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OGH vom 25.06.2020, 6Ob25/20z

OGH vom 25.06.2020, 6Ob25/20z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** AG, *****, Liechtenstein, als Treuhänderin des ***** Portfolio *****, vertreten durch Grama Schweighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenienten 1. A*****, Deutschland, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. P***** LLP, *****, Großbritannien, vertreten durch Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 228.045 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 58/19z-50, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Laut Bescheid der Übernahmekommission vom , GZ 2016/1/2-317 (c*****), waren im Herbst 2015 die Zweitnebenintervenientin und die M***** Ltd Gesellschafterinnen der c***** SE (nunmehr: B***** GmbH; kurz: Gesellschaft); die Beklagte, deren Vorstandsmitglied der Erstnebenintervenient war, war Alleingesellschafterin der M***** Ltd. Die genannten Gesellschafterinnen und die Beklagte hatten – zusammen mit anderen gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern im Sinn des § 1 Z 6 ÜbG – ab eine kontrollierende Beteiligung an der Gesellschaft inne und wären daher nach Auffassung der Übernahmekommission gemäß § 22 ff ÜbG verpflichtet gewesen, ein Pflichtangebot zum Erwerb von Aktien gegen Barzahlung zu einem Preis von mindestens 16,6577 EUR pro Aktie zu stellen (6 Ob 22/17d ZFR 2017/140 [Fidler] = wbl 2017, 346/112 [Kraus]; 6 Ob 175/19g).

Die Klägerin ist eine liechtensteinische Verwaltungsgesellschaft (Kapitalveranlagungsgesellschaft) für Investmentfonds und dabei treuhändig für den Investmentfonds ***** Portfolio tätig, dem als Sondervermögen keine Rechtspersönlichkeit zukommt. Dieser Investmentfonds veräußerte am die an der Gesellschaft gehaltenen 50.000 Stück Aktien über eine Bank mit Ausführung um 15:43 Uhr zum Preis von 603.945 EUR (Stückpreis 12,0797 EUR).

Die Vorinstanzen wiesen das auf den Titel des Schadenersatzes gestützte Begehren der Klägerin auf Zahlung von 228.045 EUR – das ist die Differenz zwischen Pflichtangebot und Verkaufspreis – mit der Begründung ab, die Übernahmekommission sei davon ausgegangen, dass die Stimmrechte der gemeinsam vorgehenden Rechtsträger erstmals am wechselseitig zuzurechnen gewesen seien, wobei sie die Ergebnisse eines großen Treffens als entscheidend gesehen habe. Da am Ende dieses Treffens um 15:13 Uhr noch keine konkreten Vereinbarungen über wechselseitige Beteiligungen getroffen worden und keinerlei konkrete Pläne bzw Beschlüsse gefasst worden waren, wie eine Übernahme der Gesellschaft durch die Beklagte erfolgen könnte, sei die Verpflichtung zur Legung eines Pflichtanbots vor dem um 15:13 Uhr nicht entstanden gewesen. Habe die Angebotspflicht aber erst ab diesem Zeitpunkt bestanden, könne der Beklagten kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie um 15:43 Uhr desselben Tages noch keine Veröffentlichung nach § 5 Abs 3 Z 2 ÜbG vorgenommen hatte.

Das Erstgericht wies – zugleich mit seinem Urteil – einen Unterbrechungsantrag der Beklagten ab, der darauf gerichtet war, die Übernahmekommission möge die Frage des Mindestpreises für das Übernahmegebot beantworten; diese Frage sei nicht entscheidungsrelevant, weil das Klagebegehren ohnehin abzuweisen sei. Die Frage, ob das Verfahren zum Thema der Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten zu unterbrechen sei, behandelte das Erstgericht hingegen (bloß) in den Entscheidungsgründen des Urteils; das Berufungsgericht setzte sich damit unter den Aspekten der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens auseinander und verneinte diese.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision zunächst geltend, die Vorinstanzen hätten das Verfahren gemäß § 29 Abs 2 ÜbG unterbrechen und der Übernahmekommission die Beurteilung der Frage überlassen müssen, ob die nötige Kausalität der im Bescheid festgestellten Pflichtverletzung für den Schadenseintritt vorliegt. Maßgeblich sei konkret, ob die Verpflichtung zur Stellung des Pflichtangebots bereits vor dem Beginn des Tages (des ) begonnen hatte, wenn nicht, zu welchem Zeitpunkt an diesem Tag.

1.1. Nach § 29 Abs 2 ÜbG hat das Gericht, wenn die Entscheidung in einem zivilgerichtlichen Verfahren von der noch nicht vorliegenden Entscheidung einer Vorfrage abhängt, die nach diesem Bundesgesetz zu treffen ist, das Verfahren zu unterbrechen und einen Feststellungsbescheid der Übernahmekommission betreffend die Vorfrage herbeizuführen. Parteien des Feststellungsverfahrens sind die Parteien des zivilgerichtlichen Verfahrens, der Bieter und die Zielgesellschaft. An den Bescheid, der über die Vorfrage abspricht, ist das Gericht gebunden. Dennoch unterbrachen die Vorinstanzen das Verfahren nicht, sondern beurteilten die Frage, ob die Unterlassung des Pflichtangebots für den geltend gemachten Schaden kausal war, selbstständig. Sie gelangten dabei zum Ergebnis, dass das Treffen, an dem auch Vertreter der Beklagten teilnahmen, am um 15:13 Uhr endete und der Verkauf der Anteile an der Gesellschaft bereits um 15:43 Uhr desselben Tages erfolgte.

