OGH vom 23.01.2001, 7Ob322/00d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst B*****, vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagte Partei Helmut B*****, vertreten durch Dr. Andreas Konrad, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufkündigung, über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 226700b-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 8 C 43/00i-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.655,68 (darin enthalten S 609,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit gerichtlicher Aufkündigung vom kündigte der Kläger dem Beklagten das Bestandverhältnis hinsichtlich seines Wohnhauses *****, N***** 3 "fristlos" auf und beantragte, dem Gekündigten aufzutragen, das betreffende Wohnhaus binnen 14 Tagen nach Zustellung des Aufkündigungsbeschlusses geräumt zu übergeben oder gegen die Aufkündigung binnen vier Wochen nach Zustellung des Beschlusses Einwendungen zu erheben. Es bestehe ein qualifizierter Mietzinsrückstand im Sinne des § 1118 ABGB zweiter Fall, sodass die Voraussetzungen für eine Räumungsklage vorlägen; es werde jedoch die Kündigung als gelinderes Mittel gewählt. Der Gekündigte habe noch weitere wichtige Kündigungsgründe iSd § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 3 MRG gesetzt (die im Einzelnen erläutert werden).
Die vom Erstgericht bewilligte Aufkündigung wurde dem Beklagten am zugestellt.
Dieser bestritt in seinen Einwendungen das Vorbringen des Klägers und machte insbesondere geltend, dessen Aufkündigungserklärung ("die kündigende Partei kündigt der gekündigten Partei sohin das Bestandverhältnis fristlos auf") widerspreche den Formerfordernissen der §§ 560 und 562 ZPO, da ihr und auch dem beantragten Kündigungsbeschluss keine Angabe des Zeitpunkts zu entnehmen sei, in welchem der Bestandvertrag endigen solle. Bereits deshalb sei die Kündigung als rechtsunwirksam aufzuheben.
Das Erstgericht schloss sich dieser Rechtsmeinung des Beklagten an; es hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Die Anführung eines Kündigungstermins gemäß § 562 Abs 1 ZPO gehöre zum notwendigen Inhalt einer Aufkündigung. Es sei daher anzugeben, für welchen, nach Tag, Monat und Jahr bezeichneten Zeitpunkt das Bestandobjekt aufgekündigt werde, oder es sei der angestrebte Endigungstermin in sonstiger eindeutiger Weise anzuführen. Werde in der Kündigung kein Kündigungstermin angegeben, sei diese nach Bewilligung nach entsprechenden Einwendungen aufzuheben, wobei bei Prüfung der Frage, ob ein gewollter Kündigungstermin in der Kündigung hinlänglich klar zum Ausdruck gebracht wurde, ein strenger Maßstab angelegt werden müsse. Durch die Formulierung "fristlose Kündigung" sei der Zeitpunkt, zu dem das Bestandverhältnis nach dem Willen des Klägers enden soll, vor allem auch im Zusammenhang mit dem vom Kläger genannten Räumungstermin ("binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses") nicht hinlänglich bestimmt bzw bestimmbar. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Beklagten sei für diesen nicht klar zu erkennen gewesen, wann das Bestandverhältnis enden sollte bzw geendet hätte, wenn er Einwendungen unterlassen hätte. Die vorliegende Aufkündigung entspreche also nicht den Formerfordernissen des § 562 ZPO.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers gegen die Entscheidung der ersten Instanz Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. Die Angabe des Kündigungstermines gehöre gemäß § 562 Abs 1 ZPO zum zwingenden Inhalt einer Aufkündigung. Sein Fehlen sei allerdings gemäß Abs 2 leg cit bis zur Bewilligung der Aufkündigung verbesserungsfähig. Die Frage einer Verbesserung stelle sich hier jedoch nicht, weil der Kläger ohnehin einen zulässigen Kündigungstermin angegeben habe. Werde anstelle einer Räumungsklage nach § 1118 ABGB das gelindere Mittel der Aufkündigung gewählt, bestehe keine Bindung an vertragliche oder