhalts im eigenen Namen erforderlich, doch ist Besitzausübung auch durch Stellvertreter, Gehilfen und Besitzmittler möglich, wozu auch Bestandnehmer zählen können (RIS-Justiz RS0011655; RS0034597). Für den Eigentümer des angeblich dienenden Grundstücks muss erkennbar sein, dass der Besitzmittler für den Eigentümer des angeblich herrschenden Grundstücks handeln wollte und den Rechtsbesitz so ausgeübt hat, als hätte dieser ein Recht (7 Ob 256/05f; vgl 1 Ob 542/93; Iro, Besitzerwerb durch Gehilfen [1982] 91 ff). Von der Rechtsprechung wurde für einen Erwerb von neuen Besitzrechten des Bestandgebers durch seinen Bestandnehmer als Besitzmittler auch als erforderlich angesehen, dass sie ihrer äußeren Erscheinung nach zum Bestandgegenstand gehören und diesem wirtschaftlich zugeordnet sind (8 Ob 579/92 = RIS-Justiz RS0011655 [T2]; 1 Ob 597/90 mwN), worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Damit wird auf die Erkennbarkeit eines ausreichenden Bezugs des - nicht vom Eigentümer, sondern von einem Dritten - in Anspruch genommenen Rechts zum angeblich herrschenden Gut abgestellt, was seine Rechtfertigung darin hat, dass die Servitutsersitzung voraussetzt, dass das Recht im Interesse der vorteilhaften Benützung eines Grundstücks in Anspruch genommen wird (RIS-Justiz RS0034213).
1.2. Die Beklagte hat die Erkennbarkeit der Ausübung eines Rechts der Kläger durch die Weideberechtigten ausdrücklich bestritten und auch vorgebracht, die Kläger hätten nie eine Almwirtschaft betrieben (ON 13 S 5). Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegen getreten und haben auch kein Vorbringen erstattet, warum der Beklagten dennoch erkennbar gewesen sein sollte, dass die Weideberechtigten für die Kläger handeln und deren Gehrecht ausüben wollten. Auch in den Feststellungen des Erstgerichts zur Nutzung des Alpswegs durch die Weideberechtigten für alpswirtschaftliche Zwecke finden sich keine Anhaltspunkte für eine derartige objektive Erkennbarkeit für die Beklagte, sei es durch Beweidung auch mit Tieren, die von den Klägern aufgetrieben wurden, sei es durch irgendwelche den Klägern erkennbare Aktivitäten der Beklagten, die als Genehmigung von Rechtserwerbungsakten der Weideberechtigten aufgefasst werden könnten.
Vielmehr spricht die rechtliche Konstruktion des Weiderechts als Grunddienstbarkeit (§ 477 Z 3 ABGB), bei der das Recht der Dienstbarkeit mit dem Besitz eines Grundstücks zu dessen vorteilhafteren oder bequemeren Benützung verknüpft wird (§ 473 ABGB), dagegen. Das Berufungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass das Begehen des Alpswegs zur Ausübung der Weiderechte erforderlich war, die den jeweiligen Eigentümern der dazu herrschenden Liegenschaften zustehen; im Vordergrund steht also nicht die vorteilhaftere Benützung der Alpliegenschaften der Kläger, sondern der Bauerngüter der Weideberechtigten. Diesen sind die in Anspruch genommenen Besitzrechte daher wirtschaftlich zuzuordnen, was angesichts der Verbücherung der Weiderechte auch objektiv erkennbar ist.
1.3. Aus den genannten Gründen muss die von den Klägern für sich reklamierte Ersitzung eines solchen Wegerechts für alpswirtschaftliche Zwecke durch die Weideberechtigten als Besitzmittler scheitern.
Ob es zu einer Ersitzung eines Wegerechts zugunsten der Bauerngüter als herrschende Liegenschaften für das Weiderecht (im Sinn eines Viehtriebsrechts über den Alpsweg) oder für deren Eigentümer persönlich kam, braucht hier nicht geklärt zu werden. Ebenso wenig kommt den Fragen Bedeutung zu, ob der Titel aller Weiderechte an den klägerischen Liegenschaften privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, wie weit das Recht der Weideberechtigten zur Nutzung des Alpswegs nach § 6 Slbg EFRG geht und ob dessen Ersitzung als Nebenrecht eines Einforstungsrechts möglich ist.