1.2. Nach § 192 Abs 2 ZPO ist zwar die Abweisung eines Unterbrechungsantrags nicht anfechtbar (RS0037090); dies gilt aber in jenen Fällen nicht, in denen das Gesetz eine Unterbrechung zwingend vorschreibt (RS0037034). Aufgrund der Formulierung in § 29 Abs 2 ÜbG, wonach das Gericht das Verfahren zu unterbrechen „hat“, ist hier von einer zwingend angeordneten Unterbrechung auszugehen.

1.3. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Berufungsgericht die von der Klägerin in ihrer Berufung im Zusammenhang mit der Nichtunterbrechung des Verfahrens relevierte Nichtigkeit des Ersturteils verneinte, was jedenfalls nicht weiter anfechtbar ist (RS0043405). Darüber hinaus verneinte das Berufungsgericht den aus dem selben Grund geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz; auch diese Frage kann nicht nochmals an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042963):

1.3.1. Die Entscheidung 1 Ob 128/98z hatte eine zwingende Unterbrechung nach § 41 MRG zum Gegenstand. Der Oberste Gerichtshof hielt die von den Vorinstanzen übereinstimmend abgelehnte Unterbrechung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO für nicht weiter anfechtbar (vgl auch 4 Ob 41/15f [zwingende Unterbrechung nach § 156 Abs 3 PatG]).

1.3.2. In der Entscheidung 9 ObA 117/91 wurde ausgeführt, dass die Verweigerung der Unterbrechung, sofern darüber mit abgesondertem Beschluss entschieden wird, überhaupt nur dann anfechtbar sei, wenn eine Unterbrechung zwingend vorgesehen ist; darüber hinaus könne, soweit eine Geltendmachung dieses Umstands als Verfahrensmangel überhaupt in Betracht kommt, ein solcher Mangel in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden, wenn das Berufungsgericht sein Vorliegen verneint hat. Eine solche Konstellation ist auch hier gegeben.

1.3.3. Und schließlich kann es keinen Unterschied machen, ob von den Vorinstanzen übereinstimmende Beschlüsse (hier: zur Frage der Unterbrechung) getroffen werden, die sodann gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht weiter anfechtbar sind (1.3.1.), oder ob die (Nicht-)Unterbrechung vom Berufungsgericht als Frage der Nichtigkeit bzw Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens behandelt wird, wird doch die Rechtsprechung, wonach ein verneinter Verfahrensmangel in dritter Instanz nicht erneut geltend gemacht werden kann, gerade auch mit einer Parallele zur Konformatsregel begründet (jüngst G. Kodek, Zugang zum OGH bei Verfahrensmängeln: Versuch einer Klarstellung, Zak 2020/35 [Punkt 5.3.]).

1.4. Damit ist aber die Frage, ob das Erstgericht das Verfahren gemäß § 29 Abs 2 ÜbG hätte unterbrechen müssen, vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar.

2. Als weitere Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung macht die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision eine „fehlerhafte Beurteilung der Bindungswirkung des Bescheides der Übernahmekommission“ geltend: Die Vorinstanzen hätten für die Frage der Kausalität der Unterlassung eines Pflichtangebots für den Schaden der Klägerin von einer Bindung an die Feststellung des maßgeblichen Zeitpunkts mit „spätestens mit dem “ auszugehen müssen, hätten tatsächlich jedoch 15:13 Uhr an diesem Tag als maßgeblich erachtet.

2.1. Die Klägerin übersieht, dass nach ständiger Rechtsprechung die Zivilgerichte zwar an rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen gebunden sind (RS0036880; RS0036981), bindend für das Gericht aber nur der Spruch über den Bescheidgegenstand ist (RS0037051). Für die Gerichte ist demnach nur das verbindlich, was die Verwaltungsbehörde im Bescheid verfügt hat, nicht aber auch dessen Begründung (RS0037051 [T1]) oder die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage durch die Behörde (RS0037015). Die Begründung des Bescheids kann allerdings in Zweifelsfällen zur Auslegung des Spruchs und im Rahmen der richterlichen Beurteilung der Erforschung der dem Bescheid zu Grunde liegenden Absicht dienen (Höllwerth in Fasching/Konecny³ II/3 [2015] § 190 ZPO Rz 45 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

2.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies eine Bindung der Zivilgerichte lediglich an den Ausspruch der Übernahmekommission, wonach unter anderem die Beklagte gemäß § 33 Abs 1 Z 2 ÜbG ein Pflichtangebot zu Unrecht nicht gestellt hat. Das Datum der Besprechung vom , bei der „die genaueren Parameter der Transaktionsstruktur diskutiert wurden“, findet sich – ohne Uhrzeit – lediglich in der Bescheidbegründung. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage nicht von einer Bindung an diese einzelne Feststellung ausgingen, sondern selbst ein Beweisverfahren zum genauen Zeitpunkt der Besprechung durchgeführt haben, ist dies nicht zu beanstanden.

Da sich dem Bescheid der Übernahmekommission nicht entnehmen lässt, dass tatsächlich bereits die „Anberaumung des Treffens“ als für die Angebotspflicht relevant qualifiziert worden wäre, steht auch die Feststellung des Erstgerichts – das lediglich die Uhrzeit des Treffens am präzisierte –, wonach das Treffen um 15:13 Uhr endete und zuvor keine derartigen Treffen, bei denen bereits ausreichend konkret über eine Übernahme gesprochen worden wäre, stattgefunden hatten, nicht im Widerspruch zum Bescheidinhalt der Übernahmekommission.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00025.20Z.0625.000

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