OGH vom 26.03.2009, 6Ob27/09b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karoline B*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Harald G*****, vertreten durch Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 4.536 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 36 R 116/08p-53, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom , GZ 6 C 181/07f-47, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter, in gekoppelter Bauweise errichteter Reihenhäuser mit gemeinsamer Feuermauer. Die mit Schilf gedeckten Dächer grenzen an der Längsseite aneinander. Die Dachhaut besteht aus Betonplatten. In der durch den Zusammenstoß der Längsseiten der beiden Betondächer gebildeten Rinne befindet sich eine Kupfereinbauregenrinne, die von der Klägerin mit Zustimmung des Beklagten errichtet wurde. Die Regenrinne wurde lose ohne weitere Befestigung auf einer Bitumenschicht eingelegt. Im August 2006 standen in der Rinne Wasser und Schilf. Dies wies auf einen verstopften Abfluss hin. Die Dachrinne war in sich dicht. Die Notüberläufe am Anfang und Ende der Rinne waren voll funktionsfähig. Deshalb konnte Stehwasser nicht über die Seitenwände der Rinne laufen. Die Schilfeindeckung des Hauses der Klägerin wies zu diesem Zeitpunkt keine ersichtlichen Mängel auf. Von dieser Seite konnte kein Regenwasser ins Mauerwerk eintreten. Noch im August 2006 war im Haus des Beklagten die Ersteindeckung vorhanden. Das Schilfdach hatte damals seine Lebenserwartung längst überschritten. Es befand sich in einem äußerst schlechten Gesamtzustand. An drei Stellen konnte durch großflächige Löcher in der Eindeckung Wasser leicht eintreten. Brüchiges Schilf rutschte in die Einbaurinne, wo es auch zur Verlegung des Abflussrohres beitrug. Abrutschendes Schilfrohr gelangte außerdem zwischen Dachrinne und Betondecke. Auch der First war schadhaft. Es war ein mangelhafter Abdichtungsversuch mit falsch überlappter Pappe durchgeführt worden, wodurch es ebenfalls zu Wassereintritten kommen konnte. Im Bereich der Kamineinfassung wurde Regenwasser durch ein großes Loch in der Schilfeindeckung direkt ins Dachinnere auf die Betondecke abgeleitet und gelangte nicht in die Dachrinne. Durch den durch abgerutschtes Material entstandenen Spalt zwischen Einbaurinne und Beton konnte das aufgrund der Schäden am Dach auf die Betondecke gelangte Regenwasser ungehindert unter die Einbaurinne fließen, von wo aus es größtenteils im Mauerwerk versickerte und im Wohnraum beider Häuser zutage trat. Der Beklagte vertrat ursprünglich gegenüber der Klägerin den Standpunkt, dass das Schilfdach seines Hauses nicht schadhaft sei und es zu keiner besonderen Regenwasserableitung in das Haus der Klägerin komme. Nach Erstattung des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen im November 2006 ließ er jedoch das Dach seines Hauses vollständig sanieren. Dabei wurde unter anderem die Schilfeindeckung komplett erneuert, sodass durch das Schilfdach keine Niederschlagswässer mehr auf das Betondach und in die (beiden Häusern gemeinsame) Betonrinne zwischen den Häusern durchrinnen können. Über die Kupfereinbaurinne wurde eine Blechabdecknase angebracht, sodass abrinnende Niederschlagswässer über diese Blechnase in die Regenrinne eingeleitet werden und diese nicht mehr hinterrinnen können. Das Erstgericht wies das Klagsbegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Ableitung des Niederschlagswassers von dem Dach seines Reihenhauses auf das Haus der Klägerin sowie derartige künftige Immissionen, insbesondere durch Niederschlagswasser, zu unterlassen, ab, weil die Wiederholungsgefahr weggefallen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Gestützt auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führte es aus, in der Regel könne die Wiederholungsgefahr verneint werden, wenn der rechtswidrige Zustand beseitigt und dadurch die Unterlassungspflicht erfüllt werde. Der Beklagte habe das Recht der Klägerin nach § 364 Abs 2 ABGB als solches nicht bestritten, sondern nur die Kausalität seines ursprünglich schadhaften Daches für das Eindringen in das Haus der Klägerin. Dies begründe kein Indiz für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr. Die in der Vergangenheit liegende Verletzung der Unterlassungspflicht habe nur eine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, was nach den Umständen des Einzelfalls abzuschätzen sei (6 Ob 112/75). Wiederholungsgefahr müsse konkret und real sein. Es müsse ein gewisses Maß objektiver Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Beklagte in Zukunft seiner Unterlassungspflicht zuwiderhandeln werde (vgl 6 Ob 156/71). Im Anlassfall könne allein aufgrund des Umstands, dass das Dach des Beklagten schadhaft gewesen sei, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass er auch in Zukunft die Wartung seines Daches vernachlässigen werde, sodass es neuerlich zu einer Ableitung von Regenwasser in das Haus der Klägerin kommen werde. Daher komme eine Umkehr der Beweislast nicht zum Tragen. Nachträglich (§ 508 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es könne fraglich erscheinen, ob die Wertung der vom Berufungsgericht herangezogenen oberstgerichtlichen Entscheidungen auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sei bzw ob die Entscheidung des Berufungsgerichts im Widerspruch zu den in der Revision zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen stehe. Die ordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revisionswerberin macht geltend, die Entscheidung des Berufungsgerichts stehe im Widerspruch zur oberstgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Verteilung der Beweislast bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr und betreffend die Voraussetzungen für die Annahme einer Wiederholungsgefahr.
