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OGH 30.03.2020, 4Ob43/20g

OGH 30.03.2020, 4Ob43/20g

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M* S*, geboren am *, wohnhaft bei ihrem Vater R* S*, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterhalts, aufgrund der Zulassungsvorstellung der Mutter S* M*, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 2 R 3/20m-42, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 11 Pu 199/19k-38, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit Schriftsatz vom stellte die mj M* den Antrag, ihre Mutter ab zur Zahlung eines erhöhten Unterhaltsbeitrags von monatlich 360 EUR zu verpflichten; mit Schriftsatz vom dehnte sie ihr Begehren auf monatlich 580 EUR ab aus.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag teilweise statt und verpflichtete die Mutter zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrags (statt bisher in Höhe von monatlich 100 EUR) von monatlich 130 EUR ab ; das Mehrbegehren wies es ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes Folge und verpflichtete die Mutter zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags (in Höhe des im Rekurs noch begehrten Betrags) von 322 EUR ab . Gleichzeitig sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Zulassungsvorstellung der Mutter gemäß § 63 AußStrG, den sie mit dem ordentlichen Revisionsrekurs verband und mit dem sie beantragt, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Das Erstgericht legte das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Aktenvorlage ist verfrüht.

1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist – bei einem Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur – der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3
AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 59 Abs 1 Z 2 AußStrG). Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur einen Antrag an das Rekursgericht stellen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (§ 63 Abs 3 AußStrG); mit dieser „Zulassungsvorstellung“ ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.

2. Für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts sind gesetzliche Unterhaltsansprüche gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags zu bewerten, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz noch strittig war (RS0122735). Dies ergibt hier einen Betrag von 6.912 EUR.

3. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mehr mit einer Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG angefochten werden kann, ein Rechtsmittel erhoben, so hat das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht als Antrag iSd § 63 AußStrG vorzulegen (vgl RS0109623 [T10 und T13]). Diese Vorgangsweise wäre selbst dann einzuhalten, wenn der Rechtsmittelwerber sein Rechtsmittel als ordentlichen oder außerordentlichen Revisionsrekurs bezeichnet hätte. Im Anlassfall hat die Mutter aber ohnedies zutreffend eine (mit dem Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung eingebracht, die irrtümlich dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde. Der Akt war daher dem Erstgericht zurückzustellen, das die Zulassungsvorstellung dem Rekursgericht vorzulegen hat.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M* S*, geboren am *, wohnhaft bei ihrem Vater R* S*, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Mutter S* M*, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 2 R 3/20m-42, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom , GZ 11 Pu 199/19k-38, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die 16-jährige M* ist die Tochter von S* M* und R* S*. Sie ist Schülerin und lebt bei ihrem Vater. Bisher war die Mutter aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 100 EUR für M* verpflichtet.

Im Sommer 2018 übersiedelte die Mutter nach Kärnten. Aus diesem Anlass verkaufte sie ihre bisherige Eigentumswohnung in Innsbruck (um 180.000 EUR) und kaufte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten (jeweils zur Hälfte) ein Haus in Kärnten zum Kaufpreis von 218.000 EUR. Das Haus wurde hauptsächlich aus dem Erlös der Eigentumswohnung finanziert; zudem nahmen die Mutter und ihr Lebensgefährte einen Kredit in Höhe von 61.000 EUR auf.

Von Jänner bis Juni 2018 verdiente die Mutter als Tankstellenkassiererin durchschnittlich monatlich 490,52 EUR; seit Oktober 2018 bezieht sie als Handelsangestellte ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 853,93 EUR. Außer ihrer Tochter hat sie noch zwei Söhne im Alter von acht und sechs Jahren, die hauptsächlich von ihr betreut werden.

Mit Schriftsatz vom stellte das Kind M* den Antrag, ihre Mutter ab zur Zahlung eines erhöhten Unterhaltsbeitrags von monatlich 360 EUR zu verpflichten; mit Schriftsatz vom dehnte sie ihr Begehren auf monatlich 580 EUR aus. Der erhöhte Unterhaltsanspruch resultiere aus dem von der Mutter erzielbaren Einkommen in Höhe von zumindest 2.000 EUR pro Monat sowie aus dem Verkauf ihrer Eigentumswohnung. Soweit die Mutter mit dem Veräußerungserlös ein neues Eigenheim angeschafft habe, erspare sie sich den Wohnaufwand. Die Kreditrückzahlungsraten wirkten sich nicht unterhaltsmindernd aus, weil diese der Lebensgefährte der Mutter trage.

