OGH vom 08.03.2011, 5Ob231/10x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Philipp Dobner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen 61.520 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 98/10g, 129/10s 42, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 56 Cg 134/08z 37, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisonsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin unterzog sich am einer Bandscheibenoperation in einer von der Beklagten erhaltenen Krankenanstalt. Der Eingriff wurde von Doz. Dr. L***** (in der Folge immer: Arzt) durchgeführt.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftigen Schäden aus dieser Operation und die Zahlung eines Betrags von insgesamt 61.520 EUR sA (50.000 EUR Schmerzengeld zuzüglich näher aufgeschlüsselter 11.520 EUR an Verdienstentgang, wozu die Klägerin vorbrachte, dass ihr operationsbedingt nicht mehr möglich sei, ihrer bisherigen Tätigkeit im „Omidienst“ nachzugehen).
Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass weder bei der Operation noch bei der Nachbehandlung ein Behandlungsfehler unterlief. Die Klägerin behauptet jedoch eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch den behandelnden Arzt: Bereits 2003 sei die Bandscheibenoperation mit dem Arzt thematisiert worden. Die Klägerin habe nachträglich erfahren, dass der damalige Abteilungsvorstand der Krankenanstalt die Operation wegen der schlechten Knochendichtewerte der Klägerin untersagt habe. Die Operation sei in der Folge dennoch, allerdings ohne ausreichende Aufklärung der Klägerin insbesondere im Hinblick auf ihren Körperzustand, vorgenommen worden. Die Klägerin sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass aufgrund ihrer geringen Knochendichtewerte mit Komplikationen zu rechnen sei. Als Folge der Operation seien Gefühllosigkeit des rechten Beins sowie Geh-, Darm und Blasenschmerzen aufgetreten. Die bis dahin für ihr Alter außergewöhnlich sportlich aktive Klägerin könne keinen sportlichen Aktivitäten mehr nachgehen. Sie sei auf Krücken angewiesen. In der Folge seien weitere Operationen, ua am und am , erforderlich gewesen, die keinen Erfolg gebracht hätten. Es sei ein Wirbel in der Operationsregion eingebrochen. Welche Auswirkungen dieser Wirbeleinbruch haben werde, sei noch ungewiss.
Die Beklagte wendet ein, dass die Klägerin vor der Operation vollständig ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Sie habe nach ordnungsgemäßer Aufklärung ihr Einverständnis zur Durchführung der Operation erklärt. Ein allfälliger Aufklärungsfehler sei nicht relevant, weil die Klägerin aufgrund ihres Leidenszustands der Operation jedenfalls zugestimmt hätte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es traf soweit für das Revisionsverfahren wesentlich folgende Feststellungen:
Die 1929 geborene Klägerin ist im Altersvergleich gut trainiert und muskulös. Sie war bis zur Operation sportlich aktiv. 2003 wurde sie wegen ständiger Rückenschmerzen von ihrem Hausarzt an die neurologische Abteilung des von der Beklagten erhaltenen Spitals verwiesen. Sie wurde dort erstmals vom Arzt untersucht.
Am suchte die Klägerin wegen anhaltender Rückenschmerzen die Privatordination des Arztes auf. Wegen Vorliegens eines höhergradigen scheinbaren Wirbelgleitens mit absoluter Verengung des Wirbelkanals L3/L4 und relativer Verengung des Wirbelkanals L4/L5 wurde sie zur operativen Behandlung in Form einer Dekompression und Versteifung des Wirbelkanals L3 bis L5 vorgemerkt.
Bei einer Messung der Knochendichte der Klägerin am wurde ein Knochendichtewert im osteoporotischen Bereich und das Bestehen eines erhöhten Frakturrisikos festgestellt.
Am erfolgte die stationäre Aufnahme der Klägerin im Spital. Der damalige Abteilungsvorstand des Arztes sprach sich für eine reine Dekompression ohne gleichzeitige Stabilisierung der Wirbel aus. Diese Vorgangsweise lehnte der Arzt wegen der ausgeprägten Instabilität ab. Aufgrund dieser medizinischen Differenzen wurde die vorgesehene Bandscheibenoperation nicht durchgeführt, sondern stattdessen am nur eine schmerzhafte Zehenfehlstellung operativ korrigiert.
Im Entlassungsbericht vom ist angegeben, dass von der geplanten Versteifungsoperation im Bereich der Lendenwirbelsäule aufgrund der schlechten Knochendichtewerte derzeit Abstand genommen werde. Tatsächlicher Grund für die nicht durchgeführte Operation waren die Differenzen der beiden Mediziner.
