OGH vom 27.01.2015, 5Ob230/14f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft H*****, vertreten durch Mag. Stefan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. A***** W***** und 2. Dr. C***** W*****, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in Wien, und 3. Ing. H***** D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 58.778,83 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 105/14z 20, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 9 Cg 78/13a 11, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 9 Cg 78/13a 14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag der erst- und der zweitbeklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand 58.778,83 EUR sA für die Behebung von Wasserschäden. Die seit 2008 anhaltende Durchfeuchtung der Tramdecke habe einen Befall der Trambalken mit dem „echten Hausschwamm“ verursacht. Dem Erst- und der Zweitbeklagten sei anzulasten, dass sie als Mit- und Wohnungseigentümer die Sanierung ihrer Dachterrasse und die Beseitigung der Ursachen der Wassereintritte jahrelang verweigert hätten. Deshalb habe die Klägerin die Drittbeklagte mit der kompletten Neuabdichtung der Dachterrasse im August 2009 beauftragt; deren Leistung sei aber mangelhaft erbracht worden, weil die Dachterrasse nicht dicht geworden sei, weswegen es am zu einem neuerlichen Wassereintritt in der darunter gelegenen Wohnung gekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht. Beide Vorinstanzen bejahten die von den Beklagten eingewendete Verjährung.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
2 . Die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, dass dies der Fall ist, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS-Justiz RS0034524; M . Bydlinski in Rummel , ABGB³ § 1489 Rz 3; Mader / Janisch in Schwimann , ABGB³ § 1489 Rz 9). Wann eine in diesem Sinne ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab ( RIS-Justiz RS0034524 [T23; T 41]) .
3. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass das in einem wegen der auch hier gegenständlichen Wassereintritte anhängigen Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist gehabt habe, weil der genauen Kenntnis über die Qualität des Pilzbefalls lediglich für die Schadenshöhe Bedeutung zukomme. Die Klägerin hält dem im Revisionsverfahren zusammengefasst entgegen, dass das nach ihrer Darstellung des Zeitablaufs erst nach ihrer Klageerhebung erstellte () und den Parteien des Parallelverfahrens am zugestellte Gutachten für die Kenntnis des Schadensausmaßes unabdingbar gewesen sei; davor wäre sie als Laie nicht in der Lage gewesen, ein schlüssiges Klagebegehren zu formulieren, weil erst mit dem Gutachten der Pilzbefall mittels DNA Analyse verifiziert worden sei. Damit zeigt sie keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.
4.1 G egenüber dem Erst- und der Zweitbeklagten stützt die Klägerin ihr Begehren ausschließlich auf deren Untätigkeit im Zusammenhang mit der Sanierung der Dachterrasse nach dem Auftreten erster Wasserschäden im Jahr 2008. Ein solcher Rechtswidrigkeits- und Verschuldensvorwurf kommt nicht mehr zum Tragen, sobald die Klägerin ihre Kompetenz zur Behebung eines ernsten Schadens iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG des Hauses oder an einem Wohnungseigentumsobjekt (RIS Justiz RS0083089; RS0069886; RS0116332) im August 2009 selbst wahrnahm und die Drittbeklagte mit der Neuabdichtung der Dachterrasse beauftragte. Eine allenfalls anzunehmende fortgesetzte Schädigung durch Nichtbeseitigung eines gefährlichen Zustands (vgl RIS Justiz RS0034536) war damit jedenfalls beendet; der dem Erst- und der Zweitbeklagten wegen deren Untätigkeit angelasteter Schaden war bereits eingetreten und hinsichtlich der (ua eingeklagten) Kosten der von der Klägerin bei der Drittbeklagten beauftragten „Ersatzvornahme“, die ihr mit in Rechnung gestellt wurden, als Primärschaden auch bezifferbar.
4.2 Der neuerliche Wassereintritt im Dezember 2009 vermag daran nichts zu ändern, weil damit nur die Drittbeklagte als weitere potentiell Haftpflichtige hinzukam (zur Solidarhaftung vgl: RIS-Justiz RS0022703; Karner in KBB 4 § 1302 ABGB Rz 3).
