OGH vom 19.04.2012, 7Ob35/12s

OGH vom 19.04.2012, 7Ob35/12s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** E*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Pitschmann Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen 6.591,19 EUR (sA), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 347/11d 17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 8 C 968/10g 13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger verletzte sich am bei einem Unfall am linken Kniegelenk. Er war zum Unfallszeitpunkt bei der Beklagten unfallversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für den Unfallschutz (AUVB 1997) sehen in Art 16 im Falle von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber, in welchem Umfang die eingetretene Beeinträchtigung auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist, die Entscheidung einer Ärztekommission vor.

Die Beklagte zahlte dem Kläger, einem von ihr eingeholten Privatgutachten eines medizinischen Sachverständigen betreffend die unfallskausale Beeinträchtigung des Kniegelenks folgend, 732 EUR. Der Kläger vertrat die Ansicht, die unfallskausale Funktionsminderung seines Kniegelenks sei von der Beklagten zu gering veranschlagt worden und forderte eine weitere Versicherungsleistung von 6.591,19 EUR. Die Beklagte erklärte, auf der Einberufung einer Ärztekommission zu bestehen und benannte den von ihr zuvor beauftragten Privatgutachter als deren Mitglied. Auch der Kläger benannte ein Mitglied der Ärztekommission, und die beiden Kommissionsmitglieder einigten sich auf einen Obmann. In der Folge weigerte sich der Kläger aber, sich von der Ärztekommission untersuchen zu lassen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er den Betrag von 6.591,19 EUR, der ihm als weitere Versicherungsleistung zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Beklagte auf die Einberufung der Ärztekommission nicht verzichtet habe, sei die Forderung des Klägers nicht fällig.

Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansicht und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit die Regelung in Art 16.1. AUVB, wonach die Entscheidung der Ärztekommission nur dann nicht verbindlich sei, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche und nur insoweit eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der Ärztekommission stattfinden könne, einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht und mit ihm der Kläger, der ebenfalls behauptet, dass die Revision aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig sei, übersehen, dass die Bestimmung über die Verbindlichkeit der Entscheidung der Ärztekommission § 64 Abs 2 und § 184 Abs 1 VersVG entspricht. Keine Rede kann daher davon sein, dass damit dem Versicherungsnehmer als Verbraucher im Sinn des § 6 Abs 1 Z 11 KSchG eine Beweislast auferlegt wird, „die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft“.

Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur, der die Vorinstanzen gefolgt sind, stellt die in den AUVB zu Gunsten beider Parteien zum Zweck der Herbeiführung einer raschen und kostengünstigen Entscheidung über die (im vorliegenden Fall allein strittige) Höhe des Invaliditätsgrads (vgl RIS Justiz RS0116382) vorgesehene Einrichtung einer Ärztekommission einen Schiedsgutachtervertrag im Sinn des § 184 Abs 1 VersVG (bzw § 64 Abs 1 VersVG) dar. Diesem kommt zwar keine prozesshindernde Wirkung zu, er bewirkt aber, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiell rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig ist, solange das Ärztekommissionsverfahren nicht durchgeführt wurde (RIS Justiz RS0081371 und RS0082250). Die Einwände, die der Kläger in der Revision weiterhin unter den Blickwinkeln des Art 6 MRK und des § 870 Abs 1 ABGB gegen das Ärztekommissionsverfahren als solches erhebt, gründen auf der irrigen Rechtsansicht, das Ärztekommissionsverfahren stelle eine Schiedsvereinbarung dar, die die Rechte der Versicherungsnehmer ungebührlich beschneide. Da dies nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zutrifft, müssen auch die in der Revision aufrecht erhaltenen Vorwürfe, Art 16 AUVB 1997 verstoße gegen die genannten Bestimmungen, ins Leere gehen.

Auch in diesem Zusammenhang und somit insgesamt wird vom Revisionswerber eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen.