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OGH vom 30.05.2006, 3Ob35/06b

OGH vom 30.05.2006, 3Ob35/06b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. Gernot Murko, Rechtsanwalt, Klagenfurt, Herrengasse 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der O***** GmbH, Klagenfurt, wider die verpflichtete Partei Waltraud K*****, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 378/05p-12, womit u.a. der Beschluss des Bezirksgerichts Wolfsberg vom , GZ 6 E 3871/05p, 4180/05d und 4181/05a-7, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen Punkt I. der angefochtenen Entscheidung richtet, zurückgewiesen.

2. In Ansehung des Punktes II. der angefochtenen Entscheidung wird ihm dagegen teilweise dahin Folge gegeben, dass die Sicherheitsleistung für die Aufschiebung der bewilligten Fahrnisexekution auf 1,4 Mio. EUR erhöht wird.

3. Die Kosten des Revisionsrekurses werden mit 4.035,22 EUR (darin 672,70 EUR USt) als weitere Kosten des Fahrnisexekutionsverfahrens AZ 6 E 4180/05d des Erstgerichts bestimmt.

Text

Begründung:

Auf die Vorentscheidung des erkennenden Senats vom zur gleichen Geschäftszahl in Erledigung des Rechtsmittels der betreibenden Partei gegen Beschlusspunkt III. des Rekursgerichts wird verwiesen.

Aufgrund eines von ihm erwirkten, in zweiter Instanz zur Gänze bestätigten und vollstreckbaren Urteils führt ein Masseverwalter gegen die Verpflichtete zur Hereinbringung von 1,412.681,41 EUR s.A. Exekution, u.a. durch Zwangsversteigerung einer Liegenschaft und Fahrnisexekution. Gestützt auf die von ihr gegen das Urteil zweiter Instanz eingebrachte außerordentliche Revision beantragte die Verpflichtete die Aufschiebung auch dieser beiden Exekutionen. Dazu brachte sie u.a. vor, es drohe ihr ein unersetzlicher, jedenfalls aber schwer zu ersetzender Vermögensnachteil, der offenkundig sei. Aufgrund des Exekutionsbewilligungsbeschlusses könne die betreibende Partei die fragliche Liegenschaft sofort versteigern sowie Fahrnisse aller Art pfänden und anschließend verkaufen lassen, wodurch sie ihres Eigentums verlustig ginge, noch bevor der Rechtsstreit abgeschlossen sei. Die Offenkundigkeit der Gefahr gelte umso mehr, als als betreibende Partei der Masseverwalter eines insolventen Unternehmens auftrete, wo jegliche Rückforderung allfälliger Ansprüche mehr als fraglich sei. Der betreibende Gläubiger könne die angeführte Liegenschaft sofort unter Zwangsverwaltung stellen, wodurch ihr noch vor Abschluss des Rechtsstreits schwere Vermögensnachteile drohten. Dagegen wäre die Befriedigung des betreibenden Gläubigers durch die Aufschiebung in „keinster" Weise gefährdet, weil eine Verringerung des Verwertungserlöses aus den Liegenschaft bzw. Fahrnissen aufgrund der Aufschiebung nicht zu befürchten sei.

Das Erstgericht wies den Aufschiebungsantrag in Ansehung der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft in seinem Sprengel ab, schob dagegen - gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 1,665 Mio. EUR - die Fahrnisexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die außerordentliche Revision auf.

