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OGH vom 16.01.1991, 1Ob508/91

OGH vom 16.01.1991, 1Ob508/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien *****, beide vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster, Dr.Hans Günther Medwed, Dr.Gerhard Hackenberger, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr.Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Feststellung (Streitwert 301.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 211/90-27, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom , GZ 5 C 1019/89p-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Festgestellt wird, daß das Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten in Ansehung des Geschäftslokales auf der Liegenschaft EZ 13 KG Seggauberg, Grundbuch des Bezirksgerichtes Leibnitz, ein Pachtverhältnis ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu Handen des Klagevertreters Dr.Hans Günther Medwed die mit 85.060,66 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 13.310,11 S Umsatzsteuer und 5.200 S Barauslagen), die mit 29.524,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 3.590,40 S Umsatzsteuer und 8.000 S Barauslagen) und die mit 24.222,34 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.370,39 S Umsatzsteuer und 10.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehegatten ***** legten ihren Gasthausbetrieb "*****" im Haus ***** 18 (auch ***** 18 auf der Liegenschaft EZ 13 KG ***** in den Jahren zwischen 1975 und 1980 still; am wurde letztmalig eine Getränkeabgabe entrichtet. Zwar werden am "Großen Frauentag" (15.August) und "Kleinen Frauentag" (8.September) am ***** "Standln" aufgestellt, doch öffneten die Eheleute ***** aus diesen Anlässen ihren geschlossenen Gasthofbetrieb nicht mehr. Die Kläger kauften am die Liegenschaft EZ 13 KG ***** von Maria *****, betrieben in den Jahren 1982 und 1983 am "Großen Frauentag" und "Kleinen Frauentag" einen Stand auf ihrer Liegenschaft und reaktivierten für diese Tage den Gasthausbetrieb.

Mit dem als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag vom , dem eine Inventarliste über das vorhandene Mobiliar und Geschirr angeschlossen war, gaben die als Verpächter bezeichneten Kläger der als Pächterin bezeichneten Beklagten das Haus ***** 18, bestehend aus Küche, drei Gastzimmern (einschließlich Veranda), zwei Abstellräumen, einem Vorraum und einem WC zur Errichtung und Führung eines Buschenschankbetriebes um einen monatlichen Pachtschilling von wertgesichert 4.000 S 3.000 S für die Räumlichkeiten und 1.000 S für die Einrichtungsgegenstände) zuzüglich USt ab auf unbestimmte Zeit in Bestand und billigten ihr auf Widerruf die Benützung des nordöstlichen Sitzgartens und eines im ersten Stock befindlichen Zimmers zu. Vereinbart war, daß die Beklagte nach einer gewissen Probezeit von eventuell zwei Jahren nach Erlangung der erforderlichen Konzession den bestehenden Buschenschankbetrieb in einen Gasthausbetrieb umwandeln könne. Die mit der Führung des Buschenschankes im Zusammenhang stehenden Betriebskosten (Stromkosten, Wasserbenützungsgebühr, Heizkosten etc) waren von der Beklagten, sämtliche anderen mit dem Bestandobjekt im Zusammenhang stehenden Betriebskosten (Grundsteuer, Feuerversicherungsprämie etc) sowie die mit der Erhaltung des Bestandobjektes verbundenen Instandhaltungskosten von den Klägern zu tragen. Vereinbart war eine Betriebspflicht. Ein Zusatz zum Pachtvertrag vom berechtigte die Beklagte, ab sofort einen Gasthausbetrieb zu führen. 1983 und 1984 führte die Beklagte einen Buschenschankbetrieb mit der Konzession ihres Bruders.

Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz untersagte mit Bescheid vom der Beklagten die von ihr auf Grund der Anmeldung vom beabsichtigte Ausübung des Buschenschankrechtes im wesentlichen deshalb, weil das Haus ***** 18 keine Hofstelle iS einer landwirtschaftlichen Betriebsstätte mit Wohn- und Wirtschaftsgebäude, sondern ein ehemaliges Gasthaus sei. Nachdem die Kläger bereits im Mai 1983 beim Amt der Stmk.Landesregierung um Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das konzessionierte Gastgewerbe in der Betriebsart "Gasthof" beantragt hatten, wurde diese dem Erstkläger mit Bescheid vom beschränkt auf den Standort ***** erteilt. Aufgrund eines 1984 erfolgten Ansuchens der Beklagten um die Konzession für den Betrieb des Gastgewerbes in der Betriebsart "Gasthaus" wurde am die Gaststätte besichtigt und dabei verschiedene Mängel festgestellt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom wurde der Beklagten die Konzession für den Betrieb des Gastgewerbes in der Betriebsart "Gasthaus" unter der Bedingung erteilt, daß im einzelnen genannte Auflagen erfüllt bzw stets beachtet werden.