Die vom Abteilungsvorstand damals gewünschte Vorgangsweise reine Dekompression ohne gleichzeitige Stabilisierung der Wirbel wäre medizinisch nicht ausreichend gewesen.
Nach pensionsbedingtem Ausscheiden des Abteilungsvorstands wurde die Klägerin am zum Zweck der Durchführung einer Bandscheibenoperation aufgenommen.
Die Aufklärung über den geplanten Eingriff erfolgte mündlich durch den Arzt. Die Klägerin erhielt ferner eine mit „Basisinformation zum Aufklärungsgespräch“ betitelte Informationsbroschüre, in welcher die Versteifungsoperation und mögliche Komplikationen detailliert beschrieben sind. Im Gespräch mit dem Arzt am wurden ua die Dringlichkeit des Eingriffs, die Wahl des Verfahrens und einige der mit dem Eingriff verknüpften Risken gesondert besprochen, wie etwa eine mögliche Verletzung des Duralsacks, Blasen und Mastdarmprobleme, Pseudoathrose, Sensibilitätsstörungen oder Muskelschwäche. Das Gespräch wurde mittels Formular „Aufklärungsgespräch/Einwilligung“ dokumentiert und von der Klägerin und vom Arzt am (die Datierung der Unterfertigung mit beruhte auf einem Irrtum) unterschrieben. Ebenso unterzeichnete die Klägerin die Aufklärung über die für den Eingriff erforderliche Anästhesie und die Fremdbluttransfusion.
Ua ist in der Broschüre (./B, die zum Bestandteil des Ersturteils erklärt wurde) wörtlich festgehalten:
„Nicht immer gelingt es, die Implantate so an der Wirbelsäule zu befestigen, daß sie einen guten Halt haben. Es kann dann zu Lockerungen kommen, die jedoch selbst bei guter Lage der Implantate auftreten können. Sehr selten ist dann eine Korrekturoperation erforderlich. Bei Überlastung kann es zu einem Bruch der Implantate kommen. Häufig ist dann eine Entfernung der Implantate notwendig. Besonders wenn die Implantate sehr dicht unter der Haut liegen, können Hautschädigungen auftreten.“
Die Frage der Knochendichtewerte der Klägerin und eventuell damit verbundene Risken wurden beim Aufklärungsgespräch nicht besonders thematisiert. Die Klägerin fragte auch nicht nach.
Der Eingriff selbst war medizinisch indiziert und wurde ohne Behandlungsfehler durchgeführt.
Die Klägerin verblieb nach dem Eingriff in stationärer Behandlung. Sie klagte über Empfindungsstörungen in beiden Oberschenkeln und im rechten Unterschenkel. Nach der Operation konnte sich die Klägerin nur mittels Krücken bzw einer Gehhilfe (Rollator) fortbewegen. Am wurde sie in häusliche Pflege entlassen.
Bei einer Kontrolle in der Privatordination des Arztes am konnte die Klägerin nur mit zwei Stützkrücken annähernd aufrecht gehen. Sie wurde zur Nachbehandlung in physikalischer Therapie verwiesen.Der Klägerin wurde eine Magnetresonanzuntersuchung empfohlen. Für den Fall weiterbestehender Beschwerden sollte sie eine neurologische Untersuchung vornehmen lassen.
Zwischenzeitlich aufgetretene Darm und Blasenprobleme wurden fachärztlich abgeklärt. Ein Zusammenhang mit dem operativen Eingriff an der Lendenwirbelsäule wurde nicht festgestellt.
Eine Kontrolle in der Privatordination des Arztes am ergab einen guten Sitz der Implantate.
Wegen Fortbestehens der Beschwerden der Klägerin erfolgte eine Kontrolle im Spital am , bei welcher sich eine stabile Lage der Implantate ergab.
Eine Knochendichtemessung vom ergab einen bei der Klägerin neuerlich gesunkenen Knochendichtewert.
Selbst wenn der Knochendichtewert am (Operationstermin) so „schlecht“ gewesen wäre wie am was unwahrscheinlich ist, weil Osteoporose sich laufend „verschlechtert“ , wäre das kein Grund gewesen, von der geplanten Operation Abstand zu nehmen.
Die Klägerin brach in der Folge die Behandlung durch den Arzt ab und konsultierte wegen weiterbestehender Beschwerden weitere Fachärzte.
Während der Nachbehandlung durch den Arzt war keine Reoperation indiziert.
2005 lockerten sich die Implantate der Klägerin.
