OGH 13.02.2002, 2Ob37/02h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Markus P*****, geboren am , infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing. Alexander P*****, vertreten durch Dr. Günter Tews & Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 656/01f-73, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom , GZ 14 P 107/98p-69, bestätigt, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl Nr 646/1977 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung:
Im pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsvergleich vom verpflichtete sich der Vater ab zu einer monatlichen Unterhaltsleistung in der Höhe von S 7.500 für den Minderjährigen.
In dem Vergleich wurde festgehalten, dass die Mutter die Familienbeihilfe bezieht, der Unterhaltsbemessung ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von ca S 40.000 zugrundegelegt wird und der Vater keine weiteren Sorgepflichten hat.
Über Antrag des Minderjährigen erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab auf monatlich S 9.600. Es ging hiebei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Der Vater hat nur für den Minderjährigen gesetzlich zu sorgen. Er erzielte im Jahre 2000 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 51.809, im Jahr 2001 ein solches von monatlich S 49.422, jeweils zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen, abzüglich Eigenvorsorgeprämie, Einmalprämie, IEB.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Minderjährige habe einen Unterhaltsanspruch von 20 % des monatlichen Durchschnittseinkommens des Vaters, was für das Jahr 2000 einen Unterhaltsanspruch von monatlich S 10.360 und für das Jahr 2001 einen solchen von monatlich S 9.900 ergebe. Der Durchschnittsbedarf eines Kindes im Alter zwischen 10 bis 15 Jahren betrage monatlich S 3.830. Dieser Betrag könne, wenn dies dem Vater zumutbar sei, bis zum 2 ½ fachen erhöht werden. Da mit dem von der Mutter geforderten Betrag die Höchstgrenze erreicht sei, könne dem Vater der geforderte Betrag zugemutet werden.
Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters zur Gänze; hinsichtlich des Leistungsbefehles wurde die Entscheidung im Umfang eines Betrages von S 2.000 aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Zum Rekursvorbringen, dass aufgrund der Entscheidung des , der Geldunterhaltsanspruch des Minderjährigen um S 1.565 bzw S 1.530 monatlich zu kürzen wäre, weil die Mutter die Familienbeihilfe beziehe, erwiderte das Rekursgericht, es bestehe keine Bindung der ordentlichen Gerichte an die Rechtsprechung des VfGH. Der von diesem in der obgenannten Entscheidung vorgeschlagenen teleologischen Reduktion des § 12a FamLAG könne nicht beigetreten werden. Sowohl aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung, als auch aus der gleichzeitig geschaffenen Bestimmung des § 2 Abs 2 FamLAG ergebe sich eindeutig, dass der einfache Bundesgesetzgeber bei Schaffung dieser Bestimmung sehr wohl auch an den Fall gedacht habe, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil nicht mit dem die Familienbeihilfe beziehenden anderen Elternteil und dem gemeinsamen Kind im selben Haushalt lebe und gerade dieser Fall dahingehend gelöst werden sollte, dass die Familienbeihilfe den Unterhaltsanspruch des Kindes in keiner Weise mindere. Die Familienbeihilfe habe seit den Charakter einer Betreuungshilfe und sei in diesem Sinn ein Einkommen derjenigen Person, die diese Betreuung tatsächlich leiste, ohne dass der Betrag der Familienbeihilfe unmittelbar dem Kind zuzuwenden sei.
