OGH vom 27.01.1998, 7Ob343/97k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr.Margit Schoeller, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Theresia F*****, vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 63/97x-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 4 C 1358/95h-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist die Eigentümerin der Liegenschaft in 1070 Wien, N*****gasse 84. Das Hofgebäude dieser Liegenschaft bestand ursprünglich in auf vier Ebenen angeordneten Fabrikshallen und einem daran anschließenden Stiegenhaus. Nachdem das Gebäude längere Zeit leergestanden war, wurde es aufgrund einer am erteilten Baubewilligung und eines Abweichungen bewilligenden Bescheides vom umgestaltet. An der Außenseite des Gebäudes wurde im Bereich des Stiegenhauses ein Lift errichtet. Die Fenster in Richtung N*****gasse wurden teils verbreitert, teils verengt. Die in den vier Geschoßen vorhandenen Fabrikshallen wurden dahin unterteilt, daß durch nicht tragende Zwischenwände ein vom Stiegenhaus her begehbarer Gang und jeweils fünf Wohneinheiten geschaffen wurden, die jeweils aus einem Zimmer, einem Vorraum und einen Bad mit Toilette bestehen. Die Böden wurden isoliert aufgebracht. Die Sanitiärräume wurden mit den entsprechenden Wasseranschlüssen und Abflüssen, die übrigen Räume mit Gas- und Stromanschlüssen versehen. Die Versorgungsleitungen wurden teils erneuert, teils überhaupt neu errichtet. Das Stiegenhaus, das Dach und die Zwischendecken blieben erhalten. Die Bauarbeiten wurden nicht öffentlich gefördert.
Mit schriftlichem Mietvertrag vom mietete die Beklagte die in diesem Hofgebäude gelegene Wohnung Tür Nr. 1 ab . Im Mietvertrag wurde vereinbart, daß das Mietverhältnis am endet, ohne daß es einer Aufkündigung bedarf.
Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die Räumung der Wohnung, weil die einjährige Befristung des Mietvertrages abgelaufen sei.
Die Beklagte bestritt die Wirksamkeit der Befristung mit der Behauptung, daß die Errichtung des Mietobjektes mit öffentlichen Mitteln gefördert sowie daß das Hofgebäude bereits im Jahr 1861 errichtet worden sei.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Die Befristung gemäß § 29 Abs 2 Z 3 lit a MRG sei wirksam vereinbart worden, weil zwar nicht das Gebäude (§ 1 Abs 4 Z 1 MRG), wohl aber der Mietgegenstand nach dem ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu errichtet worden sei.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob ein Umbau wie der hier vorliegende zu einer Neuschaffung des Mietobjektes im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG führe, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Die Auflösung eines Mietvertrages durch Zeitablauf setzt nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG unter anderem voraus, daß der Mietgegenstand nach dem errichtet wurde. Die EB zur RV des MRG (425 BlgNR 15. GP 42) weisen darauf hin, daß durch diese Bestimmung die Sonderregelung des § 1 Abs 3 Z 1 MG beibehalten werden soll. Zur Auslegung des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG kann daher die Rechtsprechung zur entsprechenden Bestimmung des MG herangezogen werden. Der Begriff der Errichtung im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 MRG ist somit gleichzusetzen der "Neuschaffung" des Mietgegenstandes im Sinn des § 1 Abs 3 Z 1 MG durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau. Sie deckt sich auch mit dem Begriff der "Neuschaffung" des § 16 Abs 1 Z 2 MRG (WoBl 1992/93; 4 Ob 2273/96k je mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes liegt eine Neuschaffung von Räumen (jetzt: von Mietgegenständen) vor, wenn durch bauliche Maßnahmen Räume (jetzt: Mietgegenstände) gewonnen werden, die entweder bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen oder zur Verwendung als Wohn- oder Geschäftsräume nicht geeignet waren. Darunter fällt zB (wie zunächst von der Rechtsprechung angenommen wurde - MietSlg 38.327; 4 Ob 2273/96k - und nunmehr ausdrücklich im Gesetz angeführt ist) der Ausbau eines Dachbodens. Die Neuschaffung von Nebenräumen oder die bloße Umgestaltung vorhandener, wenn auch schlecht ausgestatteter Wohn- und Geschäftsräume in gut ausgestattete stellt hingegen keine Neuschaffung dar, mag sie auch neben einer baubehördlichen Bewilligung aufwendige Instandsetzungsarbeiten gefordert haben (MietSlg 33.262; MietSlg 34.378; MietSlg 37.305/5; SZ 49/72). "Neuschaffung" in diesem Sinn setzt aber nicht voraus, daß ein konkretes Bestandobjekt physisch untergegangen ist. Es genügt, daß es für den bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar wurde (WoBl 1992/10). Verneint wird die Annahme der Neuschaffung von Mietgegenständen, wenn die für die betreffenden Räume wichtigen Teile eines Hauses im wesentlichen unbeschädigt geblieben sind (MietSlg 3752; MietSlg 5019), bejaht hingegen, wenn allgemeine Teile des Hauses wie etwa das Stiegenhaus schwer beschädigt waren (WoBl 1992/93) oder wenn eine völlige Umgestaltung des Inneren eines Gebäudes, verbunden mit dem Niederreißen und Neuherstellen von Baulichkeiten oder Teilen eines Bauwerkes stattfand (MietSlg 33.263 mwN).
