OGH vom 23.02.2011, 3Ob247/10k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die verpflichtete Partei F*****, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, wegen 36.340 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 13 R 197/10a 21, womit über Rekurs des Verpflichteten der Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 6 Cg 61/09v 18, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die Exekution zur Sicherstellung bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit des im fortgesetzten Titelverfahren ergehenden Urteils bewilligt wird.
Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei als Klägerin (in der Folge immer: Betreibende) erwirkte gegenüber dem Verpflichteten als Erstbeklagtem (in der Folge immer: Verpflichteter), gegenüber seiner Ehegattin (Zweitbeklagte) und gegenüber seiner Tochter (Drittbeklagte) am ein klagestattgebendes Versäumungsurteil des Erstgerichts über Zahlung von 36.340 EUR samt 8,875 % Zinsen p.a. seit und 2.484,92 EUR Kosten. Der Klage liegt die Behauptung zugrunde, dem Verpflichteten und der Zweitbeklagten sei ein Kredit über 137.300 EUR eingeräumt worden, für welchen die Drittbeklagte eine Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen habe. Von dem berechtigt fällig gestellten Kredit, der mit einem Saldo von mehr als 130.000 EUR unberichtigt aushafte, werde vorerst lediglich ein Teilbetrag von 36.340 EUR geltend gemacht.
Gegenüber der Drittbeklagten erwuchs das Versäumungsurteil in Rechtskraft. Der Verpflichtete und die Zweitbeklagte erhoben gegen das Versäumungsurteil rechtzeitig Widerspruch.
Aus dem Titelakt ergibt sich, dass der Verpflichtete und die Zweitbeklagte der Betreibenden ein Pfandrecht ob einer ihnen je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft im Höchstbetrag von 192.000 EUR zur Kreditbesicherung eingeräumt hatten.
Als Replik auf die Behauptung des Verpflichteten und der Zweitbeklagten, es bestehe ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und übernommener Haftung, entgegnete die betreibende Partei im Titelverfahren, ein solches grobes Missverhältnis bestehe schon deshalb nicht, weil der Wert der verpfändeten Liegenschaft ca 202.000 EUR betrage. Der Verpflichtete selbst bezifferte den Verkehrswert der verpfändeten Liegenschaft in seinem Widerspruch im Titelverfahren mit rund 80.000 EUR.
Mit Beschluss vom bewilligte das Erstgericht (Titelgericht) der Betreibenden gegen den Verpflichteten und die Zweitbeklagte zur Sicherstellung der im Versäumungsurteil zugesprochenen Klageforderung samt Zinsen und Kosten antragsgemäß die Fahrnisexekution und zugleich gemäß § 294a EO die Forderungsexekution. Diese Exekutionsbewilligung erwuchs in Rechtskraft. Im Exekutionsverfahren (AZ 4 E 14/10s des Bezirksgerichts Krems a. d. Donau) gab der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger aufgrund des Ersuchens des Exekutionsgerichts die Pensionsversicherungsanstalt als Drittschuldnerin bekannt, der die Exekutionsbewilligung am zugestellt wurde.
Am beantragten der Verpflichtete und die Zweitbeklagte die Einstellung der Exekution gemäß § 376 Abs 1 Z 1 EO mit der Begründung, dass das verbücherte Pfandrecht die Klageforderung ausreichend besichere. Der Verkehrswert der Liegenschaft betrage ca 80.000 EUR. Die betreibende Partei selbst habe die Pfandliegenschaft sogar mit 200.000 EUR bewertet.
Diesen Einstellungsantrag wies das Exekutionsgericht nach Einholung einer Äußerung der Betreibenden, die sich gegen die Einstellung aussprach mit Beschluss vom (ON 10 im Exekutionsakt 4 E 14/10s) ab. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Einen weiteren, am gestellten Antrag auf Einstellung der Exekution, ebenfalls gegründet darauf, dass der betriebene Anspruch im Vertragspfand an der Liegenschaft vollständig Deckung finde, wies das Exekutionsgericht mit Beschluss vom (ON 14 in 4 E 14/10s) zurück.
Über den dagegen vom Verpflichteten und der Zweitbeklagten erhobenen Rekurs ist bisher keine Entscheidung ergangen.
Am beantragte die Betreibende erneut beim Titelgericht die Exekution zur Sicherstellung (nur) gegenüber dem Verpflichteten gemäß § 294a EO für die Titelforderung von 36.340 EUR samt 8,875 % Zinsen p.a. seit , Kosten des Titelverfahrens von 2.484,92 EUR samt 4 % Zinsen seit und näher bezeichneter, im Sicherstellungsexekutionsverfahren entstandener Kosten in Gesamthöhe von 1.887,93 EUR. Die Betreibende führte dazu aus, dass sie nach Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses Kenntnis davon erlangt habe, dass die Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger unvollständig gewesen sei. Der Verpflichtete erhalte einen weiteren laufenden Bezug iSd § 290a EO von einer näher bezeichneten Pensionskasse.