Sei der - verfassungswidrige - Wille des einfachen Gesetzgebers klar, erscheine eine verfassungskonforme Auslegung durch teleologische Reduktion problematisch. Aus all dem folge, dass ein allenfalls erforderlicher Ausgleich zwischen den Eltern hinsichtlich der ihnen gewährten Familienförderungen nicht im Wege der Unterhaltsbemessung erfolgen könne, weshalb die Familienbeihilfe nicht mindernd bei der Ausmessung der Unterhaltsverpflichtung des geldunterhaltspflichtigen Vaters zu berücksichtigen sei.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei der Unterhaltsbemessung noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der neuerlich auf das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verweist. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Unterhaltserhöhungsbegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Aus Anlass des Revisionsrekurses eines anderen geldunterhaltspflichtigen Vaters mit ähnlicher Argumentation hat der 6. Senat des Obersten Gerichtshofes zu 6 Ob 243/01f an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 12a FLAG idF BGBl Nr 646/1977 als verfassungswidrig aufzuheben, und hiezu Folgendes ausgeführt:
Rechtliche Beurteilung
"Der Verfassungsgerichtshof hatte sich aus Anlass einer gegen einen Einkommensteuerbescheid gerichteten Beschwerde mit der dort behaupteten Verfassungswidrigkeit der §§ 20 Abs 1 Z 1, 33 Abs 4 Z 3 lit b und 34 Abs 7 Z 2 und 4 EStG 1988 zu befassen. Der Beschwerdeführer - ein unterhaltspflichtiger Vater - hatte geltend gemacht, die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Unterhaltslasten gegenüber den dem Haushalt des Geldunterhaltspflichtigen nicht zugehörigen Kindern erfüllten nicht jene Anforderungen, die der VfGH in seiner bisherigen Judikatur zur Familienbesteuerung aufgestellt habe. Als getrennt lebender Elternteil könne der Geldunterhaltspflichtige lediglich den bereits als ungenügend beurteilten Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen; er partizipiere jedoch wegen § 12a FLAG nicht an der - den Familienlastenausgleich bezweckenden - Familienbeihilfe und erhalte daher auch nicht die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung.
Der VfGH teilte diese Bedenken nicht. Das von der Beschwerde aufgeworfene Problem reduziere sich auf die Frage, ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber die bei gemeinsamer Haushaltsführung im Ergebnis eintretende Entlastung des einkommensbeziehenden Elternteils auch im Falle des Geldunterhalts sicherzustellen habe. Dabei sei zu beachten, dass die Funktion der Familienbeihilfe von Einkommenshöhe und Steuerprogression abhängig sei: Während sie in unteren Einkommensstufen als Förderung des Kindes wirke, diene sie bei höheren Einkommen zunehmend der notwendigen steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen. Der im Einzelfall nötige Ausgleich könne nicht im Steuerrecht und nicht im Zuge der Transferleistungen hergestellt werden. Die den konkreten Verhältnissen gerecht werdende, im gemeinsamen Haushalt sich praktisch erübrigende Zuordnung der Transferleistungen sei daher im Fall getrennter Haushaltsführung der Eltern eine Frage der Bemessung des anstelle des Naturalunterhalts zu leistenden Geldunterhalts. Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen lasse und in § 12a FLAG eine Anrechnung auf den Unterhalt verbiete, so müsse das im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, dass die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten sollen, dass aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert werde wie im gemeinsamen Haushalt. Ziehe der Gesetzgeber nämlich die zunächst als bloße Förderung gedachten Transferleistungen angesichts der ihm durch die Verfassung auferlegten Schranken bei gehobenem Einkommen als Mittel zum verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung heran - wovon jedenfalls seit den auf die einschlägigen Entscheidungen des VfGH folgenden Fassungen des Gesetzes auszugehen sei - müsse der normative Gehalt des § 12a FLAG teleologisch auf jenen Bereich reduziert werden, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Ob und in welchem Ausmaß bei gegebenen Einkommensverhältnissen und angesichts der durch die getrennte Haushaltsführung verwirklichten Risken und in Kauf genommenen Nachteile die Transferleistungen über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus zur Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden müssen, hätten die Gerichte bei der Unterhaltsbemessung im Einzelfall zu entscheiden. Sie hätten dabei jenes Maß an Entlastung herbeizuführen, das - unter Außerachtlassung der die Belastung des Unterhaltspflichtigen erhöhenden Folgen der getrennten Haushaltsführung - den Kriterien entspreche, die von der Rechtsprechung des VfGH zur Unterhaltsleistung für haushaltszugehörige Kinder entwickelt wurden. Nach diesen Kriterien müsse steuerlich (zumindest) die Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhalts berücksichtigt werden. Gleiches gelte daher auch im Fall getrennter Haushaltsführung. Das verfassungskonforme Ergebnis werde dadurch erreicht, dass der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht durch teilweise Anrechnung der Transferleistungen und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt jene Entlastung erfahre, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die im jeweiligen Fall durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhalts entstehe.