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OGH vom 12.06.2012, 4Ob43/12w

OGH vom 12.06.2012, 4Ob43/12w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung nach dem UrhG (Streitwert 36.000 EUR) sA, im Verfahren über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 139/11t 10, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 18 Cg 214/10z 6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die Revision der beklagten Partei wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 79/11p gestellte Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen.

Eine Fortsetzung erfolgt nur auf Antrag einer Partei.

Text

Begründung:

Die Klägerin vertreibt Computer unterschiedlichster Ausstattung und deren Zubehör. Sie importiert diese Geräte nach Österreich und bringt sie hier als Erste gewerbsmäßig in Verkehr.

Die beklagte Verwertungsgesellschaft nimmt Ansprüche auf Leerkassettenvergütung gemäß § 42b UrhG wahr. In ihrer zum wirksam gewordenen Tarifverlautbarung macht sie derartige Vergütungsansprüche auch für Festplatten geltend. Gesamtverträge mit einer Nutzerorganisation existieren für die in der Tarifveröffentlichung angeführten Festplatten nicht.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass kein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Zahlung einer Leerkassettenvergütung für die konkret angeführten Festplatten bestehe.

Die Beklagte wendet ein, Computerfestplatten fielen unter den Begriff des vergütungspflichtigen Trägermaterials iSv § 42b UrhG.

Unter Berufung auf die Entscheidung 4 Ob 115/05y Gericom folgten beide Vorinstanzen den Argumenten der Klägerin. Für Computerfestplatten falle keine Leerkassettenvergütung an, weil sie in wirtschaftlich nicht zu vernachlässigendem Ausmaß multifunktional verwendet würden.

Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, Computerfestplatten seien Speichermedien, die in ständig zunehmendem Umfang auch der Speicherung urheberrechtlich relevanten Materials zum eigenen oder privaten Gebrauch dienten. Die Aussagen der Entscheidung Gericom zur Multifunktionalität seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, als es neben digitalen noch einen nicht unerheblichen Anteil analoger Speichermedien gegeben habe und die Nutzung digitaler Speichermedien weniger multifunktional sondern für einen ganz bestimmten Zweck erfolgt sei. In der heutigen Zeit bestehe kein Zweifel, dass Computerfestplatten iSd § 42b Abs 1 UrhG als zur privaten Vervielfältigung geeignet anzusehen seien. Die Multifunktionalität könne lediglich bei der Bemessung der Höhe einer Vergütung berücksichtigt werden. Im Übrigen lasse Art 5 Abs 2 lit b der Info RL 2001/29/EG Vervielfältigungen nur zu, wenn der Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalte. Dies gebiete die Anwendung des § 42 Abs 1 UrhG auch auf multifunktionale Trägermaterialien.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat hat in seinem an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen vom , 4 Ob 79/11p, eine Reihe von Fragen zur Auslegung des in Art 5 Abs 2 lit b der RL 2001/29/EG (Info RL) geforderten „gerechten Ausgleichs“ formuliert, die auch bei Anwendung der österreichischen Bestimmungen über die Leerkassettenvergütung von Bedeutung sind. Ob Computerfestplatten der Leerkassettenvergütung unterliegen, kann nicht losgelöst von der Frage der Vereinbarkeit des von § 42b UrhG eingerichteten Vergütungssystems mit dem Gemeinschaftsrecht beantwortet werden.

Den Parteien wurde deshalb Gelegenheit geboten, zur beabsichtigten Unterbrechung des Verfahrens Stellung zu nehmen. Sie haben in ihren Stellungnahmen keinen Einwand erhoben.

Das Verfahren wird daher bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsverfahren zu 4 Ob 79/11p unterbrochen. Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt werden.