Nach Erfüllung der Auflagen nahm die Beklagte mit den Gasthausbetrieb unter der Etablissementbezeichnung "*****" auf. Mit dem wiederum als Pachtvertrag bezeichneten weiteren Vertrag vom , dem wiederum eine Inventarliste über das vorhandene Mobiliar und Geschirr angeschlossen war, gaben die wiederum als Verpächter bezeichneten Kläger der wiederum als Pächterin bezeichneten Beklagten das Haus ***** 18 (ausgenommen das Obergeschoß), bestehend aus Küche, drei Gastzimmern einschließlich Veranda, einem Abstellraum, einem WC und einem Brennstoffraum, weiters die Terrasse und die Parkplätze östlich des Gebäudes zur Errichtung und Führung eines Gastgewerbebetriebes ab auf unbestimmte Zeit um einen monatlichen Pachtschilling von wertgesichert 5.000 S 3.500 S für die Räumlichkeiten und 1.500 S für die Einrichtungsgegenstände) zuzüglich USt in Bestand.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren, das Rechtsverhältnis der Streitteile sei in Ansehung des Geschäftslokales in ***** 18 ein Pachtverhältnis, ab, weil es, dem Prozeßstandpunkt der Beklagten folgend, vom Vorliegen eines Mietverhältnisses ausging. Von 1979 bis zur Verpachtung 1983 sei kein Gasthausbetrieb geführt worden, sodaß ein lebendes Unternehmen nicht mehr vorhanden gewesen sei. Die Beklagte habe ursprünglich nur einen Buschenschank geführt, dies sei etwas anderes als ein Gasthausbetrieb; außerdem sei der Beklagten die Konzession nur unter Auflagen erteilt worden, deren Nichterfüllung eine Aufhebung dieser Konzession zur Folge gehabt hätte. Der Beklagten seien nur Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden, sie habe erst durch Einsatz eigener Mittel, den Erwerb einer eigenen Konzession und die Anschaffung der übrigen Betriebsmittel den Gasthausbetrieb führen können.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es übernahm dessen Feststellungen, traf nach Beweisergänzung ergänzende Feststellungen und vertrat im wesentlichen die Rechtsauffassung, die beiden Bestandverträge seien im Zusammenhang zu betrachten. Bei Abschluß des ersten Vertrages sei der Gasthausbetrieb bereits seit etwa vier Jahren stillgelegt gewesen, demgemäß sei von den Klägern weder ein Kundenstock zugeführt noch ein Warenlager übergeben worden und das Schwergewicht daher in der Überlassung von Räumlichkeiten gelegen. Wesentliche Grundlagen für den Unternehmensbeginn (Konzession, behördlich vorgeschriebene bauliche Umgestaltungen) seien erst von der Beklagten zu schaffen gewesen. Unter diesen Umständen liege kein Fall vor, wonach auch ein erst zu errichtendes Unternehmen tauglicher Gegenstand eines Pachtvertrages sein könne. Den Klägern fehle auch ein eindeutig erkennbares betriebswirtschaftliches Interesse an der Einhaltung der Betriebspflicht, zumal sie selbst keinen Betrieb geführt hätten und ein vom Betriebsergebnis unabhängiger Bestandzins vereinbart worden sei. Auch die "Aufspaltung" des Bestandzinses für Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände sprechen gegen die Übergabe eines Unternehmens.