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass - nach Auffassung des VfGH - die für die Unterhaltsbemessung zuständigen Zivilgerichte im Wege einer teleologischen Reduktion des § 12a FLAG die dem haushaltsführenden Elternteil zukommende Familienbeihilfe in jenem Ausmaß auf die Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen (und nicht haushaltszugehörigen) Elternteils anzurechnen haben, das erforderlich ist, um - zusammen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag - die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommensteuer freizustellen. Im Ergebnis führt dies zu einer Reduktion der Unterhaltsverpflichtung, die sich nach den der Entscheidung des VfGH zugrunde liegenden Berechnungen bereits bei Unterhaltsverpflichtungen von 40.000 S jährlich und einem Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S jährlich auswirkt, somit auch durchschnittliche Einkommen betrifft.
Ob die aus verfassungsrechtlichen Gründen (Vermeidung einer Ungleichbehandlung der nicht haushaltszugehörigen Geldunterhaltspflichtigen) vorgeschlagene teleologische Reduktion des § 12a FLAG zulässig ist (eine Bindung der Zivilgerichte an die Auffassung des VfGH besteht nicht, siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33 S 799 [S 806]; Barth, Ist die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen?, RZ 2001, 248 [250]) richtet sich nach den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 6 Rz 21 mwN).
Gemäß § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 idF BGBl I 1998/79 hat Anspruch auf Familienbeihilfe die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach Satz 1 anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 12a FLAG idF BGBl 1977/646 gilt die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch. Die Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl I 1998/79 unverändert gelassen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe, sie soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"; RZ 1992/69 uva, RIS-Justiz RS0058747 und RS0047582). Die Materialien zu § 12a FLAG idF BGBl 1977/646 machen deutlich, dass die Familienbeihilfe - im Unterschied zur Fassung des § 12a FLAG vor dieser Novelle - zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird und nicht jene Person zu entlasten hat, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Haushalt es aber nicht teilt (RV 636 BlgNR 14. GP, 11; zur historischen Entwicklung dieser Bestimmung siehe Barth, RZ 2001, 248). Die Familienbeihilfe gehört demnach nicht zu den den Unterhaltsanspruch nach § 140 Abs 3 ABGB (bzw den Bedarf des Kindes, siehe Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 140 Rz 11) verringernden Einkünften (ÖA 1991, 78; EvBl 1992/73; RIS-Justiz RS0047498; Schwimann Unterhaltsrecht2, 47; Schwimann in Schwimann ABGB2 § 140 Rz 83; Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 229).
Der Oberste Gerichtshof meint, an dieser Auslegung in Anbetracht der klaren und eindeutigen Formulierung des § 12a FLAG im Zusammenhang mit der in den Gesetzesmaterialien (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers festhalten zu müssen.
Nach der hier vertretenen Auffassung fehlen die Voraussetzungen für die vom Verfassungsgerichtshof angeregte ergänzende Rechtsfortbildung. Eine teleologische Reduktion des normativen Gehalts von § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Familienbeihilfe nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt wird, ist danach mit den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nicht im Einklang. Die teleologische Reduktion verschafft der "ratio legis" nicht gegen einen engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der "ratio legis" notwendigen Ausnahmeregel. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 7 Rz 7). Die teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, aus dem sich die (den Gesetzeswortlaut letztlich) korrigierende Auslegung orientieren soll (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 480; Koziol/Welser, BürgR I11, 31; SZ 67/119; SZ 69/181; RIS-Justiz RS0008979 und RS0106113).
