OGH vom 07.04.2000, 7Ob34/99x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 82.578,- s. A. (Revisionsinteresse S 58.068,- s. A.) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 13 R 103/98g-23, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 4 Cg 188/96p-18, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei betreibt im ersten Stock des Hauses W*****, S***** Platz ***** eine Sauna. Die Eigentümer dieser Wohnung haben diese an Werner H*****, dem Geschäftsführer der beklagten Partei zum Teil vermietet, dieser wiederum hat die vermieteten Räumlichkeiten der beklagten Partei zum Betrieb der Sauna zur Verfügung gestellt. Die klagende Partei hat mit der Wohnungseigentümergemeinschaft dieses Hauses eine Leitungswasserschadensversicherung abgeschlossen, der die AWB 1986 zugrundeliegen. Am kam es im Bereich der Sauna zu einem Wasseraustritt, wodurch Schäden, deren Behebung den angemessenen Betrag von S 58.068,- (inklusive 20 % Mehrwertsteuer) erforderten, entstanden.
Art 12 Abs 1 AWB 1986 lautet: „Gemäß § 67 VersVG geht für den Fall, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten zusteht, der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Wohnungsmieter des versicherten Wohngebäudes, einen Familienangehörigen iSd § 67 Abs 2 VersVG oder einen Hausangestellten des Wohnungsmieters richtet, verzichtet der Versicherer auf seinen Regressanspruch, soweit der Mieter die Prämie für das versicherte Wohngebäude zum Zeitpunkt des Schadensfalles ganz oder teilweise getragen und der Regresspflichtige den Schaden weder vorsätzlich noch grobfahrlässig iSd § 61 VersVG herbeigeführt hat.“
Die klagende Versicherung begehrte von der beklagten Partei ursprünglich die Refundierung von S 179.641,- s. A. und brachte vor, der schädigende Wasseraustritt sei auf die unzureichende Abdichtung der Sauna zum Nachbarobjekt zurückzuführen.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, sie sei als Mieterin des Bestandobjektes nicht Dritter iSd § 67 VersVG sondern Mitversicherte. Im Übrigen seien die Versicherungsbedingungen gleichheitswidrig.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und sprach der klagenden Partei S 82.578,- s. A. (unter rechtskräftiger Abweisung des Mehrbegehrens) zu. Die beklagte Partei hafte nach § 1318 ABGB als Wohnungsinhaberin für die gegenständlichen Schäden, die Dritten verursacht worden seien. Der Schadenersatzanspruch des Geschädigten sei infolge Zahlung des durch die beklagte Partei verursachten Schadens gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei als Versicherer übergegangen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil hinsichtlich seines Zuspruches von S 58.068,- s. A. und wies das darüberhinaus gehende Mehrbegehren - ausgehend von seinen vom Ersturteil abweichenden Feststellungen über die Schadenshöhe (rechtskräftig) - ab. Die beklagte Partei sei „Wohnungsinhaber“ iSd § 1318 ABGB und habe unabhängig von der Qualität des Rechtsverhältnisses, das ihr den Gebrauch verschaffe, die tatsächliche Verfügungsgewalt auf längere Zeit vom Mieter zugestanden bekommen. Die Geschädigten hätten „prima facie“ bewiesen, dass ihre Schäden durch mangelhafte Verwahrung oder Kontrolle des in der Sauna ausgetretenen Wassers verursacht worden seien. Die beklagte Wohnungsinhaberin habe nicht dargetan, alle in ihrer Macht stehenden objektiven ordentlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um diese Schäden abzuwenden. Die Haftungsvoraussetzungen gemäß § 1318 ABGB seien daher erfüllt. Darüberhinaus treffe den Wohnungsinhaber auch dann eine Erfolgshaftung, wenn (etwa unsachgemäß) durchgeführte Arbeiten von Professionisten zu Wasseraustritten in anderen Wohnungen führten, ohne dass den Wohnungsinhaber auch nur eine objektive Sorgfaltsverletzung treffe. Die beklagte GesmbH sei nicht Mitversicherte des von den Wohnungseigentümern abgeschlossenen Leitungswasser- schadensversicherungsvertrages. Nach § 80 VersVG gelte grundsätzlich die Vermutung der Eigenversicherung. Diese Vermutung könne wohl durch den, den Versicherer erkennbaren Willen des Versicherungsnehmers, (auch) fremdes Interesse zu versichern, widerlegt werden. Das Vorliegen eines derartigen der klagenden Partei erkennbaren Willens der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Abschluss der gegenständlichen Versicherung sei jedoch von der beklagten Partei weder behauptet noch bewiesen worden. Der Mieter des Lokales und Geschäftsführer der beklagten Partei sei somit nicht Mitversicherter, sondern Dritter, auch wenn er im Wege der Betriebskostenüberwälzung die Versicherungsprämie teilweise mitzahle. Die beklagte Partei sei daher gemäß § 67 VersVG regressverpflichtet. Auch wenn Werner H***** 3/4 der Gesellschaftsanteile der beklagten Partei halte, könnne nicht von einer so engen wirtschaftlichen Einheit zwischen Mieter und Gesellschaft gesprochen werden, dass der Versicherungsschutz nach den AWB durch den Regress wieder zur Gänze aufgehoben werde.