Dem ist zu erwidern:
Die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen ist eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs (auch desjenigen nach § 364 Abs 2 ABGB: RIS-Justiz RS0010553). Demnach ist sie grundsätzlich vom Kläger zu beweisen. Hat sich aber der Beklagte bereits rechtswidrig verhalten, so ist zu vermuten, dass er sich auch in Zukunft nicht an das Gesetz halten werde. Daher kommt es bei der Wiederholungsgefahr zu einer Umkehr der Beweislast: Der Beklagte muss besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (stRsp 4 Ob 6/07x; RIS-Justiz RS0080065). Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.
Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr kommt es stets darauf an, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0012087). Dabei kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an, für die insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann. Hält der Störer im Verfahren daran fest, zur beanstandeten Handlung berechtigt gewesen zu sein oder ist sein Prozessverhalten zwiespältig, so kann die Wiederholungsgefahr regelmäßig nur verneint werden, wenn er dem Kläger einen vollstreckbaren Exekutionstitel verschafft, der dem Kläger all das bietet, was er im Verfahren erreichen kann (4 Ob 6/07x mwN). Eine Wiederholungsgefahr muss konkret und real sein. Es muss ein gewisses Maß objektiver Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Beklagte in Zukunft seiner Unterlassungspflicht zuwiderhandeln wird (RIS-Justiz RS0010467 [T7]; RS0012064 [T2]). Wiederholungsgefahr wird in der Regel verneint, wenn der rechtswidrige Zustand beseitigt und dadurch die Unterlassungspflicht erfüllt wurde (7 Ob 251/03t mwN SZ 2003/143; RIS-Justiz RS0012064 [T20]).
Die Beurteilung, ob dem Verhalten des Störers gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungshandlungen Abstand zu nehmen, hängt immer von den Besonderheiten des einzelnen Falls ab (RIS-Justiz RS0012087 [T5]). Ob dem Störer der Beweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr gelungen ist, hängt ebenso regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (4 Ob 6/07x mwN) und wirft - abgesehen von einer gravierenden Fehlbeurteilung - keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0042818).
Das Berufungsgericht ist von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Seine Beurteilung, aufgrund der vom Beklagten getroffenen Maßnahmen bestünden keine Zweifel an der Ernstlichkeit seines Willens, künftig Eingriffe in Rechte der Klägerin zu unterlassen, zumal er nicht behauptet habe, zu seinem Verhalten berechtigt gewesen zu sein, hält sich im Rahmen des ihm in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraums.
Die Revisionsbeantwortung des Beklagten ist verspätet. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es die ordentliche Revision für zulässig erklärte (§ 508 Abs 3 ZPO) und dem Beklagten die Beantwortung der Revision freistellte (§ 508 Abs 5 ZPO) wurden dem Beklagten am zugestellt. Die am zur Post gegebene, an das Erstgericht adressierte Revisionsbeantwortung, die beim Berufungsgericht einzubringen gewesen wäre (§ 507a Abs 3 Z 1 ZPO), wurde nach Ablauf der hiefür offenstehenden, am zu laufen begonnene vierwöchige Frist (§ 507a Abs 1 und Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 125 Abs 2,§ 222,§ 225 Abs 1 ZPO; Gitschthaler in Rechberger³ §§ 124 - 126 ZPO Rz 2 mwN) erhoben. Sie war daher als verspätet zurückzuweisen (8 Ob 123/06f; RIS-Justiz RS0043688 [T1]).