Zweck der Neufassung des § 12a FLAG durch BGBl 1977/646 war es, die Familienbeihilfe ungeschmälert jenem Haushalt zukommen zu lassen, in dem das Kind betreut wird. Die Regierungsvorlage (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) weist ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen, in denen ein Elternteil ein nicht zu seinem Haushalt gehöriges Kind alimentiert (für welches er auch nicht Familienbeihilfe bezieht), der nach der alten Rechtslage (vor BGBl 1977/646) bestehende Vorteil des Kinderabsetzbetrags für ihn verloren geht. Dieser Vorteil komme jedoch in Form der höheren Familienbeihilfe unmittelbar dem anderen Elternteil zu, in dessen Haushalt das Kind betreut werde und der die Last der Betreuung trage. Von diesem insoweit eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers ausgehend hat die ständige Rechtsprechung die Familienbeihilfe bisher stets ihrem Wesen nach als Betreuungshilfe beurteilt, die die Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern und die mit seiner Betreuung verbundenen Mehrbelastungen ausgleichen soll.
Vom eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers wäre nur dann abzugehen, wenn dieser von bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgegangen wäre, die sich seither geändert haben (Koziol/Welser I11, 25) oder sein Wille in Widerspruch zu den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers stünde und diese Ausdruck im positiven Recht gefunden hätten (Barth, RZ 2001, 248 [252]). Beides ist hier nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht der Fall. Schon der Gesetzgeber des Jahres 1977 war sich der Situation getrennt lebender Elternteile bewusst und hat gerade in diesem Bewusstsein die Familienbeihilfe jenem Haushalt ungeschmälert zugeordnet, der die Last der Betreuung trägt.
Dass die Überlegungen des VfGH den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers entsprechen und bereits Niederschlag im positiven Recht gefunden hätten, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erkennen. Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33, S 799) meint zwar im Anschluss an das Erkenntnis des VfGH B 1285/00, die Familienbeihilfe beinhalte sowohl eine Art sozialer Förderung bzw Betreuungshilfe, wolle aber darüber hinaus auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten; dies ergebe sich aus dem Ansteigen der Familienbeihilfe mit steigendem Alter des Kindes, während sich die Betreuungslasten indirekt proportional verhielten. Spätestens seit der Erhöhung der Familienbeihilfe durch das Budgetbegleitgesetz 1998 könne nicht mehr bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber die Familienbeihilfe (zumindest soweit dies bei höherem Einkommen erforderlich sei) als Steuerrefundierung bzw Negativsteuer ansehe. Dieses Argument vermag den klaren Nachweis dafür, dass der Wille des gegenwärtigen Gesetzgebers den Überlegungen des VfGH entspricht, wonach die Familienbeihilfe bei Bemessung eines Geldunterhaltsanspruches nur dann nicht berücksichtigt werden sollte, wenn diese Transferleistung nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werde, schon deshalb nicht überzeugend zu erbringen, weil der Gesetzgeber auch anlässlich der Erhöhung dieser Transferleistung durch das Budgetbegleitgesetz 1998 § 12a FLAG nicht geändert hat. Damit ist aber auch der für die gewünschte Reduktion erforderliche "Telos" im dargestellten Sinn nicht zu erkennen.