4.3 Auch gegenüber der Drittbeklagten macht die Klägerin einen
Schadenersatzanspruch geltend, auf den § 1489 ABGB anwendbar ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0017735 [T4; T 5]). Ihr wirft sie vor, den Auftrag zur kompletten Neuabdichtung der Dachterrasse im August 2009 schlecht erfüllt zu haben. Bei Schlechterfüllung beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Mangelschadens nach der Rechtsprechung grundsätzlich zwar erst zu laufen, wenn für den Werkbesteller das Misslingen eines Verbesserungsversuchs feststeht oder dieser eine Verbesserung endgültig verweigert (dazu RIS-Justiz RS0022078; 3 Ob 162/12p mwN; krit P . Bydlinski in KBB 4 § 933a Rz 13; differenzierend Dehn aaO § 1489 Rz 6). Hier begehrte die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes aber gleich (auch) die Kosten der Ersatzvornahme, sodass in Ermangelung einer Verbesserungsgelegenheit für die Werkunternehmerin auf den Schadenseintritt abzustellen ist. Mit dessen positiver Kenntnis beginnt die Verjährungsfrist auch dann zu laufen, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann oder ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte in einem solchen Fall durch eine Feststellungsklage begegnen (RIS-Justiz RS0050338).
4.4 Dass die von der Drittbeklagten vorgenommene „komplette Neuabdichtung“ mangelhaft ausgeführt worden sein musste, so der hier nicht zu prüfende Standpunkt der Klägerin in ihrer Klage, konnte auf Basis der Feststellungen ab dem neuerlichen Wassereintritt am nicht zweifelhaft sein, war damit doch klar, dass die Terrasse entgegen dem von der Klägerin zugrunde gelegten Auftrag auch nach Leistungserbringung der Drittbeklagten nicht „dicht“ war. Bereits dieser Umstand bedingte die Kenntnis des der Höhe nach allenfalls noch nicht bezifferbaren (Primär )Schadens aus der behaupteten Schlechterfüllung der Drittbeklagten als im August 2009 beauftragte Werkunternehmerin.
5.1 Nach der in ständiger Rechtsprechung vertretenen „gemäßigten Einheitstheorie“ beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auch für künftige vorhersehbare Teil-(Folge-)Schäden mit dem Eintritt des ersten Schadens (Primärschadens) zu laufen (Nachweise bei Dehn in KBB 4 § 1489 ABGB Rz 4). Unvorhersehbar sind Schäden insbesondere dann, wenn sie sich von den früheren schon durch ihre Beschaffenheit und namentlich dadurch unterscheiden, dass sie auf bis dahin nicht wahrgenommene Zwischenursachen zurückzuführen sind (RIS Justiz RS0034527 [T2]). Eine Schädigung der ua aus Holztram bestehenden Geschossdecke wegen der wiederholten Wassereintritte samt dem Erfordernis aufwändiger und kostspieliger Sanierung als Mangelfolgeschaden (hier in Gestalt des laut Gutachten bereits ab Ende 2008 vorhandenen Pilzbefalls [und nur diesen führt die Klägerin als weiterführende Erkenntnis aus dem Gutachten des Parallelverfahrens an]) war auch für Laien nicht unvorhersehbar. Damit hätte die Klägerin der drohenden Verjährung (auch) der Mangelfolgeschäden mit der Einbringung einer Feststellungsklage begegnen müssen (RIS Justiz RS0050338; RS0087613 ua).
5.2 Eine Verletzung der Prüf- und Warnpflicht durch die Drittbeklagte hat die Klägerin erstmals in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom und damit selbst nach ihrer Sichtweise nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB geltend gemacht. Soweit die Klägerin ihre Ersatzansprüche (auch) darauf stützt, liegt eine Klageänderung (§ 235 Abs 4 ZPO) vor, die nicht zurückwirkt (vgl Dehn aaO § 1497 Rz 5).
5.3 Es begründet daher insgesamt ein nicht zu korrigierendes Ergebnis, wenn die Vorinstanzen zur rechtlichen Beurteilung gelangten, dass die dreijährige Verjährungsfrist bei Anbringung der Klage bereits abgelaufen war. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die vom Erst- und der Zweitbeklagten ohne Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsbeantwortung diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 508a Abs 2 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00230.14F.0127.000