2. Auch die Verneinung einer Ersitzung eines Gehrechts zu jagdlichen Zwecken durch die Kläger wurde vom Berufungsgericht mehrfach alternativ begründet. Eine Begründung, die in der Revision gar nicht thematisiert wird, lautet, eine Ersitzung scheide auch dann aus, wenn die Beklagte das Begehen des Alpswegs durch Jäger der Kläger schon vor 1950 geduldet hätte, weil den Klägern ab dem Zeitpunkt der gesetzlichen Regelung eines Jägernotwegerechts im Jahr 1950 die Gutgläubigkeit fehlen würde. Damit wurde die Frage angesprochen, ob es zur Ersitzung eines Gebrauchsrechts kommen kann, wenn es rechtsgeschäftlich überlassen wurde oder wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Gestattung des Gebrauchs besteht.
2.1. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass seit der Jagdgesetz-Novelle 1950 (gemäß dem damit eingeführten § 69a Slbg JagdG 1946) die Möglichkeit der verwaltungsbehördlichen Einräumung eines Jägernotwegs (laut § 77 Abs 1 Slbg JagdG 1993 idgF: „Jägernotweg in Form eines Gehrechtes“) besteht und dass die Voraussetzungen für die Einräumung eines solchen Jägernotwegs zu Gunsten der Kläger (und ihrer Rechtsvorgänger) stets bestanden haben, jedoch bisher kein entsprechender Antrag bei der Behörde gestellt wurde. Die Beklagte hat dazu vorgebracht, dass sie aufgrund dieser Gesetzeslage das Begehen zu jagdlichen Zwecken freiwillig geduldet habe, was die Kläger redlicherweise als stillschweigende Einräumung eines dem entsprechenden Recht verstehen hätten müssen, was ihnen die Gutgläubigkeit nehme (ON 12 S 2 f). Dem hielten die Kläger entgegen, wegen der bereits seit 1895 erfolgten Nutzung des Alpswegs stehe ihnen ein privatrechtlich erworbenes Geh- und Fahrtrecht zu, und zwar entweder aufgrund mündlicher oder konkludenter Vereinbarung oder wegen bereits eingetretener Ersitzung (ON 13 S 2).
2.2. Lehre und Rechtsprechung anerkennen die Gültigkeit von Vereinbarungen, mit denen Berechtigungen, die ihrem Inhalt nach sonst Gegenstand von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen an Liegenschaften sind und denen im Bereich des Eintragungsgrundsatzes nach § 481 Abs 1 ABGB dingliche Wirkung erst durch die Eintragung in den öffentlichen Büchern zukommt, mit bloß obligatorischer Wirkung eingeräumt werden, wenn die Absicht zur Verdinglichung fehlt (RIS-Justiz RS0011659; Koch in KBB³, § 472 ABGB Rz 2). Dass die von den Klägern alternativ behauptete Vereinbarung in der Absicht ihrer Verdinglichung geschlossen wurde, haben die Kläger gar nicht vorgebracht; angesichts der bisher - ihren Behauptungen nach - über Jahrzehnte unterbliebenen Verbücherung ist dies auch nicht zu vermuten.
Abgesehen davon können Sachen, an denen dem Berechtigten die Gewahrsame rechtsgeschäftlich überlassen wurde, nicht ersessen werden (RIS-Justiz RS0034095). Dies gilt insbesondere auch für Dienstbarkeiten; rechtsgeschäftliche Überlassung eines Gebrauchsrechts kann deshalb nicht zu der - hier von den Klägern angestrebten - Ersitzung einer inhaltsgleichen Servitut führen, weil es dann außer am Ersitzungsbesitz auch an der Redlichkeit fehlt (5 Ob 211/09d mwN = RIS-Justiz RS0034095 [T9 und T10]).
