OGH vom 26.04.2005, 4Ob46/05a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud W*****, vertreten durch Dr. Karl Haas und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien
1. Irmgard E*****, 2. Gottfried G*****, 3. Franz G*****, alle vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwälte in Krems, wegen 138.660,36 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 251/04a-90, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionswerber stehen auf dem Standpunkt, dass der landwirtschaftliche Betrieb, den der Vater der Klägerin 1974 mit Übergabsvertrag seinem mittlerweile verstorbenen Sohn Gottfried G***** - dessen Nachlass seiner Gattin und seinen beiden Söhnen, den Beklagten, je zu einem Drittel eingeantwortet worden ist - ins Eigentum übertragen hat, nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach höferechtlichen Grundsätzen zu bewerten gewesen wäre. Wohl kann im Pflichtteilsprozess (§ 951 iVm § 785 ABGB) in analoger Anwendung der höferechtlichen oder anerbenrechtlichen Grundsätze anstelle des Verkehrswerts des schon zu Lebzeiten in Vorwegnahme der Erbfolge übergebenen Hofs ein niedrigerer, den Hofübernehmer
begünstigender Preis festgesetzt werden (1 Ob 11/71 = SZ 44/30; 6 Ob
59/97f = SZ 71/112; RIS-Justiz RS0017994). Voraussetzung hiefür ist
aber die hypothetische Qualifikation des übergebenen Guts als Erbhof (6 Ob 225/99b; 6 Ob 92/01z; 6 Ob 37/02p; RIS-Justiz RS0017994; vgl auch 4 Ob 519/95 = SZ 68/47).
Davon kann nach den Feststellungen im Anlassfall keine Rede sein, hätten doch mit dem Jahreseinkommen des übergebenen Hofs - legt man den tatsächlichen Bedarf einer familieneigenen Arbeitskraft im Jahr 1974 zu Grunde - nur 1,13 Personen ernährt werden können. Es wurde demnach kein auf Dauer lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb übergeben, dessen Durchschnittsertrag zur angemessenen Erhaltung von zwei (vgl § 1 Abs 1 AnerbenG 1990; zuvor nach § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG 1958 fünf) erwachsenen Personen ausreicht. Die schlechte Ertragslage des Kleinbetriebs ist auch dadurch dokumentiert, dass der Übernehmer schon 1976 zwei als Bauland/Wohngebiet gewidmete Grundstücke verkaufte und die Beklagten nach dessen Tod 1989 die Landwirtschaft nicht mehr fortführten, sondern einen Teil der Grundstücke verkauften, einen anderen Teil verpachteten. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen für die Pflichtteilsberechnung höferechtliche und anerbenrechtliche Grundsätze nicht angewendet hat, entspricht dies der zuvor dargestellten einhelligen jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Die von den Revisionswerbern angeführten älteren Entscheidungen stützen den gegenteiligen Standpunkt nicht. So hat der Oberste Gerichtshof zwar in der Entscheidung 1 Ob 11/71 = SZ 44/30 ausgesprochen, dass bei der Festsetzung des Übergabswerts im Fall einer Hofübergabe unter Lebenden eine die bäuerliche Lebensordnung gebührend berücksichtigende Berechnungsmethode - analog § 11 AnerbenG - anzuwenden ist, doch ging es dort um die Übergabe einer lebensfähigen Landwirtschaft.
Im Fall der Entscheidung 7 Ob 529/80 = SZ 53/167 handelte es sich um einen bäuerlichen Kleinbetrieb, dessen Ertragslage so ungünstig war, dass aus seinen Einkünften nicht einmal eine Refinanzierung der notwendigen landwirtschaftlichen Maschinen möglich und daher die Weiterführung dieser Landwirtschaft vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt nicht vertretbar war. In diesem Fall wurde - ebenso wie in der Entscheidung 1 Ob 701/85 = SZ 59/6 - der Grundsatz des „Wohlbestehens" nicht angewendet, sondern die für die Pflichtteilsausmessung erforderliche Ermittlung des Schätzwerts der Landwirtschaft durch Errechnung des arithmetischen Mittels aus Ertrags- und Schätzwert unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls vorgenommen (RIS-Justiz RS0010076). Auch die Lehre (Welser in Rummel, ABGB³ § 785 Rz 11) tritt - entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber - bei der Pflichtteilsberechnung im Zusammenhang mit bäuerlichen Gutsübergaben für eine differenzierende Betrachtung je nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ein. Von der analogen Anwendung höfe- und anerbenrechtlicher Grundsätze unabhängig ist die Frage, nach welchen Grundsätzen landwirtschaftliche Betriebe oder mit einem geschlossenen Hof gemeinsam bewirtschaftete landwirtschaftliche Grundstücke zu bewerten sind. Zur Methode hiezu im Rahmen einer Pflichtteilsergänzungsklage hat der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausführlich Stellung genommen (6 Ob 12/76 = SZ 49/118; 6 Ob 2/90 ua). Danach muss in Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung über die Schätzung zum Zweck der Pflichtteilsberechnung nach § 306 ABGB der gemeine Preis als Richtschnur dienen. Da die Wahl der Bewertungsmethode in erster Linie vom Zweck der Wertermittlung abhängt und das Pflichtteilsrecht dem Noterben einen Mindestanteil am Nachlasswert sichern soll, kommt es bei der Pflichtteilsberechnung darauf an, welchen Wert der Gegenstand ganz allgemein für seinen Eigentümer hat (RIS-Justiz RS0010080[T7]). Beruht der Wert einer solchen Sache nach der Verkehrsauffassung, insbesondere, weil ein wirtschaftlicher und funktioneller Zusammenhang mit einem bestehenden Bauerngut (geschlossener Hof) besteht, vor allem auf einem Ertrag bzw einem sonstigen Nutzen, ist der Pflichtteilsberechnung der Ertragswert zugrundezulegen. Besteht kein solcher Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Grundstück, ist nach dem Verkehrswert zu bewerten.
Dass der Nutzen der hier zu beurteilenden Landwirtschaft für die Erben des Übernehmers vorwiegend im Ertrag liege, lässt sich aus den Verfahrensergebnissen nicht ableiten. Es bestehen demnach keine Bedenken gegen die vom Sachverständigen gewählte und auch hinreichend begründete Bewertungsmethode. § 3 Abs 1 LBG enthält keine abschließende Aufzählung der zulässigen Bewertungsverfahren (arg. "insbesondere"). Mangels Vorgabe einer Bewertungsmethode durch das Gericht hat nach § 7 Abs 1 LBG der Sachverständige selbst die geeignete(n) Methode(n) (siehe auch § 3 Abs 2 leg. cit.) auszuwählen. Diese Wahl unterliegt aber nicht der Überprüfung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0109006).