Wie diese Beispiele zeigen, sind die Grenzen einer "Neuschaffung" im Sinn der §§ 29 Abs 3 Z 1 lit a, 16 Abs 1 Z 2 MRG fließend (MietSlg 5017; WoBl 1992/93).
Im vorliegenden Fall wurde zwar das Innere des Gebäudes nicht "ausgehöhlt", und es wurden keine Wände oder Decken abgerissen und neu aufgeführt. Es war aber von vorneherein nur eine Einteilung in einzelne Geschoße vorhanden, sodaß sich ein Niederreißen von Zwischenwänden erübrigte. Es kann in rechtlicher Hinsicht auch keinen wesentlichen Unterschied machen, ob nur eine einzige ursprünglich vorhandene Halle, bei der jegliche Zwischenwände fehlen, in einen Gang und mehrere Wohneinheiten mit jeweils mehreren Räumen aufgeteilt wird oder ob derartige Einbauten bei mehreren, wenn auch übereinander angeordneten Hallen erfolgen. Es handelt sich beim hier strittigen Mietgegenstand wie auch bei allen anderen Wohnungen nicht um ein mit dem Gesamtgebäude oder mit dem jeweiligen Geschoß dieses Gebäudes identes Mietobjekt (wie dies bei der Entscheidung 4 Ob 2273/96k = SZ 69/239 der Fall war), sodaß die Frage, ob eine Neuschaffung des Mietobjektes vorliegt, nicht mit der Frage, ob eine Neuerrichtung des Gebäudes im Sinn des § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliegt, gleichgestellt werden kann. Die zu letzterer Bestimmung ergangene Rechtsprechung, daß die Neuerrichtung eines Gebäudes, die grundsätzlich von der Schaffung vorher nicht vorhandener Bestandgegenstände zu unterscheiden ist, die Weiterverwendung bestehender Räume ausschließe und nur durch den wertendene Vergleich mit der Neuerrichtung eines Gebäudes ohne Weiterverwendung von Teilen eines schon bestehenden Gebäudes erfolgen könne (5 Ob 80/85: Umwandlung eines Stalles in einen Verbrauchermarkt; WoBl 1995/6: Umwandlung einer Scheune in eine Reparaturwerkstätte; weiters 5 Ob 43/97b ua), ist daher auf den vorliegenden Fall nicht ohneweiteres übertragbar. Daß hier eine Neuerrichtung des Gebäudes, in dem die nunmehrigen Mietgegenstände liegen, erfolgt wäre, wurde hier ohnehin unbestritten verneint.
Soll daher noch ein Unterschied zwischen den beiden getrennt angeführten und mit unterschiedlichen Rechtsfolgen versehenen Tatbeständen der Neuerrichtung von Gebäuden und der (bloßen) Neuschaffung von Bestandobjekten im Sinn der §§ 16 Abs 1 Z 2 und 29 Abs 3 Z 1 lit a MRG bestehen bleiben, kann bei letzterem Tatbestand nicht schon allein deshalb das Vorliegen der Neuschaffung von Bestandräumlichkeiten verneint werden, wenn überhaupt noch irgendein umbauter Raum aus dem Altbestand, nämlich hier die einzelnen leerstehenden Fabrikshallen, als "Außenhaut" bestehen bleibt. Auch beim Dachbodenausbau, der als Neuschaffung von Bestandräumen anzusehen ist, lag bereits vor dem Umbau ein umbauter Raum vor.
Das Abstellen auf den Zweck der hier zu prüfenden Bestimmung führt ebenfalls zu einer Bejahung der Neuschaffung des strittigen Bestandobjektes. Der nach wie vor aufrechte Zweck des § 1 Abs 3 Z 1 MG lag darin, im Interesse der Linderung der Raumnot die Bautätigkeit zur Schaffung neuer Wohn- und Geschäftsräume durch Befreiung dieser Räume von den Beschränkungen des MG anzuregen (MietSlg 34.378; MietSlg 37.583/5; MietSlg 38.327). Seit Jahren leerstehende ehemalige Fabrikshallen, die teils gar keine, teils unzureichende Anschlüsse an das öffentliche Versorgungsnetz und keine Bodenisolierung aufweisen, vermögen den Mangel an Wohnungen und Geschäftslokalen ebensowenig entgegenzuwirken als unausgebaute Dachböden, denen das Gericht zweiter Instanz die ursprünglich vorhandenen Hallen daher zutreffend rechtlich gleichgestellt hat.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.