Selbst bei Annahme einer nur obligatorisch bindenden Vereinbarung über ein jagdliches Gehrecht könnte der Klage auch nicht teilweise stattgegeben werden: Ein Erfolg des Feststellungsbegehrens scheitert nämlich daran, dass die Feststellung eines obligatorischen Gehrechts gegenüber der begehrten Feststellung einer dinglichen Wegeservitut - wegen des unterschiedlichen anspruchsbegründenden Sachverhalts (vgl RIS-Justiz RS0041023) - ein aliud darstellen würde; weiters kommt die Verbücherung eines nur obligatorischen Gehrechts nicht in Frage.
2.3. Aber auch unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen (schlüssigen) Einräumung eines Gehrechts für jagdliche Zwecke ist eine Ersitzung eines solchen wegen der seit dem Jahr 1950 bestehenden und den Parteien bekannten Rechtslage zum Jägernotweg ausgeschlossen. Wie bereits erwähnt (vgl Punkt 1.1.), ist für die Ersitzung erforderlich, dass die Ausübung des Rechtsinhalts (erkennbar) als individuelles Recht in Anspruch genommen wird und sich der andere dem fügt.
Die Inanspruchnahme des Gemeingebrauchs oder einer jedermann unter bestimmten Voraussetzungen möglichen örtlichen Übung stellt daher keine Besitzausübung dar (5 Ob 249/04k = RIS-Justiz RS0009762 [T17]; RS0010140 [T4]). Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn beiden Seiten bewusst ist, dass ein dem Ausübenden gesetzlich zustehendes Gehrecht in Anspruch genommen wird, das gegen den Hinnehmenden im Verwaltungsweg durchgesetzt werden könnte. Unter diesen Umständen brauchte die Beklagte in der dem entsprechenden Begehung des Alpswegs durch die Kläger (und deren Rechtsvorgänger)/durch deren Jäger keine Ausübung eines individuellen Rechts zur Benützung erkennen; aber auch die Kläger (und ihre Rechtsvorgänger) durften in der unbeanstandet gebliebenen Hinnahme der Begehung keine Duldung eines individuellen Rechts erblicken (vgl 5 Ob 129/58 = SZ 31/71). Vielmehr hatten redliche Beteiligte nur von der Inanspruchnahme und der Erfüllung der gesetzlich bestehenden und durchsetzbaren Verpflichtung zur Gestattung des Durchquerens des Jagdgebiets der Beklagten auszugehen. Es fehlt daher an den Ersitzungsvoraussetzungen sowohl einer objektiv erkennbaren Rechtsausübung als auch deren Duldung. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass ein vom Jägernotweg verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen wurde und dies der Beklagten objektiv erkennbar war (vgl RIS-Justiz RS0009785).
Bis 1950, dh vor Einführung eines Jägernotwegs, konnte aber eine Ersitzung nicht erfolgreich abgeschlossen sein, weil nach den Feststellungen ein Ersitzungsbeginn frühestens mit dem Jahr 1945 als erwiesen angenommen werden könnte. Selbst wenn die Feststellungen des Erstgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass die jagdliche Begehung des Alpswegs auch schon vor 1955 erfolgte (arg „immer“), wäre demnach für die Kläger nichts gewonnen. Denn ab 1950, also seit der beiderseits bekannten Einführung des Jägernotwegs, fehlt es jedenfalls - wie bereits erwähnt - an den Ersitzungsvoraussetzungen einer qualifizierten Rechtsausübung und deren Duldung.
2.4. Eine Ersitzung des behaupteten Gehrechts zu jagdlichen Zwecken im Umfang des gesetzlichen Jägernotwegs ist somit jedenfalls ausgeschlossen. Dass die im Klagebegehren neben den genannten „jagdlichen Zwecken“ gesondert aufgezählten Zwecke des Wildtransports, der Bewirtschaftung der Jagdhütten und des Transports von Werkstoffen und Geräten zur Erhaltung der Baulichkeiten und Jagdeinrichtungen nicht vom Jägernotweg gedeckt wären, machen die Kläger in der Revision gar nicht geltend.