Die von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobene Revision mit dem Antrag auf gänzliche Klagsabweisung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Versicherung gegen Leitungswasserschäden bietet Schutz gegen jene Schäden, die durch den Austritt von Wasser aus Rohren oder angeschlossenen Anlagen entstehen. Das VersVG enthält für diesen Versicherungsstypus keine besonderen gesetzlichen Vorschriften, Vertragsbedingungen sind die ABS 1986 und die AWB 1986. Versicherte Gegenstände sind im Zweifel nur jene, die im Eigentum des Versicherungsnehmers stehen; ferner die von ihm unter Eigentumsvorbehalt erworbenen oder die ihm verpfändeten Sachen. Der Versicherer ist dann entschädigungspflichtig, wenn die Beschädigung oder Zerstörung einer versicherten Sache eine unmittelbare oder unvermeidliche Folge der versicherten Gefahr ist. Der Versicherer hat auch für diverse Folgeschäden aufzukommen. Wenn sich die Versicherung auf ein Wohngebäude bezieht, ist der Versicherer auch zum Ersatz des Mietverlustes verpflichtet. Diese Vertragsbestimmung entspricht einer gleichlautenden bei der Feuerversicherung (vgl Schauer dazu Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 353 f). Die Versicherung gegen Leitungswasserschäden ist daher eine Sachversicherung, die der Erhaltung des Gebäudes sohin des Eigentums des Versicherungsnehmers dient. Im gewissen Rahmen dient sie auch der Erhaltung und Verwertung des Gebäudes durch Vermietung bzw Verpachtung. Nach der österreichischen Rechtsprechung (zuletzt VersR 1984, 1181) nunmehr auch der deutschen (vgl BGH VersR 1991, 462) ist das Sachersatzinteresse des Mieters des Versicherungsnehmers in diese Gebäudeversicherung auch dann nicht miteinbezogen, wenn der Mieter im Rahmen der Betriebskostenüberwälzung die Prämie für diese Versicherung trägt (vgl BK/Baumann § 67 VVG Rn 57 mwN), sofern kein Haftungsausschluss vereinbart wurde. Allerdings hat im vorliegenden Fall der Versicherer nach Art 12 Abs 1 AWB 1986 gegenüber dem Wohnungsmieter, für den Fall dass dieser weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt hat und die Prämie ganz oder teilweise im Zeitpunkt des Schadenfalles getragen hat, auf seinen Regress verzichtet. Honsell (in VersR 1985, 301 ff Der Regress des Sachversicherers nach § 67 VVG bei Gebrauchsüberlassung an Dritte im österreichischen Recht) hielt dem entgegen, dass es eines solchen Regressverzichtes gar nicht bedürfe, weil das Risiko des Dritten in analoger Anwendung des § 80 VVG als mitversichert zu gelten habe, zumal der Mieter fast keine Möglichkeit habe, sein Sachersatzrisiko versichern zu lassen. Diesem Argument wurde von anderen Autoren unter anderem entgegengehalten, dass überall dort, wo der Mieter die Möglichkeit habe, sein Risiko durch eine Haftpflichtversicherung absichern zu lassen, aus der Sachversicherung des Gebäudeeigentümers keine Haftpflichtversicherung des Mieters gemacht werden dürfe (so Prölls in R+R 1997, 221 ff).