Das Erstgericht erließ die Exekutionsbewilligung antragsgemäß.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Verpflichteten Folge, änderte den Beschluss des Erstgerichts im Sinne einer Abweisung des Exekutionsantrags ab und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht erachtete, nicht abschließend beurteilen zu können, ob die Exekutionsbewilligung vom bereits einem Drittschuldner zugestellt worden sei, was Voraussetzung dafür sei, dass eine neue Exekutionsbewilligung ergehen könne. Diese Frage könne aber dahinstehen, weil die Exekutionsbewilligung zu versagen sei, wenn aus dem Akt klar und offenkundig hervorgehe, dass die Forderung bereits hinlänglich sichergestellt sei. Der Verpflichtete selbst habe den Verkehrswert der verpfändeten Liegenschaft mit 80.000 EUR, die Betreibende mit rund 200.000 EUR beziffert. Davon ausgehend sei die Forderung bereits zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung ausreichend sichergestellt gewesen, weshalb der Exekutionsantrag abzuweisen sei. Die Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch ergebe, dass im Lastenblatt der zur Hälfte im Eigentum des Verpflichteten stehenden Liegenschaft zugunsten der Betreibenden ein Höchstbetragspfandrecht von 192.000 EUR einverleibt sei. Vorrangig sei lediglich ein Pfandrecht im Höchstbetrag von (umgerechnet) 13.081,11 EUR. Der Mindestwert der Liegenschaft von 80.000 EUR bedürfe keiner Bescheinigung. Damit sei aber die Hereinbringung der Klageforderung von 36.340 EUR sA auch ohne Exekution zur Sicherstellung nicht gefährdet, weil der jedenfalls für die betreibende Partei verbleibende Betrag von 66.918,89 EUR selbst unter Berücksichtigung von Verfahrenskosten und Zinsen ausreiche, um die Forderung der Betreibenden „zu vollstrecken“.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem erkennbaren Antrag, die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht im Ergebnis missachtete, dass nur eine offenkundige Sicherstellung der Forderung die Exekutionsbewilligung hindern kann; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
1. Der gerügte Verstoß gegen die Rechtskraft der im Einstellungsverfahren ergangenen Entscheidung ist nicht verwirklicht: Zwar sind nicht bloß prozessleitende Beschlüsse auch im Exekutionsverfahren der materiellen Rechtskraft fähig (3 Ob 156/08z; RIS Justiz RS0124284). Die Einmaligkeit der materiellen Rechtskraft, die eine Wiederholung desselben Rechtsstreits ausschließt (RIS Justiz RS0041115; RS0041126) liegt hier schon mangels Identität der Streitgegenstände (Einstellungsantrag/Exekutionsantrag zur Sicherstellung) nicht vor.
2. Aus dem Akt AZ 4 E 14/10s des Bezirksgerichts Krems a. d. Donau ergibt sich, dass der Exekutionsbewilligungsbeschluss vom am an die Drittschuldnerin (Pensionsversicherungsanstalt) zugestellt wurde.
Bei der gemäß § 294a EO bewilligten Forderungsexekution handelt es sich um keine eigene Art der Forderungsexekution. Die Besonderheit besteht nur darin, dass die gemäß § 54 Abs 1 Z 3 EO erforderliche Bezeichnung des Exekutionsobjekts im Exekutionsantrag nicht wie sonst in der Angabe der Forderung und des Drittschuldners bestehen muss, sondern, dass die Behauptung des Bestehens einer Forderung (im Sinne des § 290 EO) genügt und der Drittschuldner vom Exekutionsgericht durch eine Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger festzustellen ist. Da die erste Exekutionsbewilligung der Drittschuldnerin zum Zeitpunkt der Stellung des weiteren Exekutionsantrags auf Sicherstellung bereits zugestellt war, die Forderungsexekution somit gegen diesen konkreten Drittschuldner bereits „kanalisiert“ wurde ( Oberhammer in Angst 2 § 294a EO Rz 1 f), steht einer neuerlichen Exekutionsbewilligung der Grundsatz der Einheit der Exekutionsbewilligung nicht entgegen (3 Ob 201/93; s auch RIS Justiz RS0004256).
3. Zur Frage der ausreichenden Sicherstellung der Betreibenden:
3.1 Übereinstimmung besteht in Lehre und Rechtsprechung, dass auch bei der Exekution zur Sicherstellung nach § 371 EO (im Anlassfall: § 371 Z 1 EO), also dann, wenn aufgrund der Art des Exekutionstitels Gefahrenbescheinigung und Sicherheitsleistung entfallen, eine Sicherstellungsexekution nicht zulässig ist, wenn der betreibende Gläubiger schon anderweitig sichergestellt ist (3 Ob 86/67, SZ 40/106; 3 Ob 104/89; 3 Ob 29/91; Sailer in Burgstaller/Deixler Hübner , Kommentar zur Exekutionsordnung,§ 371 Rz 18; Heller/Berger/Stix III 2658; im Ergebnis ebenso Schimik, Die Exekution zur Sicherstellung [1994] 85 ff).