Die Mutter erklärte sich bereit, ab September 2019 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 130 EUR für M* zu zahlen. Ein darüber hinausgehender Unterhaltsbeitrag sei nicht gerechtfertigt. Der Verkaufserlös aus der Eigentumswohnung sei nicht zu berücksichtigen, weil dafür ein neues Eigenheim in Kärnten angeschafft worden sei.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag teilweise statt und verpflichtete die Mutter zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrags von monatlich 130 EUR ab ; das Mehrbegehren wies es ab. Aus dem Verkauf der Eigentumswohnung lasse sich keine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ableiten. Die Mutter könne daher nur zu jenem Unterhaltsbeitrag verpflichtet werden, den sie anerkannt habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes Folge und verpflichtete die Mutter zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags (in Höhe des im Rekurs noch begehrten Betrags) von 322 EUR ab . Grundsätzlich sei der beim Verkauf einer Liegenschaft des Unterhaltspflichtigen erzielte Kaufpreis nicht als Einkommen zu behandeln, weil ein solcher Erlös der Vermögenssubstanz zuzuordnen sei. Ausnahmsweise sei der Vermögensstamm allerdings dann bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zur Deckung des angemessenen Unterhalts ausreiche. Dies sei hier der Fall, weil der Regelbedarf für M* monatlich 471 EUR betrage. Im Anlassfall sei der Mutter die Heranziehung des Veräußerungserlöses zumindest insoweit zumutbar, als sie diesen im Dezember 2017 für die Anschaffung des Miteigentumsanteils ihres Lebensgefährten verwendet habe. Hätte die Mutter diesen Vermögenswert für den Unterhalt ihrer Tochter aufgewendet, so wäre ein monatlicher Unterhaltsbeitrag in Höhe von 322 EUR leistbar gewesen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Über Antrag der Mutter nach § 63 AußStrG sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil zur Anrechnung der Verwendung des Vermögensstamms auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage bei fehlender Abdeckung des angemessenen Unterhalts im Fall der Anschaffung eines neuen Eigenheims höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt M*, das Rechtsmittel ihrer Mutter zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

In ihrem Rechtsmittel führt die Mutter aus, dass mit dem Verkaufserlös primär ihr eigener Hälfteanteil im Betrag von 109.000 EUR finanziert worden sei. Ihrem Lebensgefährten sei nur der Restbetrag zur Verfügung gestellt worden, wobei mit diesem vereinbart worden sei, dass er den Kredit über 61.000 EUR alleine abdecke und den Großteil der Fixkosten trage. Das Rekursgericht hätte daher nicht von einer Schenkung an ihren Lebensgefährten im Ausmaß des halben Verkaufserlöses ausgehen dürfen. Außerdem sei der Unterhaltsverpflichtete nicht gehalten, seinen Vermögensstamm für die Finanzierung des Geldunterhalts anzugreifen.

Damit zeigt die Mutter keine erhebliche Rechtsfrage auf:

2.1 Nach der Rechtsprechung ist der Stamm des Vermögens grundsätzlich nicht für die Unterhaltsbemessung heranzuziehen. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn das Einkommen des Geldunterhaltspflichtigen zur Deckung des angemessenen Unterhalts nicht ausreicht und dem Unterhaltspflichtigen die Heranziehung seines Vermögens im Einzelfall zumutbar ist (vgl RIS-Justiz RS0047494; 3 Ob 10/09f).

2.2 Das Rekursgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat im Rahmen seiner Beurteilung den Erlös aus dem Verkauf der Eigentumswohnung der Mutter ihrer Vermögenssubstanz zugeordnet (vgl RS0113786 [T3 und T10]). Das Vorliegen einer besonderen Situation für eine teilweise Anrechnung des Verkaufserlöses hat es vor allem deshalb bejaht, weil die geldunterhaltspflichtige Mutter auch den Hälfteanteil ihres Lebensgefährten zu einem großen Teil aus diesem Verkaufserlös finanziert hat.

Mit dem bloßen Argument, dass der Unterhaltsverpflichtete seinen Vermögensstamm für die Entrichtung des Unterhalts nicht angreifen müsse, geht die Mutter auf den vom Rekursgericht ausdrücklich beurteilten Ausnahmefall nicht näher ein. Auch mit dem weder betragsmäßig noch inhaltlich näher spezifizierten Hinweis auf die von ihrem Lebensgefährten getragenen Kreditrückzahlungsraten bzw Fixkosten legt die Mutter nicht schlüssig dar, warum dies gegen die teilweise Einbeziehung des Verkaufserlöses aus der Eigentumswohnung sprechen soll.

2.3 Das Argument der Mutter, bei Berücksichtigung des Verkaufserlöses aus der Eigentumswohnung würden ihre beiden Söhne unterhaltsrechtlich benachteiligt, ist ebenfalls nicht näher begründet und scheitert schon daran, dass sich ihre Söhne, die in ihrem Haushalt betreut werden, nicht in der selben Situation wie die geldunterhaltsberechtigte Tochter befinden.

3. Schließlich zeigt die Mutter auch mit dem bloßen Hinweis auf das Vorliegen eines Begründungsmangels zur Berechnung der Bemessungsgrundlage keine erhebliche Rechtsfrage auf. In die Unterhaltsbemessungsgrundlage fällt zunächst das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen der Mutter. Hinsichtlich des von der Mutter ihrem Lebensgefährten zugewendeten Anteils am Verkaufserlös aus der Eigentumswohnung hat das Rekursgericht rechnerisch einen Betrag von monatlich rund 800 EUR in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen. Dabei hat es den dem Lebensgefährten überlassenen Vermögenswert auf mehrere Jahre – bis zur angenommenen Selbsterhaltungsfähigkeit von M* – aufgeteilt.

4. Insgesamt zeigt die Mutter mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:E128084
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAD-57884