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OGH vom 04.05.2017, 5Ob11/17d

OGH vom 04.05.2017, 5Ob11/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Pistotnik & Krilyszyn Rechtsanwälte GmbH in Wien und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Malainer Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Heinrich S*****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 561.798,20 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 2 R 69/16f-27, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 42 Cg 4/14z-23 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin nimmt in ihrer Drittschuldnerklage den Beklagten aus einer von diesem gegenüber der (mittlerweile gelöschten) Dr. S***** GmbH abgegebenen Patronatserklärung in Anspruch. Sie habe die Forderung der Dr. S***** GmbH gegen den Beklagten im Exekutionsweg gepfändet und sich überweisen lassen.

Der Beklagte bestritt eine Patronatserklärung abgegeben zu haben.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Entgegen der Argumentation in der Revision stellte das Erstgericht sehr wohl – wenn auch teilweise disloziert im Rahmen seiner Beweiswürdigungsüberlegungen – unmissverständlich fest, dass der Beklagte die im Anhang zum Jahresabschluss 2012 ersichtliche Patronatserklärung abgegeben hatte. Sekundäre Feststellungsmängel liegen insoweit nicht vor.

2. Fehlendes Vorbringen und fehlende Feststellungen zu dem schon vom Erstgericht aufgrund seiner Alternativfeststellungen erörterten Scheingeschäftscharakter der vom Beklagten abgegebenen Erklärung hat er in der Rechtsrüge seiner Berufung nicht geltend gemacht. In der Revision kann er die in diesem selbständigen Streitpunkt unterbliebene Rechtsrüge nicht nachtragen (RISJustiz RS0043480 [T22]; 4 Ob 103/10s).

3. Es ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist. Dies gilt auch für die Frage, ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw inwieweit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist (RISJustiz RS0042828). Dass sich die Vorinstanzen mit der Sachverhaltsvariante einer nur zum Schein abgegebenen Patronatserklärung, auf die die Klägerin jedenfalls vertrauen durfte, befassten, ist im Hinblick auf das Klagsvorbringen im Schriftsatz vom , wonach die Formulierung im Anhang bewusst zur Vermeidung ansonsten notwendiger Insolvenzanmeldung erfolgt sei und ein planmäßiges Vorgehen des Beklagten zum Nachteil seiner Gläubiger darstelle, unter Bedachtnahme auf den ebenfalls behaupteten konkreten Inhalt der Patronatserklärung jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Damit liegt auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Die behauptete Nichtigkeit wegen Gehörverletzung könnte eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nur dann begründen, wenn sie tatsächlich vorläge (RISJustiz RS0043067 [T2]), was nicht der Fall ist. Das Berufungsgericht hat keineswegs Vertrauenselemente neu eingeführt und damit eine neue Sachverhaltsgrundlage geschaffen. Schon das Erstgericht sprach vom gutgläubigen Erwerb eines exekutiven Pfandrechts an einer nur zum Schein begründeten Forderung für den Fall, dass die Patronatserklärung tatsächlich nur zum Schein abgegeben worden sein sollte. Dieser Aspekt blieb in der Berufung unbehandelt. Das Berufungsgericht ergänzte dies in seiner rechtlichen Beurteilung lediglich dahingehend, einem betreibenden Gläubiger könne bei seiner Exekutionsführung grundsätzlich die Vorstellung unterstellt werden, er ziehe ein dem Verpflichteten rechtlich zugeordnetes Vermögensstück in Verstrickung. Eine zusätzliche Feststellung aufgrund Verwertung im Akt nicht vorgekommener Beweismittel ist darin nicht zu erkennen, eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes oder des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

5. Fragen der Beweislast für das Vorliegen einer Patronatserklärung stellen sich nicht, weil nach den erstgerichtlichen (Alternativ)Feststellungen jedenfalls feststeht, dass der Beklagte eine derartige Patronatserklärung tatsächlich abgegeben hat (wenn auch allenfalls nur zum Schein).

6. Ein allfälliger Fehler des Steuerberaters, der zur Abgabe der Patronatserklärung führte, ist im Drittschuldnerprozess nicht von Relevanz; Schadenersatzansprüche des Beklagten gegen seinen Steuerberater sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

7. Mit seinen Argumenten gegen die Würdigung der Aussage des Zeugen Dr. S***** durch die Vorinstanzen und eine allenfalls mündlich abgegebene Patronatserklärung will der Beklagte in Wahrheit die Feststellungen der Vorinstanzen bekämpfen. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings nicht Tatsacheninstanz und Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RISJustiz RS0042903 [T2, T 7, T 10]).

8. Die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von Alternativfeststellungen stellt sich hier gar nicht; dass der Beklagte die Patronatserklärung jedenfalls abgegeben hat, steht fest. Die bloße Scheinnatur dieses Geschäfts hätte der zu beweisen, der sich darauf beruft (Bollenberger KBB4§ 916 ABGB Rz 2 mwN). Dies wäre hier der Beklagte gewesen, der diesen Beweis nicht einmal angetreten, jedenfalls aber nicht erbracht hat.

9. Die Beurteilung der Vorinstanzen, selbst im Fall eines Scheingeschäfts wäre auf den guten Glauben der Klägerin bei exekutivem Erwerb ihres Pfandrechts an der überwiesenen Forderung abzustellen, ist jedenfalls vertretbar. Beim Schutz des gutgläubigen Dritten iSd § 916 Abs 2 ABGB ist darauf abzustellen, dass der Dritte im Vertrauen auf ein Scheingeschäft Rechte erwirbt, also eine Vertrauensdisposition tatsächlich vorgenommen hat (Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch in Klang³ § 916 Rz 48). Dem rechtsgeschäftlichen Erwerb von Rechten durch den Dritten ist ein solcher auf exekutivem Weg – etwa durch Pfändung und Überweisung der Forderung aus dem Scheingeschäft – gleichgestellt (Vonkilch aaO Rz 49; RISJustiz RS0000830). Dass im Fall exekutiven Erwerbs nicht auf den Zeitpunkt der Schaffung des Exekutionstitels, sondern den Zeitpunkt der Einleitung des Exekutionsverfahrens abzustellen ist, liegt auf der Hand. Auf die Frage, ob bei Einleitung des Schiedsverfahrens 2010 Patronatserklärungen in den Anhängen der Jahresabschlüsse zuvor enthalten waren, kam es somit nicht an. Nach den Feststellungen war jedenfalls zum Zeitpunkt der Einleitung des Exekutionsverfahrens eine Patronatserklärung im Jahresabschluss 2012 vorhanden, auf die die Klägerin vertrauen durfte.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00011.17D.0504.000

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Fundstelle(n):
JAAAD-57798