Nach § 67 Abs 1 VersVG geht ein Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten auf den Versicherer über, wenn letzterer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers gemacht werden. Nach Abs 2 leg cit ist der Ersatzanspruch gegen einen mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen sofern letzterer den Schaden nicht vorsätzlich verursacht hat, ausgeschlossen. Dritter iS dieser Norm ist jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter ist, daher auch der Mieter in einem vom Hauseigentümer gegen Leitungswasserschäden versicherten Haus, dies trotz Belastung mit der Prämie. Umsomehr ist ein „Dritter“, wer - wie die Beklagte - nur über ein abgeleitetes Gebrauchsrecht verfügt (vgl 7 Ob 1010/92 = VR 1992/294 = ecolex 1992, 626 = VersE 1551). Der erkennende Senat hält daher im vorliegenden Fall an dieser Rechtsprechung fest, wobei nicht übersehen wird, dass im Bereich der Kaskoversicherung (vgl VersR 1993, 1301), der Transportversicherung (vgl VersR 1993, 1303) und der Bauwesenversicherung (vgl VersR 1993, 639) dort jedoch unter Berufung auf die jeweiligen von der gegenständlichen Versicherungsart abweichenden Versicherungszwecke andere Standpunkte vertreten worden sind. Gerade der vorliegende Fall zeigt auch, dass das hier verwirklichte Risiko der beklagten Partei auch ohne weiteres durch eine Betriebshaftpflichtversicherung des Mieters oder sonstigen Gebrauchsberechtigten abdeckbar gewesen wäre und das von den Befürwortern der Einbeziehung dieses Risikos des Untermieters in die vorliegende Sachversicherung ins Treffen geführte Argument, nämlich dem historischen Zweck der Sachversicherung Genüge zu tun und den Mieter vor den schwerwiegenden Folgen der Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes zu schützen, daher nicht greift. Die beklagte Gebrauchsberechtigte ist daher als Dritter iSd § 67 Abs 1 VersVG regresspflichtig. Dass der Versicherer nur gegenüber Wohnungsmietern von sich aus auf einen Regress nach § 67 Abs 1 VersVG verzichtet hat, kann sich die beklagte Partei, da es sich dabei um die Aufgabe eines Rechtes des Versicherers handelt, auf das ihr kein Anspruch zusteht, nicht für beschwert zu erachten. Unbestritten ist, dass die beklagte Partei, die ihr überlassenen Räume (nur) zu Geschäftszwecken benützt. Das in Art 12 Abs 1 der AWB 1986 gebrauchte Wort „Wohnungsmieter“ schließt eine ausdehnende Interpretation aus. Hätte man auch gegenüber Geschäftsraummietern einen Verzicht abgeben wollen, so hätte die Ausführung „Mieter“ genügt. Darüberhinaus darf jeder Verzicht grundsätzlich nur eingeschränkt ausgelegt werden (vgl Binder in Schwimann ABGB2 § 915 Rz 9 mwN). Den vereinzelten Lehrmeinungen, dass der zum Gebrauch berechtigte Dritte und sei er auch nur Unterbestandnehmer, in den Versicherungsbereich einbezogen werden solle (vgl Born in VersR 1997, 671) ist zu entgegnen, dass der Schutzbereich der Sachversicherung nicht ins Unendliche ausgedehnt werden kann und die wirtschaftlichen Interessen des Gebrauchsberechtigten nicht mit jenen des Mieters gleichgesetzt werden können, weil der vermietende Gebäudeeigentümer grundsätzlich kein Interesse am Schutz des Sachersatzinteresses eines Vertragspartners seines Mieters hat (vgl dazu Prölss aaO, 224).
Soweit die Revisionswerberin für ihren Standpunkt auch darauf hinweist, dass der Mieter H***** als Mehrheitsgesellschafter wirtschaftlicher Eigentümer der beklagten Partei sei, ist ihr nur zu entgegnen, dass jedenfalls verschiedene Rechtssubjekte vorliegen und eine Ausdehnung des Regressverzichts auf Geschäftsraummieter auch unter diesem wirtschaftlichen Aspekt nicht in Frage kommt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.