Vielmehr ist der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998 (wie Barth aaO zutreffend aufzeigt) zu entnehmen, dass auch der gegenwärtige Gesetzgeber die mangelnde Entlastung des haushaltsfremden, geldunterhaltspflichtigen Elternteils bewusst in Kauf nimmt (RV 1099 BlgNR 20. GP, 16): Bei getrennt lebenden Ehegatten (bzw Eltern) sei es - so die Regierungsvorlage - "Sache privater Lebensgestaltung", dass ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushalts lebe. Der Gesetzesentwurf gehe davon aus, dass die durch ein Kind verursachten Unterhaltslasten auf das Kind bezogen durch die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen adäquat abgegolten seien. Der Umstand, dass die zur Abgeltung der Unterhaltslasten ausreichend vorgesehenen Transferleistungen nur deshalb nicht wirken würden, weil ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushaltes lebe, sei letztlich eine Folge der privaten Lebensgestaltung. Die fehlende (ausreichende) Abgeltung der Unterhaltslasten müsse daher als in der privaten Lebensgestaltung begründet steuerlich nicht anderweitig abgedeckt werden.
Die vom VfGH vorgeschlagene teleologische Reduktion des normativen Gehalts des § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Mehrbelastung benötigt werden, ist aber und vor allem auch deshalb nicht vorzunehmen, weil die aus der Regelung des § 12a FLAG auszunehmende Fallgruppe die Mehrheit aller Geldunterhaltspflichtigen umfasst und damit nicht bloß "verdeckte" Ausnahmefälle betrifft, auf die eine sonst grundsätzlich anzuwendende Regelung ausnahmsweise nicht passt. Damit würde im Wege der angestrebten teleologischen Reduktion nicht eine fehlende Ausnahmevorschrift ersetzt, sondern der Bestimmung des § 12a FLAG ihr Hauptanwendungsbereich genommen. Nach den Berechnungen des VfGH wirkt sich die angestrebte Anrechnung der Transferzahlungen nämlich bereits bei Unterhaltsansprüchen von 40.000 S jährlich und einem (als durchschnittlich zu bewertenden) Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S aus. Wollte man daher im Wege der teleologischen Reduktion des § 12a FLAG eine Anrechnung der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Geldunterhaltsleistungen nicht haushaltszugehöriger Elternteile immer dann zulassen, wenn diese zum Ausgleich einer überhöhten Steuerbelastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils benötigt werden, würde nicht eine zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Zweck des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt (Koziol/Welser I11, 31; Bydlinski Methodenlehre2 480; SZ 67/119; SZ 69/181), sondern vielmehr eine Gesetzesänderung verwirklicht. Die Korrektur einer als unbefriedigend empfundenen Regelung des Gesetzes ist aber nach herrschender Auffassung nicht Sache der Rechtsprechung, sondern Aufgabe des Gesetzgebers (Posch in Schwimann ABGB2 § 6 Rz 22; SZ 67/62; zu den Grenzen teleologischer Auslegung vgl auch Walter, Die Funktion der Höchstinstanzen im Rechtsstaat Österreich, RZ 1999, 58 [64]). Die - wie der VfGH meint - verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion scheitert also daran, dass diese dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, womit ein verfahrensrechtlich unhaltbarer Eingriff in die Kompetenz des Gesetzgebers verwirklicht würde (Säcker im Münchner Kommentar BGB4 Einleitung Rz 127 mwN).
Die fehlende Möglichkeit, § 12a FLAG im Sinn des VfGH nach zivilrechtlichen Grundsätzen teleologisch zu reduzieren, führt zur Auslegung dieser Bestimmung im Sinn des Verständnisses der bisher ständigen Rechtsprechung.
Bei Entscheidung über das Rechtsmittel des geldunterhaltspflichtigen Vaters hat der Oberste Gerichtshof § 12a FLAG anzuwenden. Gegen seine Anwendung bestehen nun - anders als in früheren Verfahren - aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken. Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 12a FLAG ab vertrat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 Ob 537/94 (= JBl 1995, 372) die Aufassung, der offenbare Zweck dieser Bestimmung (nicht den Geldunterhaltsschuldner, sondern den das Kind betreuenden Teil zu entlasten) zerstreuten die verfassungsrechtlichen Bedenken, die damals insoweit geäußert wurden, als die Familienbeihilfe - anders als andere Beihilfen - nicht als eigenes Einkommen des Minderjährigen zu einer Unterhaltsverminderung führte. Auch die Entscheidung 1 Ob 218/00s verneinte in ihrer Kurzbegründung verfassungsrechtliche Bedenken.