Infolge Rekurses allein der Verpflichteten änderte das Gericht zweiter Instanz die Entscheidungen insoweit ab, als es auch gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR die Zwangsversteigerung bis zum genannten Zeitpunkt aufschob (Punkt I.) und in Ansehung des Aufschubs der Fahrnisexekution die Sicherheitsleistung auf 100.000 EUR (Punkt II.) herabsetzte. Entgegen der der allgemeinen Auffassung folgenden Ansicht des Erstgerichts, wonach von einer Gefährdung der verpflichteten Partei erst im Zuge der Erlassung des Versteigerungsedikts auszugehen sei, sei der hier gegebene Fall anders gelagert, weil der Verpflichteten als Gegner der Masseverwalter einer insolventen Kapitalgesellschaft gegenüberstehe. Die Verpflichtete verweise mit Recht darauf, dass schon im Hinblick auf die Höhe der betriebenen Forderung erhebliche Verfahrenskosten zu erwarten seien und die Gefahr einer beträchtlichen Kostenlast für sie bestehe, nämlich durch unnotwendige und letztlich rechtswidrige Verfahrensführung im Fall des Erfolgs ihrer außerordentlichen Revision. Darin liege eine nach § 44 Abs 1 EO zu qualifizierende Gefährdung auch schon im gegebenen Stadium des Versteigerungsverfahrens.

Der Gefahr eines teilweisen Zinsenausfalls werde durch eine Sicherheit von 50.000 EUR ausreichend Rechnung getragen. Die Höhe der nach § 44 Abs 2 Z 3 EO aufzuerlegenden Sicherheit sei ausschließlich nach dem betreibenden Gläubiger als Folge der Aufschiebung potenziell drohenden Schaden zu bemessen. Sie diene dem Zweck, diesem einen Fonds zu verschaffen, aus dem ihm allenfalls ein durch die Aufschiebung entstandener Schaden ersetzt werden könne. Im Fahrnisexekutionsverfahren wäre es angesichts der beträchtlichen Höhe der betriebenen Forderung völlig lebensfremd zu erwarten, dass allein durch dieses Verfahren Deckung der betriebenen Forderung erreicht werden könnte. Im gegebenen Anlassfall erscheine es dem Rekursgericht sachlich nicht gerechtfertigt, in Einklang mit der von der Rsp entwickelten Praxis bei einer wie hier noch nicht vollzogenen Exekution die Aufschiebung nur gegen volle Sicherheitsleistung zu bewilligen. Eine Sicherheitsleistung von 100.000 EUR sei angemessen, um für die hier zu erwartenden noch relativ kurze Dauer der Aufschiebung einen entsprechenden Haftungsfonds für den möglicherweise zu erwartenden Maximalausfall der betreibenden Partei bei der Fahrnisexekution zu schaffen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht von der Rsp des Obersten Gerichtshofs abweiche und auch die Einzelfallgerechtigkeit die Zulässigkeit begründen könne. Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zum Teil nicht zulässig, zum Großteil aber berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Aufschiebung der Exekution durch Zwangsversteigerung:

Nachdem das Erstgericht den Antrag auf Aufschiebung der Exekution durch Zwangsversteigerung einer Liegenschaft abgewiesen hatte, bewilligte das Gericht zweiter Instanz diesen Antrag gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 50.000 EUR und machte demnach Aufschiebung iSd § 44 Abs 2 EO von dieser - nach der Aktenlage bis dato nicht erlegten - Sicherheitsleistung abhängig. Eine einstweilige Verfügung (EV), die vom Erlag einer der gefährdeten Partei auferlegten Sicherheit abhängig gemacht wird, wird erst durch den Erlag wirksam (4 Ob 177/01k = RdW 2002, 287; 4 Ob 178/01g = SZ 74/174 = EvBl 2002/55, je mwN). Wie der Oberste Gerichtshof in den genannten Entscheidungen aussprach, ist der Gegner der gefährdeten Partei durch die EV vor Erlag der Sicherheit durch die gefährdete Partei nicht beschwert, selbst wenn ihm die EV vor ihrem Wirksamwerden - und damit verfrüht - zugestellt wird.