Am wurde aufgrund der diagnostizierten Lockerung der Implantate in einer anderen Klinik von einem anderen Arzt eine Revisionsoperation zum Zweck der Implantatentfernung und Reimplantation vorgenommen. Dieser Eingriff verlief komplikationslos.
Cirka ein Jahr danach kam es zu einer neuerlichen Implantatlockerung, die ebenfalls eine Revisionsoperation erforderte, die am erneut in einem anderen Spital von einem anderen Facharzt durchgeführt wurde. Die Implantate wurden neu positioniert und die verengten Nervenaustrittskanäle L3/L4 und L4/L5 rechts erweitert.
Das Erstgericht beurteilte seine Feststellungen rechtlich dahin, dass die Aufklärung durch den Arzt ausreichend gewesen sei. Die Vornahme der Bandscheibenoperation sei durch die geringen Knochendichtewerte nicht kontraindiziert gewesen. Eine Einbeziehung von zukünftigen und ungewissen Entwicklungen, wie etwa den Folgen einer eventuell voranschreitenden Osteoporose auf den Behandlungserfolg, müsse auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die ärztliche Aufklärungspflicht nicht erfolgen. Es sei daher von einer ausreichenden Aufklärung und von einer rechtsgültigen Einwilligung der Klägerin in den operativen Eingriff auszugehen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Es stehe fest, dass die Klägerin vor der Operation darüber informiert worden sei, dass es im Nachhinein zu einer Lockerung der Implantate und zu einer Folgeoperation kommen könne. Damit sei sie ausreichend über die möglichen Folgen der Behandlung unterrichtet worden. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Klägerin zusätzlich auch darüber in Kenntnis zu setzen, dass andere Patientengruppen zB weit jüngere ein anderes Operations bzw Komplikationsrisiko hätten. Der Arzt habe jeweils den konkreten Patienten über die in seinem Fall möglichen Risken der Behandlung aufzuklären und zu beraten. Eine vergleichsweise Betrachtung mit den für andere Patienten bestehenden Risken sei davon nicht umfasst.
Gegen das Berufungsurteil wendet sich die aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass ihrem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht vor Operationen abwich.
Der Beklagten wurde daher die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt.
In der fristgerecht erstatteten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte die Zurückweisung der Revision; hilfsweise stellt sie den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.
In ihrer Revision steht die Klägerin auf dem Standpunkt, dass sie in dem Aufklärungsgespräch vor der Operation darüber aufzuklären gewesen wäre, dass ihre Knochendichtewerte das Risiko einer Implantatlockerung erhöhten. Bei Wissen der erhöhten Risken im Zusammenhang mit der bei der Klägerin bestehenden fortschreitenden Osteoporose hätte sie trotz Schmerzen von einer Bandscheibenoperation abgesehen. Die Klägerin sei auch über alternative Behandlungsmethoden nicht aufgeklärt worden.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Die gerügte Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO; RIS Justiz RS0042963).
2. Im Rahmen der Erfüllung des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wofür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich ist (4 Ob 87/08k = EF/Z 2008/103; 5 Ob 148/07m mwN).
3. Grundlage für die Haftung eines Arztes oder Krankenhausträgers wegen Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch die Behandlung eingegriffen wird. Der Patient muss in die konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen; Voraussetzung für seine sachgerechte Entscheidung ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt (3 Ob 131/03s = SZ 2003/112; 4 Ob 137/07m = SZ 2003/112).
4. Die Aufklärung soll den Patienten instandsetzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen (RIS Justiz RS0026413). Ist der Eingriff nicht dringlich, muss der Arzt dem Patienten auch auf allenfalls bestehende Behandlungsalternativen hinweisen. Dabei sind Vorteile und Nachteile, verschiedene Risken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen (4 Ob 137/07m; 10 Ob 8/01a = RdM 2001/22 je mwN).
5. Wurde der Patient nicht ausreichend aufgeklärt, ist die Behandlung grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn der Eingriff selbst wie hier medizinisch indiziert war und lege artis durchgeführt wurde (3 Ob 131/03s; 4 Ob 137/07m; RIS Justiz RS0026783). In diesem Fall trifft den Arzt bzw den für das Fehlverhalten ihrer Ärzte haftenden Krankenanstaltsträger die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte (8 Ob 535/89 = SZ 62/154; RIS Justiz RS0038485 [T1]).
6. Anspruch auf Schadenersatz besteht jedoch nur, wenn sich jenes „Risiko“ verwirklicht, auf das der Arzt hätte hinweisen müssen (3 Ob 131/03s; 4 Ob 137/07m mwN).