gesetzliche Fristen. Es könne daher eine beliebige Frist gesetzt werden, was aber einschließe, dass auch die sofortige (= fristlose) Auflösung des Bestandverhältnisses begehrt werden könne. Der Auffassung des Erstgerichtes, dass bei einer "fristlosen" Kündigung für den Beklagten nicht erkennbar sei, wann das Bestandverhältnis nach dem Willen des Klägers enden solle, könne nicht beigepflichtet werden. Das Ende eines Bestandverhältnisses werde durch den Kündigungstermin bestimmt. Wenn aber mit sofortiger Wirkung gekündigt werde, könne dies nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur bedeuten, dass die Auflösung des Bestandverhältnisses zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung erfolgen solle. So werde etwa auch eine Entscheidung, die keine Leistungsfrist enthält, mit ihrer Zustellung vollstreckbar. Es bestehe aber auch kein Widerspruch zwischen dem vom Kläger gewählten Kündigungstermin und dem von ihm genannten - im Übrigen mit § 573 Abs 2 ZPO in Einklang stehenden - Räumungstermin. Diese beiden Termine seien ohnehin (wegen der in § 573 Abs 2 ZPO vorgesehenen) Frist nie ident. Da die vorliegende Kündigung demnach nicht an einem formellen Mangel leide, werde sie vom Erstgericht sachlich zu behandeln sein.
Zur Begründung seines Zulassungsausspruchs führte das Berufungsgericht aus, zur - über den Einzelfall hinaus bedeutsamen - Frage, ob eine die Räumungsklage gemäß § 1118 ABGB ersetzende Aufkündigung mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden könne, bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist der Rekurs des Beklagten mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
Nach herrschender Meinung kann aus den Gründen des § 1118 ABGB, insbesondere also auch wenn der Bestandnehmer nach Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses säumig ist, statt der sofortige Vertragslösung bewirkende Räumungsklage auch das "mildere Instrument" der Kündigung gewählt werden (JBl 1954, 254; MietSlg 5.611; JBl 1958, 311 = MietSlg 5.763; MietSlg 35.221; MietSlg 36.179; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 33 MRG Rz 4; Binder in Schwimann, ABGB**2 VI, Rz 10 zu § 1118). Nach ständiger gesicherter Rechtsprechung bedarf es in einem solchen Fall nicht der Einhaltung vereinbarter oder gesetzlicher Kündigungsfristen (JBl 1955, 521 = MietSlg 4.408; MietSlg 33.317; vgl Würth/Zingher aaO; Binder aaO). Die Ansicht des Berufungsgerichtes, es könne daher der Kündigungszeitpunkt (in der Zukunft) beliebig gewählt werden, was auch das Begehren nach Endigung des Bestandverhältnisses zum Zeitpunkt der Zustellung der gerichtlichen Aufkündigung einschließe, ist daher durch oberstgerichtliche Judikatur gedeckt.
Dies wird vom Revisionswerber an sich auch gar nicht bestritten. Der Beklagte vertritt vielmehr - wie schon das Erstgericht - die Meinung, der Kläger habe in seiner Aufkündigung den begehrten Zeitpunkt der Beendigung des gegenständlichen Bestandvertrages nicht hinlänglich klar erkennbar zum Ausdruck gebracht. Das Berufungsgericht hat die gegenteilige Ansicht vertreten. Ob seine Meinung zutrifft, stellt aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. Ist doch die Frage, ob bzw inwieweit ein bestimmtes Vorbringen ausreichend konkretisiert ist - ebenso wie etwa die Fragen, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist und ob das Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht oder die Frage der Auslegung einzelner Klagsbehauptungen auf ihre Behauptungstauglichkeit in Bezug auf den geltend gemachten Anpruch - eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (1 Ob 83/99h). Davon, dass dies in Ansehung der Interpretation des betreffenden Vorbringens des Klägers durch das Berufungsgericht der Fall wäre, kann aber keine Rede sein.
Mangels der Voraussetzungen im Sinne der §§ 519 Abs 2, 502 Abs 1 ZPO war der Rekurs daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.