Wie bereits das Landesgericht Eisenstadt als Rekursgericht erkannte (13 R 269/04p; RIS-Justiz RS0000062), kann für eine von einer Sicherheitsleistung abhängig gemachte Aufschiebung der Exekution (§ 44 Abs 2 EO) nichts anderes gelten (zur Wirksamkeit bereits 3 Ob 19/74; RIS-Justiz RS0001603; Heller/Berger/Stix, EO4 554; Jakusch in Angst, EO, § 44 Rz 45; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 44 Rz 22). Von dieser Rechtsansicht ging auch schon die E 3 Ob 15/73 = MietSlg 25.595 aus. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Beschwer des betreibenden Gläubigers, auch wenn der Aufschiebungsbeschluss an ihn zugestellt wurde, vor Erlag der Sicherheit durch die Verpflichtete verneint werden muss. Der Revisionsrekurs, mit dem sich der betreibende Gläubiger nicht gegen die Höhe der von der zweiten Instanz im Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung der Verpflichteten auferlegten Sicherheit wendet, ist daher insoweit zurückzuweisen.

Es ist daher nicht weiter zu prüfen, ob die nachträgliche Aufschiebung der Exekution wegen einer Zahlungsvereinbarung nach §§ 200a, 45a EO - hier durch das Erstgericht nach Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom ON 24 - Einfluss auf das Rechtsmittelverfahren haben könnte.

2. Zur Höhe der Sicherheitsleistung bei der Fahrnisexekution:

Wie das Rekursgericht ohnehin erkennt, weicht es mit seiner Ansicht, auch vor Vollzug der Fahrnisexekution bedürfe es keiner vollen Sicherheit von der stRsp des Obersten Gerichtshofs ab. An dieser Rsp hat der Oberste Gerichtshof ungeachtet der in der Lehre vereinzelt geäußerten Kritik festgehalten (3 Ob 207/99h = ecolex 2000, 650 = RpflE 2000/80; RIS-Justiz RS0001590; ebenso Jakusch aaO § 43 Rz 8 mwN). Im Hinblick darauf, dass die Aufschiebung der Exekution zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr bekämpft wird, ist auf die weitere, einen anderen Aspekt betreffende Kritik von Mini (Die Aufschiebung der Exekution 77 f) nicht einzugehen.

Ausreichende Gründe, die ein Abgehen von der Rsp im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen würden, lassen sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Zwar mag es zutreffen, dass es lebensfremd wäre, zu erwarten, die Fahrnisexekution könne Deckung der hohen betriebenen Forderung erbringen. Allerdings fehlen bisher konkrete Anhaltspunkte in den Exekutionsakten dafür; es lag aber an der Verpflichteten, dass sie den Aufschiebungsantrag auch in Ansehung der Fahrnisexekution zu einem Zeitpunkt stellte, in dem ein Ergebnis dieser Exekution noch nicht abschließend beurteilt werden konnte. Da es sich bei den Kosten des gegen den Masseverwalter Obsiegenden um Masseforderungen handelt (3 Ob 138/03w = ZIK 2004/75 = RpflE 2003/101), die der Masseverwalter - vom Fall des § 124a KO abgesehen - unverzüglich zu befriedigen hat (§ 124 KO), kann im übrigen die Tatsache, dass ein Masseverwalter betreibende Partei ist, für sich allein eine Gefährdung des Verpflichteten iSd § 44 Abs 1 EO nicht begründen. Da aber die Aufschiebung an sich unbekämpft blieb, hat die Frage hier auf sich beruhen.

Der Revisionsrekurs des betreibenden Gläubigers ist daher insoweit teilweise berechtigt. Im vollem Umfang deshalb nicht, weil bei der Bemessung der Sicherheit auch die für die Forderungsexekution und für die Zwangsversteigerung bereits festgesetzten Sicherheitsleistungen von insgesamt 150.000 EUR berücksichtigt werden müssen. Geht man von dem vom Erstgericht angenommenen Deckungserfordernis von 1,65 Mio. EUR aus, ist demnach die Aufschiebung der Fahrnisexekution von einer Sicherheitsleistung von insgesamt 1,4 Mio. EUR abhängig zu machen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 74 EO iVm § 78 EO, §§ 50, 41 ZPO. Das Verfahren blieb einseitig, weil die Verpflichtete die ihr freigestellte Revisionsrekursbeantwortung nicht erstattete. Ausgehend von einer Abänderung um 1,3 Mio. EUR beträgt der Ansatz nach TP 3C des RATG 2.242,35 EUR.