7. Ausgehend von diesen Grundsätzen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht des Arztes reichen die erstgerichtlichen Feststellungen zur abschließenden Beurteilung einer Aufklärungspflichtverletzung nicht aus:
7.1 Fest steht, dass die Klägerin formularmäßig (vgl ./B) darauf hingewiesen wurde, dass es „nicht immer“ gelingt, dass die Implantate so an der Wirbelsäule befestigt werden, dass sie einen guten Halt haben; es könne dann zu Lockerungen kommen, die jedoch selbst bei guter Lage der Implantate auftreten können; sehr selten sei eine Korrekturoperation erforderlich.
7.2 Fest steht aber auch, dass die Frage der Knochendichtewerte der Klägerin die bereits etwa achteinhalb Monate vor Durchführung der Operation im osteoporotischen Bereich lagen im Aufklärungsgespräch nicht näher „thematisiert“ wurden. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass eine Erhöhung des Risikos der Implantatlockerung und der in der Informationsbroschüre als sehr selten beschriebenen Notwendigkeit einer Korrekturoperation bei Bestehen einer Osteoporose eine Aufklärungspflicht des Arztes auslöst, genau auf diesen Umstand hinzuweisen: Stellt nämlich eine Implantatlockerung ein typisches Risiko einer Bandscheibenoperation dar, das wovon die Klägerin ausgeht Bestehen einer Osteoporose erhöht ist, reicht der bloß allgemeine Hinweis auf ein typisches Operationsrisiko (vgl dazu RIS Justiz RS0026340; RS0026581) nicht aus. Vielmehr ist der konkrete Patient ausgehend von seiner konkreten Situation (im Anlassfall Bestehen einer osteoporotischen Vorerkrankung) über das für ihn typische Risiko der Operation aufzuklären. Das ergibt sich aus dem bereits dargestellten allgemeinen Grundsatz, dass die Aufklärung den konkreten Patienten in die Lage versetzen soll, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken. Dazu gehört auch die verschärfte Aufklärungspflicht bei Vorliegen einer typischen Gefahr des Eingriffs (5 Ob 290/08w = iFamZ 2009/161 mwN).
7.3 Im konkreten Fall traf das Erstgericht keine Feststellungen, ob bei Bestehen einer Osteoporose die Gefahr einer Lockerung der Implantate als typisches Operationsrisiko einer Bandscheibenoperation erhöht ist. Dieser Umstand liegt zwar nahe vgl die Feststellung des Erstgerichts, dass sich Osteoporose laufend „verschlechtert“ , ist aber nicht ausdrücklich festgestellt. Ebenfalls nahe liegt, dass die tatsächlich eingetretenen Implantatlockerungen bei der Klägerin durch die fortschreitende Osteoporose verursacht wurden. Allerdings fehlt auch dazu eine ausreichende Feststellung. Die in der Revisionsbeantwortung vertretene Auffassung, es stehe fest, dass die Osteoporoseerkrankung der Klägerin nicht Ursache der Implantatlockerung gewesen sei, steht im Widerspruch zu den wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts, die sich mit dieser Frage gerade nicht befassen.
7.4 Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst präzise Feststellungen darüber zu treffen haben, ob und in welchem Umfang sich das allgemein bestehende Risiko einer Implantatlockerung nach einer Bandscheibenoperation dadurch verstärkt, dass der Patient zum Zeitpunkt der Operation bereits Knochendichtewerte im osteoporotischen Bereich aufweist. Ferner wird das Erstgericht festzustellen haben, ob die im konkreten Fall eingetretenen Implantatlockerungen im Zusammenhang mit der bei der Klägerin bestehenden und fortschreitenden Osteoporose stehen. Die Notwendigkeit dieser Feststellung ergibt sich aus dem dargelegten Grundsatz, dass eine Verletzung der Aufklärungspflicht nur dann zur Haftung führt, wenn sich genau jenes Risiko verwirklicht, über das aufzuklären gewesen wäre (vgl 6.).
7.5 Ist nach den vom Erstgericht ergänzend zu treffenden Feststellungen eine Verletzung der Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes, für den die Beklagte haftet, zu bejahen, wird zu prüfen sein, ob wie die Beklagte bereits in erster Instanz vorgebracht hat die Klägerin dem Eingriff auch bei ausreichender Aufklärung zugestimmt hätte (siehe 5.).
7.6 Ist das nicht der Fall, wird das Erstgericht die von der Beklagten ebenfalls bestrittene Höhe des Klagebegehrens einer Überprüfung zu unterziehen haben.
8. Aus diesen Gründen hatte eine Aufhebung der angefochtenen Urteile zu erfolgen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.