Im Anschluss an die zur Frage der steuerlichen Entlastung von Unterhaltszahlungen ergangene Entscheidung des VfGH B 1285/00 und die durch nicht unwesentliche Erhöhung der Familienbeihilfe erfolgte Besserstellung des betreuenden Elternteils entstehen schließlich doch Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung.
Wie bereits dargestellt, kommt die Familienbeihilfe bei getrennten Haushalten zur Gänze dem das Kind betreuenden Elternteil zu, wobei - nach der hier vorgenommenen Auslegung - eine - auch nur teilweise - Anrechnung auf den Geldunterhaltsanspruch gegen den nicht haushaltszugehörigen anderen Elternteil zu unterbleiben hat. Damit verhindert § 12a FLAG die verfassungsrechtlich gebotene, vom Gesetzgeber angestrebte und durch die Familienbeihilfe als Transferleistung auch erzielbare steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Er wird damit sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört und gegenüber jenem Elternteil schlechter gestellt, in dessen Haushalt das Kind betreut wird (Art 7 Abs 1 B-VG). Die Ungleichbehandlung in Relation zum haushaltsführenden Elternteil liegt darin, dass die Transferleistungen, die der Gesetzgeber zur Erleichterung der Kinderlast vorgesehen hat (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag), nach den zitierten Bestimmungen des FLAG dem haushaltsführenden Elternteil allein zustehen, während der geldunterhaltspflichtige Vater nur den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen kann, ohne dass ein Teil dieser Transferleistung angerechnet würde.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass des zur Prüfung von Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes eingeleiteten Verfahrens B 1285/00 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12a FLAG im Hinblick auf die schon früher geforderte steuerliche Entlastung von Geldunterhaltspflichten erkennen lassen. Er konnte § 12a FLAG jedoch nicht (auch nicht von Amts wegen) aufheben, weil dort ein Einkommensteuerbescheid bekämpft wurde, wofür § 12a FLAG nicht präjudiziell war (Zorn, S 807). Es wird nicht verkannt, dass der VfGH über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden hat. Im Hinblick auf die Rechtskraft einer solchen Entscheidung ist im Fall der Abweisung eines Normenprüfantrags eine abermalige Befassung des VfGH daher nur dann zulässig, wenn Bedenken geltend gemacht werden, über die der VfGH in seinem Erkenntnis noch nicht befunden hat (Hiesel, Die Rechtsprechung des VfGH zur Zulässigkeit gerichtlicher Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge, ÖJZ 1997, 841 [842] mwN aus der Jud des VfGH). Der VfGH hat in dem hier in Rede stehenden Erkenntnis vom , B 1285/00, jedoch weder über einen Antrag auf Prüfung des § 12a FLAG entschieden noch diese Bestimmung einer formellen amtswegigen Gesetzesprüfung unterzogen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs steht daher dieses Erkenntnis einer materiellen Entscheidung über den hier gestellten Gesetzesprüfungsantrag nicht entgegen".
Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Auch im vorliegenden Fall ist ein Sachverhalt zu beurteilen, der im Kernbereich der angefochtenen Norm liegt und der wegen der Einkommensverhältnisse des Vaters und der Höhe der zuerkannten Unterhaltsbeträge von den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom , B 1285/00, unmittelbar betroffen ist, weshalb der Antrag gestellt wird, § 12a FLAG als verfassungswidrig aufzuheben.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am geborenen Markus P*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Ing. Alexander P*****, vertreten durch Dr. Günther Tews und Mag. Christian Fischer, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 656/01f-73, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom , GZ 14 P 107/98p-69, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den aufhebenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet, zurückgewiesen. Im Übrigen - soweit er sich also gegen die Bestätigung der Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung und des Leistungsbefehles mit Ausnahme eines Betrages von 2.000 S richtet - wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in diesem Umfang aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Aufgrund des Scheidungsvergleiches vom ist der Vater des Pflegebefohlenen zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 7.500 S ab verpflichtet. Diesem Vergleich wurde ein Nettoeinkommen des Vaters von durchschnittlich 40.000 S pro Monat zugrundegelegt. Mit dem am beim Erstgericht zu Protokoll gegebenen Antrag wurde eine Unterhaltserhöhung auf 9.600 S pro Monat ab begehrt.
Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters in diesem Umfang und sprach aus, der Vater habe die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die künftig werdenden Beträge jeweils am 1. eines jeden Monats im Vorhinein bei sonstiger Exekution zu entrichten. Das Erstgericht stellte fest, dass der Vater im Jahre 2000 ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 51.809 S und im Jahre 2001 ein solches von monatlich 49.422 S, zuzüglich aliquoter Anteil der Sonderzahlungen, abzüglich Eigenvorsorgeprämie, Einmalprämie, IEP" erzielte; weitere Sorgepflichten treffen ihn nicht. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Minderjährige habe an sich einen Unterhaltsanspruch auf 20 % des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens, dies ergebe für 2000 einen Anspruch auf monatlich 10.360 S und für 2001 einen solchen auf monatlich 9.900 S. Der Durchschnittsbedarf betrage monatlich 3.830 S. Dieser Betrag könne, wenn dies dem Vater aufgrund der Höhe seines Einkommens zumutbar sei, bis zum 2,5-fachen erhöht werden. Da mit dem von der Mutter geforderten Betrag die Höchstgrenze erreicht sei, könne dem Vater der geforderte Betrag zugemutet werden.
Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung zur Gänze und hinsichtlich des Leistungsbefehls mit Ausnahme eines Betrages von 2.000 S; im Leistungsbefehl über diesen Betrag wurde der Beschluss des Erstgerichtes aufgehoben und ihm in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses für zulässig. Das Rekursgericht führte aus, das Erstgericht habe zutreffend die Familienbeihilfe für den Minderjährigen nicht mindernd bei der Ausmessung der Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt. Es habe sich auch im Wesentlichen am 2,5-fachen Regelbedarfssatz orientiert. Eine Neubemessung des Unterhaltes sei auch möglich, weil eine wesentlich erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters gegeben sei. Das Rekursgericht ließ gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei der Unterhaltsbemessung noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Diesen Beschluss ficht der Vater zur Gänze an und beantragt, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zu neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, die angefochtenen Beschlüsse dahin abzuändern, dass der Unterhaltserhöhungsantrag abgewiesen werde.
Der Pflegebefohlene hat sich zum Revisionsrekurs des Vaters geäußert und beantragt, diesem nicht Folge zu geben.