Die ao Revision der Kläger ist zulässig und gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Feststellungsinteresse der Kläger iS des § 228 ZPO ist nicht fraglich, weil die Beklagte das Bestehen eines den Bestimmungen des MRG unterliegenden Mietverhältnisses behauptet. In Übereinstimmung mit der Auffassung der zweiten Instanz sind die beiden Bestandverträge nicht gesondert zu beurteilen, zumal auch das Klagebegehren ganz allgemein darauf gerichtet ist, das zwischen den Streitteilen bestehende Rechtsverhältnis sei ein Pachtverhältnis. Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich keine allgemein gültigen Regeln aufstellen, sondern es kommt stets auf die Gesamtheit aller erheblichen Umstände des Einzelfalles (MietSlg 40.110, 40.114 mwN; SZ 58/8 = MietSlg 37.125/7 uva; Würth in Rummel2, § 1091 ABGB Rz 2 mwN) und auf die Zweckbestimmung der Bestandsache bei Vertragsabschluß bzw auf die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse an (MietSlg 7.034; 8 Ob 534/89; Binder in Schwimann, § 1091 ABGB Rz 8). Im allgemeinen ist aber die Vereinbarung einer Betriebspflicht wie hier das wesentlichste Kriterium für die Annahme eines Pachtvertrages (MietSlg 40.110, 38.457, 38.135; SZ 58/8 uva; Klang in Klang2 V 28; Würth aaO), sofern sie auf einem wirtschaftlichen Interesse am Bestehen und der Art des Betriebes beruht (MietSlg 39.100; SZ 58/8 ua; Würth aaO) und die vereinbarte Betriebspflicht nicht bloße Leerformel ist. Dieses Interesse besteht nicht nur bei vorheriger Führung des Unternehmens durch den Verpächter oder bei einer Abhängigkeit des Pachtschillings vom Betriebsergebnis, sondern schon angesichts des wirtschaftlichen Interesses des Bestandgebers an der Führung des Unternehmens für den Fall seiner weiteren Verpachtung.

Ein Unternehmenspachtvertrag liegt im allgemeinen dann vor, wenn ein sogenanntes "lebendes Unternehmen", also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Beriff des "good will" gehört, übergeben wird (MietSlg 40.114, 39.100, 38.457; SZ 58/8; Würth aaO), wobei nach herrschender Auffassung selbst ein zum Vertragszeitpunkt nicht nur vorübergehend stillgelegtes oder erst zu errichtendes Unternehmen Gegenstand einer Verpachtung sein kann, wenn dem Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des künftigen Unternehmens überlassen werden (MietSlg 39.103, 35.164, 32.162/23 ua; Würth aaO). Neben den Räumlichkeiten ist dies das, was für den Betrieb des in Bestand gegebenen Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel, wie die Geschäftseinrichtung und das Warenlager, der Kundenstock und die Gewerbeberechtigung, allenfalls das erforderliche Personal. Das bedeutet allerdings noch nicht, daß im Einzelfall all diese Merkmale gleichzeitig zutreffen müssen, um Unternehmenspacht annehmen zu können. So kann das Warenlager gänzlich fehlen, die Gewerbeberechtigung vom Bestandgeber selbst zu besorgen sein oder der Kundenstock nur klein sein (Binder aaO, Rz 17 mwN). Bei einem einschließlich Mobiliar und Geschirr übergebenen Gasthausbetrieb kommt dem Warenlager (Lebensmittel, Getränke etc) keine besondere Bedeutung zu, gleiches gilt ebenso für den Kundenstock, der in einer kleineren Ortschaft wie *****, die überdies ein Wallfahrtsort ist, auch bei längerer Stillegung des Gasthausbetriebes wieder aktiviert werden kann (MietSlg 5.367; Binder aaO, Rz 20). Die Notwendigkeit von Investitionen spricht nicht gegen ein Pachtverhältnis, weil eine Unternehmenspacht auch dann vorliegen kann, wenn sich das Unternehmen in sehr schlechtem Zustand befindet (6 Ob 596/89). Fehlt es an einzelnen für die Überlassung eines Unternehmens zu dessen Betrieb typischen Merkmalen wie hier, so ist entscheidend, ob die dafür maßgeblichen Elemente in wirtschaftlicher Hinsicht im Einzelfall überwiegen, welchen Elementen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (JBl 1989, 310; SZ 58/8; MietSlg 32.162/23 uva). Die wesentlichen Grundlagen waren hier die mit Mobiliar und Geschirr etc ausgestatteten Räumlichkeiten an einem Standort (Wallfahrtsort), wobei schon Jahre vorher ein Gasthaus betrieben wurde und die vereinbarte Betriebspflicht der Bestandnehmerin. Der Oberste Gerichtshof beurteilt deshalb hier das Bestandverhältnis der Streitteile als Pachtvertrag, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen iS einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO bzw §§ 41, 50 ZPO. Dem Klagevertreter unterlief in seiner Kostennote betreffend das erstgerichtliche Verfahren bei richtigen Ansätzen ein Additionsfehler.