Damit kommt es auch darauf, ob § 101 Slbg JagdG 1993 ein Ersitzungshindernis darstellt, nicht mehr an.
Der Kostenzuspruch für die rechtzeitig eingebrachte Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*****, 2. E*****, und 3. A*****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Bruzek, Dr. Heinz Ager, Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwälte in Elsbethen, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, über den Antrag der beklagten Partei, die Revisionsentscheidung vom , AZ 3 Ob 36/13k, zu berichtigen, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 3 Ob 36/13k, wird dahin berichtigt, dass im Spruch (S 2) der zweite Satz „Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.“ zu entfallen hat und wie folgt ersetzt wird: „Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 735,96 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
In den Entscheidungsgründen hat der auf S 7 unten mit der Wortfolge „Die Beklagte brachte ...“ beginnende und auf S 8 mit der Wortfolge „... ist somit zurückzuweisen“ endende Absatz zu entfallen.
Die Entscheidungsbegründung auf S 16 wird mit folgendem 3. Absatz ergänzt: „Der Kostenzuspruch für die rechtzeitig eingebrachte Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.“
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die mit datierte und an diesem Tag im ERV eingebrachte Revisionsbeantwortung der Beklagten wurde mit der Begründung als verspätet zurückgewiesen, nach der Aktenlage sei der Beginn der Abholfrist für die mangels Zustellbarkeit am hinterlegte Gleichschrift der Revision auf den gefallen, sodass die Revisionsbeantwortungsfrist mit diesem Tag zu laufen begonnen und mit Ablauf des geendet habe.
Nach Zustellung der Revisionsentscheidung beantragte die Beklagte mit Schriftsatz vom deren Berichtigung im aus dem Spruch ersichtlichen Sinn. Eine Hinterlegung der Revision der Kläger habe nie stattgefunden, weil die Finanzprokuratur aufgrund einer Vereinbarung mit der Österreichischen Post AG die an sie gerichtete Post an Werktagen von einem Boten vom zuständigen Postamt abhole, worauf in ihrer Poststelle bei Hybrid RSb-Briefen die ebenso übergebene Zustellkarte mit dem Tagesstempel versehen und von einem RSb-Postbevollmächtigten unterschrieben werde. Dies sei im gegenständlichen Fall am geschehen. Die Einbringung der Revisionsbeantwortung durch die Beklagte am sei daher rechtzeitig erfolgt.
Aufgrund der dem Berichtigungsantrag der Beklagten nachgereichten, unbedenklichen Originalurkunden (Rückscheinkuvert samt angeheftetem Formular „Hybrid Rückscheinbrief für Ämter und Behörden“, das den Eingangsstempel der Finanzprokuratur vom aufweist; Gedächtnisprotokoll des Leiters der Poststelle der Finanzprokuratur von mit Ergänzung vom ) in Verbindung mit dem Umstand, dass weder auf der Zustellkarte noch auf dem Kuvert des Rückscheinbriefes an den hierfür vorgesehenen Stellen eine Hinterlegung angekreuzt wurde, geht der erkennende Senat von folgendem Sachverhalt aus:
Die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung der Revision der Kläger wurde - entgegen dem Inhalt des „Zustellnachweises RSb“ - niemals in der Postgeschäftsstelle 1010 Wien Innere Stadt hinterlegt, sondern in der Form ohne vorausgehenden erfolglosen Zustellversuch zugestellt, dass der RSb-Brief einem dazu befugten Mitarbeiter der Finanzprokuratur am ausgefolgt wurde.
Die Annahme der Verspätung der Revisionsbeantwortung hat sich damit nachträglich als unrichtig herausgestellt. Dem ist in sinngemäßer Anwendung der §§ 419 und 522 ZPO dadurch Rechnung zu tragen, dass die auf die Verspätung gegründete Zurückweisung der Revisionsbeantwortung entsprechend zu berichtigen ist (RIS-Justiz RS0041446; RS0062267).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00036.13K.0416.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAD-58618