OGH vom 23.12.1998, 7Ob325/98i

OGH vom 23.12.1998, 7Ob325/98i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** regGenmbH, ***** vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Renate G*****, vertreten durch Dr. Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 126.556,81 sA (Revisionsinteresse S 96.360,-- sA) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom , GZ 23 R 90/98v-27, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom , GZ 2 C 600/97i-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma R***** GmbH (im folgenden kurz: Firma R*****) errichtete ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel 1993/94 auf dem Grundstück ***** Grundbuch ***** A*****, Bezirksgericht F*****, eine aus 16 Einheiten bestehende Wohnungseigentumsanlage. Mit Vertrag vom 8. 7./ mietete die Beklagte von der Firma R***** davon die in deren Eigentum stehende Wohnung top D 3 samt Tiefgaragenplatz ab auf unbestimmte Zeit an, wobei die Vermieterin für die Dauer von 25 Jahren auf eine Kündigung verzichtete. Der monatliche Mietzins betrug S 8.760,-- zuzüglich Betriebskosten; dem Mieter wurde die Aufrechnung von Forderungen welcher Art auch immer gegen Mietzins- und Betriebskostenforderungen untersagt. Die vertraglich vorgesehene grundbücherliche Einverleibung dieses Mietvertrages ist unterblieben. Ca 2 Tage vor dem übergab die Beklagte Günter N*****, dem Generalbevollmächtigten des Geschäftsführers der Fa R***** einen Bargeldbetrag von S 200.000,--; am überwies die Beklagte auf das Verrechnungskonto Günter N***** weitere S 600.000,--. Günter N***** leitete beide Beträge an die Firma R***** weiter und quittierte in deren Namen den Erhalt der S 800.000,--. Sowohl Günter N***** als auch die Beklagte gingen davon aus, daß dieser Betrag als Mietvorauszahlung für die von der Beklagten gemietete Wohnung für ca 10 Jahre gewidmet sei. 1996 geriet die Firma R***** in finanzielle Schwierigkeiten. Aus diesem Grund trat Günter N***** an Dr. E*****, den Geschäftsführer der Firma A***** GrundstücksverwaltungsGesmbH (im folgenden Firma A*****) heran und bot ihm die von der Beklagten gemietete Wohnung D 3, die von ihm selbst und seiner Gattin gemieteten Wohnungen F 1 A und F 1 und zwei weitere Wohnungen, die sämtliche im Eigentum der Firma R***** standen, zum Kauf an und gab die Klägerin als möglichen Financier dieses Kaufs an. Als sich deren Zustimmung zur Finanzierung abzeichnete, kam es durch Dr. E***** als Geschäftsführer der Firma A***** und Günter N***** als Generalbevollmächtigter der Firma R***** zum Abschluß des Kaufvertrages über diese 5 Wohnungen. Für den der Firma A***** gewährten Kredit von S 9,400.000,-- ließ sich die Klägerin alle Mietzinseingänge abtreten und ein bücherliches Pfandrecht über S 10,400.000,-- einverleiben. Dr. E***** wußte schon längere Zeit vor Unterfertigung der Zessionsvereinbarung mit der Klägerin aus Gesprächen mit Günter N*****, daß die Beklagte eine Mietzinsvorauszahlung von S 800.000,-- geleistet hatte. Auch der spätere Verfasser des Kaufvertrages Dr. Günter H*****, der bereits im Jänner 1996 den Mietvertrag betreffend die Wohnung der Beklagen D 3 erhalten hatte, wußte vor dem Kaufvertragsabschluß von der Mietzinsvorauszahlung der Beklagten. Nach den Vorstellungen der Klägerin sollte die Rückführung des Kredites über S 9,400.000,-- in einem Teilbetrag von S 1,400.000,-- durch abziehbare Vorsteuern, in einem weiteren Teilbetrag über S 2,400.000,-- durch den Erlös aus dem Verkauf der Wohnung F 2 und im Umfang des Restbetrages von S 5,600.000,-- durch die Mieteingänge aus den restlichen verkauften Wohnungen abgedeckt werden. Die langfristige Finanzierung baute daher ausschließlich auf den Mieterlösen aus diesen Wohnungen auf, ohne die es keine Finanzierungszusage der Klägerin gegeben hätte. Dies war auch Günter N***** bekannt, der mit der Klägerin die wesentlichen Gespräche über die Finanzierung führte. Hätte Günter N***** eine Andeutung über Gegenverrechnungen, Vorauszahlungen oder Abtretungen gemacht, hätte die Klägerin die Finanzierung nicht übernommen, weil für sie dann die Wohnungen wegen Fehlens von Mieterlösen wertlos gewesen wären. Die Absicht, sich die Mietzinse abtreten zu lassen, hatte die Klägerin in den Gesprächen mit Dr. E***** und Günter N***** von Anfang an unmißverständlich erwähnt. Der später auch mit der treuhändigen Abwicklung des Kaufvertrages beauftragte Vertragsverfasser Dr. Günter H***** ging davon aus, daß den Parteien des Kaufvertrages die Mietverträge bekannt seien. Nebenabreden wie Mietzinsvorauszahlungen sollten seiner Ansicht nach überbunden werden. Daß die Klägerin die Finanzierung auch auf die Mieteingänge stütze, erfuhr er erst später. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Klägerin Kenntnis von den Mietzinsvorauszahlungen der Beklagten gehabt hat.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 126.556,81, d.s. an Mieten von Jänner 1997 bis Jänner 1998 samt Zinsen. Eine Mietzinsvorauszahlung der Beklagten sei der Käuferin und der Klägerin nicht bekannt gewesen, eine solche sei auch mangels Ersichtlichmachung im Grundbuch sowie zufolge der Stellung der Klägerin als Hypothekargläubigerin unwirksam.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, an Mietzins S 800.000,-- dem Vermieter vorausbezahlt zu haben. Davon habe die Erwerberin der Wohnung Kenntnis gehabt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 96.360,-- sA zu und wies ein Mehrbegehren von S 30.196,81 sowie ein Zinsenmehrbegehren (unbekämpft) ab. Es nahm eine rechtswirksame Überbindung der von der Beklagten an die Firma R***** geleisteten Mietzinsvorauszahlung an die Firma A***** als neue Eigentümerin der vermieteten Wohnung an. Die über den hinaus vorausbezahlten Mietzinse begründeten daher nicht lediglich ein persönliches Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und Günter N*****. Die Zession der Mietzinsforderungen an die Klägerin sei grundsätzlich und sofort mit Abschluß des Abtretungsvertrages wirksam; die Forderungen seien ausreichend spezifiziert gewesen, die Zession hätte auch nicht der Zustimmung des Schuldners bedurft, dieser habe aber allerdings bis zur Verständigung von der Abtretung (hier mit Schreiben vom , Zugang Anfang März 1997) an den alten Gläubiger leisten dürfen. Die Klägerin könne daher erst die ab fällig gewordenen Mieten von der Beklagten fordern. Auf die geleistete Mietzinsvorauszahlung könne sich die Beklagte gegenüber der Klägerin deshalb nicht berufen, weil die Klägerin von dieser Vorauszahlung keine Kenntnis gehabt habe und diese auch nicht im öffentlichen Buch ersichtlich gemacht worden sei; es bestünden auch keine Anhaltspunkte, daß die Klägerin von der Mietzinsvorauszahlung Kenntnis gehabt haben müßte.

Das Berufungsgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung über Berufung der Beklagten in teilweiser Abänderung des Ersturteiles das Klagebegehren zur Gänze ab. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Die Bestimmung des § 1102 ABGB regle nur verbücherte Bestandverträge. Nach nunmehr herrschender Ansicht durchbreche § 1102 ABGB die Rechtsfolgen des § 1120 ABGB lediglich im Sinne eines Gutglaubensschutzes, sodaß insofern sein Wortlaut zu eng sei. Auch im Grundbuch nicht angemerkte Mietzinsvorauszahlungen müsse der Käufer der Liegenschaft nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dann gegen sich gelten lassen, wenn er bei Vertragsabschluß von diesen Zahlungen Kenntnis gehabt habe. Die Erwerberin der Liegenschaft, die Firma A*****, der der Wissensstand ihres Geschäftsführers Dr. E***** zuzurechnen sei, müsse daher die an die Firma R***** von der Beklagten geleisteten Mietzinsvorauszahlungen gegen sich gelten lassen. Da nach § 1394 ABGB die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung dieselben seien und die Rechtsstellung des Schuldners durch eine Zession nicht verschlechtert werden dürfe, bestimme sich der Inhalt der abgetretenen Forderung im Zweifel nach dem, was dem Übergeber gegen den Schuldner zugestanden sei; die Zession der Bestandzinsforderungen durch die Firma A***** an die Klägerin sei daher nur so weit wirksam geworden, als erstere zum damaligen Zeitpunkt zu Recht bestanden