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet, ist er gemäß § 14b Abs 1 AußStrG unzulässig, weil das Rekursgericht nicht ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof insoweit zulässig sei. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs aber zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Vater macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Familienbeihilfe müsse bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches angerechnet werden. Weiters hätten die Vorinstanzen ohne jede Begründung den Unterhalt mit einem Betrag bemessen, der deutlich über der sogenannten Luxusgrenze (dem 2,5-fachen Regelbedarf) liege. Schließlich reiche das Verstreichen von sieben Monaten für eine Neubemessung nicht aus.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Zur Frage der Neubemessung nach sieben Monaten, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Umstände auch bei rechtskräftig entschiedenen oder verglichenen Unterhaltsansprüchen eine Neufestsetzung des gesetzlichen Unterhaltes im Wege einer Änderung der bestehenden Entscheidung bzw des gerichtlichen Vergleiches erlaubt (Schwimann, Unterhaltsrecht2, 73 f mwN). Vorliegendenfalls lag dem Vergleich ein Durchschnittsnettoeinkommen von 40.000 S zugrunde, nunmehr erzielt der Vater aber ein solches von 51.809 S bzw 49.422 S. Darin liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die auch eine Neufestsetzung des Unterhaltes rechtfertigt (vgl EFSlg 92.768). Mit der Frage, wie die Bemessung des Unterhaltes nach Aufhebung der im § 12a FLAG enthaltenen Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig (Erkenntnis vom , G 7/02) zu erfolgen hat, hat sich der Oberste Gerichtshof nunmehr schon mehrere Male auseinandergesetzt (4 Ob 52/02d ua). Auf eine einfache Formel gebracht lässt sich diese Berechnung wie folgt darstellen:
Der (wie bisher nach der Prozentwertmethode berechnete) zu leistende Geldunterhalt dividiert durch zwei, mal verminderter Grenzsteuersatz des Geldunterhaltspflichtigen (höchstens 40 %), minus Unterhaltsabsetzbetrag, ergibt jenen (Teil-)Betrag der Transferleistungen, der auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist (es macht dabei keinen Unterschied, wenn die Halbierung statt beim Unterhalt erst beim abgesenkten Grenzsteuersatz vorgenommen, also zunächst der [ganze] Geldunterhalt mit dem halben abgesenkten Grenzsteuersatz [höchstens 20 %] multipliziert wird). Der jeweilige Grenzsteuersatz ist jeweils um etwa 20 % abzusenken, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % zu einem solchen von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem solchen von 25 % (4 Ob 52/02d).
Im vorliegenden Fall erzielte der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von 51.809 S bzw 49.422 S; sein Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt. Von diesem (ohne 13. und 14.) Gehalt (siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, 1289 [1294]) hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommenssteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (siehe Zorn aaO, 1294), muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen nicht unerheblichen Teilbetrag der nächst niedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist (4 Ob 46/02x).
Zu beachten ist im vorliegenden Fall, dass der Vater ein überdurchschnittlich hohes Einkommen erzielt. In einem solchen Fall ist zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen (Schwimann, Unterhaltsrecht2, 32; Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 252 ff; RIS-Justiz RS0047447). Diese "Luxusgrenze" wird im Allgemeinen im Bereich des 2 bis 2,5-fachen des Regelbedarfs liegend angenommen, dies stellt aber keine absolute Obergrenze dar. Im vorliegenden Fall wurde dieser Unterhaltsstopp von den Vorinstanzen grundsätzlich beachtet. Die gebotene Anrechnung der Transferleistungen muss auch jenen Unterhaltspflichtigen zugute kommen, deren Leistungsfähigkeit zufolge der Luxusgrenze nicht ganz ausgeschöpft wird. Der Geldunterhaltspflichtige hat auch in diesem Fall Anspruch darauf, durch entsprechende Berücksichtigung der Transferzahlungen steuerlich entlastet zu werden (4 Ob 52/02d).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat auch im vorliegenden Fall die Festsetzung des Unterhalts im Wege einer (teilweisen) Anrechnung der Familienbeihilfe zu erfolgen. In welchem Ausmaße dies zu geschehen hat, kann aber aufgrund der Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden, weil lediglich das monatliche Nettoeinkommen festgestellt wurde. Nur in den Fällen, in denen schon aufgrund der bekannten Höhe des Nettoeinkommens die Höhe des Grenzsteuersatzes des Unterhaltspflichtigen und der Umstand, dass der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet, evident sind, kann eine ausdrückliche Feststellung betreffend die Tatsache des anzuwendenden Grenzsteuersatzes entbehrlich sein; ansonsten ist es dem Obersten Gerichtshof aber verwehrt, diesen Umstand zu erforschen und dementsprechende Feststellungen zu treffen. Dies ist dem Erstgericht aufzutragen. Dieses wird das Verfahren durch Feststellung des Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können. Dem Revisionsrekurs war daher insoweit Folge zu geben.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00037.02H.0213.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAD-58265