OGH vom 17.03.2016, 2Ob32/16v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*****verein W*****, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 13 Nc 23/15d 2, womit ein Ablehnungsantrag des Klägers gegen die Mitglieder des Berufungssenats AZ 16 R 94/15h des Oberlandesgerichts Wien zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.110,24 EUR (darin 184,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Im Hauptverfahren begehrte der Kläger die Feststellung, dass der von der Beklagten ausgesprochene Vereinsausschluss des Klägers nichtig sei; als Eventualbegehren begehrte er die Unwirksamerklärung dieses Vereinsbeschlusses.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt, das Berufungsgericht dagegen wies beide Klagebegehren ab, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit jeweils 5.000 EUR übersteigend, 30.000 EUR jedoch nicht übersteigend, ließ die ordentliche Revision nicht zu und wies in der Folge den Abänderungsantrag nach § 508 ZPO im Sinne dessen ausdrücklicher Regelung in Abs 4 ohne Begründung zurück.
Nach Zustellung dieser Entscheidung lehnte der Kläger die Mitglieder des berufungsgerichtlichen Senats als befangen ab.
Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien wies mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss diesen Antrag zurück, weil das Ablehnungsrecht nach der ständigen Rechtsprechung nur vor Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung geltend gemacht werden und danach selbst eine Nichtigkeitsklage nicht mehr auf Befangenheit gestützt werden könne. Auch inhaltlich sei die begründungslose Zurückweisung des Zulassungsantrags des Klägers nach § 508 Abs 1 ZPO in § 508 Abs 4 ZPO gedeckt, und der Ablehnungsantrag daher offenkundig unbegründet.
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers an den Obersten Gerichtshof als zunächst übergeordnetes Gericht, dessen Zurück bzw Abweisung die beklagte Partei in ihrer Rekursbeantwortung beantragt, ist gemäß § 24 Abs 2 JN zulässig.
Der Rekurswerber bringt hierin vor, dass der Annahme, eine erst nach Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung offenbar werdende Befangenheit könne nicht mehr geltend gemacht werden, die Grundprinzipien einer entwickelten Rechtsordnung und die Intentionen des historischen Gesetzgebers ebenso entgegenstünden wie die Grundsätze eines fairen Verfahrens. Im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem Rechtsgut der Rechtssicherheit und jenem der Untadeligkeit richterlicher Entscheidungsträger komme letzteren größeres Gewicht zu. Bei richtiger teleologischer Interpretation und in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien „unserer Rechtsordnung (einschließlich MRK)“ könne die bisherige gegenteilige Judikatur nicht aufrecht erhalten werden.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens eine auf Befangenheitsgründe gestützte Ablehnung nicht mehr wahrgenommen werden. Jede andere Auffassung würde zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass eine rechtskräftige Entscheidung im Rahmen eines nachfolgenden Ablehnungsverfahrens beseitigt werden könnte, obwohl eine derartige Durchbrechung der Rechtskraft grundsätzlich nur der Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO vorbehalten ist und selbst eine solche nicht auf einen Ablehnungsgrund gestützt werden kann (§ 529 Abs 1 Z 1 ZPO; RIS Justiz RS0045978 [T3]). Nach Rechtskraft der Sachentscheidung ist daher eine Ablehnung grundsätzlich ausgeschlossen (RIS Justiz RS0046032; RS0045978).
Inwiefern dem die Grundsätze eines fairen Verfahrens und damit Art 6 EMRK entgegenstehen sollten, führt der Rekurswerber über die bloße Behauptung hinaus nicht weiter aus und ist dies auch nicht ersichtlich, enthält diese Bestimmung doch zur Frage der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidung kein Wort (RIS Justiz RS0043962).
2. Selbst wenn daher im vorliegenden Fall die Vorgangsweise des abgelehnten Senats rechtlich nicht ohnehin gedeckt wäre, bildeten im Übrigen weder die angebliche Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch das Vertreten einer bestimmten Rechtsmeinung durch einen Richter einen Ablehnungsgrund, und zwar selbst dann nicht, wenn die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt würde. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nämlich nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen (RIS Justiz RS0111290). Daher ist es nach der Judikatur auch nicht Aufgabe des zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag berufenen gerichtlichen Organs, eine Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (RIS Justiz RS0046047).
Darauf liefe aber das Ablehnungsvorbringen des Rekurswerbers, der die Befangenheit der Mitglieder des Berufungssenats aus der unterbliebenen Begründung des Beschlusses nach § 508 ZPO ableitet (welche jedoch nach dessen Abs 4 ausdrücklich gesetzlich gedeckt und sohin verfahrensrechtlich zulässig war), hinaus.
Das Ablehnungsverfahren ist ein Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS Justiz RS0126588). Die klagende Partei hat demnach die Kosten der Rekursbeantwortung der beklagten Partei (TP 3B) nach § 41 iVm § 50 ZPO anhand des Streitwerts zu ersetzen (3 Ob 18/14i; 9 Ob 47/14y).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00032.16V.0317.000
Fundstelle(n):
UAAAD-57605