hätten. Der Zessus behalte seine Einwendungen gegen den Zedenten und könne sich unter anderem auf Stundung oder auch Zahlung an diesen vor Kenntnis der Zession berufen. Da die Abtretung die Rechtsstellung des Zessus nicht verschlechtern dürfe, komme auch ein gutgläubiger Forderungserwerb in analoger Anwendung von § 367 ABGB und § 366 HGB - von hier nicht zutreffenden Ausnahmefällen abgesehen - nicht in Betracht. Richtig sei, daß § 1102 ABGB auch die Sicherung der Hypothekargläubiger umfasse. Nach herrschender Ansicht seien aber Zivilfrüchte von der Verpfändung der Hauptsache grundsätzlich nicht erfaßt. Der mit der Bestimmung des § 1102 ABGB allgemein verfolgte Schutzzweck, zu verhindern, daß Gläubiger des Bestandgebers aus den künftigen Bestandzinsen nicht Befriedigung erlangen können, weil der Bestandgeber aufgrund einer (nach allgemeinen Regeln sonst gültigen) Vereinbarung in Ansehung der Zahlung der künftigen Bestandzinse nicht mehr in der Lage wäre, vom Bestandnehmer Zahlung zu verlangen, ändere nichts daran, daß eine wirksame Abtretung von - bereits vorausgezahlten - Bestandzinsen nicht erfolgen habe können und daher weder die Rechtsstellung der Klägerin als Zessionar der Bestandzinsforderung noch jene als Hypothekargäubigerin, die ja einen unmittelbaren Zugriff auf die Zivilfrüchte der Liegenschaft nicht gestatte, sie zur Geltendmachung der Bestandzinse für den hier maßgeblichen Zeitraum berechtige.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend erkannt hat, muß der Bestandobjektserwerber die Zinsvorauszahlung des Bestandnehmers an seinen Vorgänger gegen sich gelten lassen, wenn sie ihm bekannt war oder bekannt sein mußte (vgl Binder in Schwimann ABGB2 § 1102 Rz 5 mwN sowie Würth in Rummel ABGB2 § 1102 Rz 14 ff mwN).

Zur Unwirksamkeit der Zession der Bestandzinse durch die Firma A***** an die Klägerin gegenüber der Beklagten darf daher auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin wurde daher nicht Gläubigerin der Beklagten. Zu prüfen war, ob die Bestimmung des § 1102 ABGB dem dort genannten "später eingetragenen Gläubiger" bei unterlassener Eintragung der Zinsvorauszahlung im Grundbuch und fehlender eigener Kenntnis von einer solchen einen Anspruch auf die Zahlung des laufenden Mietzinses an ihn einräumt. Vorweg wäre dazu auszuführen, daß die bücherliche Anmerkung der Mietzinsvorauszahlung nur jedermann ersichtlich machen soll, daß für eine gewisse Zeit mit keinen Mietzinseingängen zu rechnen ist. Wurde das Bestandrecht nicht einverleibt, so kann auch keine Mietzinsvorauszahlung bücherlich angemerkt werden. Bei § 1102 ABGB handelt es sich in erster Linie um eine Schutzvorschrift zugunsten des gutgläubigen Erwerbers, der keine Kenntnis von der Mietzinsvorauszahlung hat, bzw haben kann. Die Rechtsstellung des Hypothekargläubigers wird durch eine dem Liegenschaftserwerber bekannte Mietzinsvorauszahlung an den Verkäufer nicht berührt, weil die Zivilfrüchte - und um solche handelt es sich bei Mietzinszahlungen - nach nunmehr herrschender Auffassung von der ihm vertraglich zugesicherten Verpfändung der Hauptsache grundsätzlich nicht erfaßt sind (vgl RZ 1989, 278, Koziol-Welser10, 120, Hinteregger in Schwimann ABGB2 § 457 Rz 12, sowie Binder, ebendort zu § 1192 Rz 5, Petrasch in Rummel ABGB2 § 457 Rz 4, Frotz, Kreditsicherungsrecht, 87). Wenn auch die Rechtsprechung der Lehrmeinung Klangs (Klang in Klang2 V, 76), daß nicht verbücherte, dem Erwerber aber bekannte Mietzinsvorauszahlungen, den Bestandnehmer nicht von einer nochmaligen Inanspruchnahme schützten, nicht gefolgt ist (vgl RZ 1989, 278 mwN) treffen seine folgenden Ausführungen über die Rechtsnatur des § 1102 ABGB in bezug auf den Hypothekargläubiger als eine auf das Exekutionsverfahren insbesondere die Zwangsverwaltung (vgl § 111 EO) abgestimmte Sondervorschrift zu. Demnach kann der Hypothekargläubiger sein Recht auf nochmalige Bezahlung des vorausgeleisteten Mietzinses erst bei exekutiver Realisierung seines Pfandrechtes geltend machen, eine solche liegt aber hier nicht vor. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.