Das folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des österreichischen Exekutionsrechts, dass jedes Exekutionsmittel nur dann und nur in dem Umfang anzuwenden ist, als es zur Befriedigung der betreibenden Partei dienlich ist, während eine offenkundig entbehrliche Exekutionsmaßnahme zu unterbleiben hat. Für die Sicherungsexekution gilt das mit der Modifikation, dass Sicherungsschritte unzulässig sind, die zur Sicherung der betreibenden Partei nicht erforderlich sind (3 Ob 29/91).
3.2 Ebenso unstrittig ist, dass es nicht in der Behauptungs und Bescheinigungslast des Gläubigers liegt, Umstände für eine mangelnde ausreichende Sicherstellung darzulegen ( Klicka in Angst 2 § 371 EO Rz 10; Sailer aaO § 371 Rz 19; 3 Ob 29/91). Das ergibt sich schon daraus, dass die betreibende Partei im Fall einer Sicherungsexekution nach § 371 EO gerade nicht zu bescheinigen hat, dass eine Gefährdung iSd § 370 EO besteht.
3.3 Daraus folgt, dass das Gericht den Antrag auf Exekution zur Sicherstellung dann abzuweisen hat, wenn die Berichtigung oder Sicherstellung der Forderung, zu deren Gunsten die Sicherstellungsexekution beantragt wurde, aktenkundig ist, weil in diesem Fall gar keine Möglichkeit der Gefährdung besteht ( Schimik aaO 83). Im Bewilligungsverfahren wird diese Frage selten aktuell werden, weil bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag der Schuldner in der Regel nicht zu vernehmen ist und eine bestehende Sicherheit oder erfolgte Befriedigung selten tatsächlich aktenkundig ist ( Schimik aaO 83). Im Regelfall wird daher der Verpflichtete einen Antrag nach § 376 Abs 1 Z 1 EO stellen müssen.
3.4 Im Anlassfall ist allerdings dem Rekursgericht grundsätzlich darin beizupflichten, dass bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag auf Sicherstellung nicht nur das Vorbringen des betreibenden Gläubigers, sondern bei Identität von Titel und Bewilligungsgericht auch die Aktenlage des Titelverfahrens zu berücksichtigen ist, wie sie zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Exekution zur Sicherstellung besteht (3 Ob 178/98t).
3.5 Damit ist allerdings für den Verpflichteten nichts gewonnen:
Die in Lehre und Rechtsprechung kontroversiell (vgl die Nachweise bei Sailer aaO § 371 Rz 18; § 376 Rz 14) - gelöste Frage, wann von einer „hinlänglichen Sicherstellung“ auszugehen ist (die im § 56 ZPO genannten Mittel oder auch andere) und damit im Anlassfall die Frage, ob eine vertraglich eingeräumte Hypothek überhaupt eine taugliche Sicherstellung sein kann, berücksichtigt man, dass eine Verwertung der Liegenschaft etwa wegen Unterbleibens eines Gebots im Zwangsversteigerungsverfahren nicht zwingend ist - bedarf hier keiner Beantwortung:
Nur eine Sicherstellung, die bei Entscheidung über den Exekutionsantrag offenkundig ist ( Klicka aaO § 371 EO Rz 10 mwN), kann berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist die Sicherstellung nur dann hinlänglich, wenn sie auch die Zinsen für die voraussichtliche Zeitspanne bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit ( Sailer aaO § 376 Rz 13; 3 Ob 41/74, RZ 1974/119) und jedenfalls die bereits zugesprochenen Kosten ( Zechner , Exekution zur Sicherstellung und Einstweilige Verfügung, § 376 Rz 2 mwN; RIS Justiz RS0004948) umfasst.
Selbst wenn man, wie das Rekursgericht unterstellt, einen Verkehrswert der verpfändeten Liegenschaft von zumindest 80.000 EUR aufgrund des bloßen Parteivorbringens im Titelverfahren als unstrittig annimmt, ist zu berücksichtigen, dass das geringste Gebot im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 151 Abs 1 EO lediglich den halben Schätzwert umfasst. Schon eine Berücksichtigung des vorrangig eingeräumten Höchstbetragspfandrechts im Betrag von 13.081,11 EUR macht damit die Annahme des Rekursgerichts, die Forderung die samt Zinsen und Kosten bereits derzeit den halben Verkehrwert übersteigt sei offenkundig ausreichend besichert, unhaltbar.
4. Es ist daher in Abänderung der Rekursentscheidung der erstgerichtliche Bewilligungsbeschluss wiederherzustellen; im Hinblick darauf, dass gemäß § 375 Abs 2 EO der Zeitraum zu bestimmen ist, für dessen Dauer die Sicherung gewährt wird, allerdings mit der Maßgabe, dass die Exekution zur Sicherstellung bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit des im fortgesetzten Titelverfahren ergehenden Urteils bewilligt wird (vgl 3 Ob 112/03x).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.