OGH vom 12.10.2011, 3Ob31/11x

OGH vom 12.10.2011, 3Ob31/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalterin im Konkursverfahren über das Vermögen der N***** GmbH (*****), gegen die beklagte Partei W***** GmbH Co KEG, E*****, vertreten durch Mag. Christof Korp, Rechtsanwalt in Graz, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Ing. K*****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, und 2. DI W*****, vertreten durch Mag. Gregor Saurugg, Rechtsanwalt in Graz, wegen 23.437,10 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 79/10z 66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 19 Cg 3/08f 55, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der N***** GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) wurde mit Beschluss des Landesgerichts ***** vom zu ***** das Konkursverfahren eröffnet. Zum Masseverwalter wurde die C*****, vertreten durch Dr. H*****, bestellt.

Bereits am hatte die Gemeinschuldnerin beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz im gegenständlichen Verfahren aus der Erbringung von Bauleistungen die Mahnklage über 12.245 EUR sA gegen die beklagte Partei eingebracht. Die Klageforderung wurde im Laufe des Verfahrens zweimal ausgedehnt, und zwar

mit einem am eingebrachten Schriftsatz im Hinblick auf die zwischenzeitig vorliegende Schlussrechnung um 5.888,08 EUR auf 18.133,08 EUR sA und

in der Streitverhandlung vom um den im Mai 2009 zur Zahlung fällig gewordenen Haftrücklass von 5.304,02 EUR auf 23.437,10 EUR sA.

Nach der insolvenzbedingten Verfahrensunterbrechung stellte die Masseverwalterin am einen Fortsetzungsantrag.

In der Streitverhandlung vom (ON 48) brachte die beklagte Partei vor, dass die streitgegenständliche Forderung zu Sicherungszwecken an die (nunmehrige) B***** Bank AG abgetreten worden sei; dieser Umstand sei der beklagten Partei mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden. Die Masseverwalterin habe im Rahmen einer Erklärung zum Absonderungsrecht der Bank die Zession anerkannt, weshalb ihr keine Aktivlegitimation zur Geltendmachung der Forderung zukomme. Eine allfällige Rückabtretung habe selbst nach dem Vorbringen der klagenden Partei erst nach Konkurseröffnung stattgefunden; in der Geltendmachung der Klageforderung liege eine unzulässige Prozessstandschaft.

Die Masseverwalterin stellte die Tatsache der Zession an die B***** Bank AG außer Streit und replizierte im Übrigen, dass die beklagte Partei bereits mit Schreiben vom die Kenntnis dieser Zession bestätigt habe. Bereits vor Klageeinbringung, nochmals am sei die Forderung allerdings rückabgetreten worden.

Angesichts der Frage der Aktivlegitimation wurden vom Erstgericht keine Beweisaufnahmen zu sonstigen Beweisthemen mehr durchgeführt. Die Verhandlung erster Instanz wurde am geschlossen. Den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung bildete allein die Frage der Aktivlegitimation für die Klageforderung.

Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation ab und traf (zusammengefasst) folgende Feststellungen:

Am schloss die Gemeinschuldnerin mit der Rechtsvorgängerin der B***** Bank AG eine Globalzessionsvereinbarung, wonach die Zedentin alle bestehenden und künftigen Forderungen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs gegenüber sämtlichen Kunden und Auftraggebern zu Sicherungszwecken abtritt. Die Bank verpflichtete sich, die Auftraggeber von der erfolgten Abtretung zu verständigen. Weiters wurde vereinbart, dass die Bank befugt ist, die abgetretenen Forderungen nach freiem Ermessen rückabzutreten.

Die am eingebrachte Klage wurde der beklagten Partei am zugestellt. Mit Schreiben vom teilte die B***** Bank AG der beklagten Partei mit, dass ihr die Gemeinschuldnerin deren derzeitige und in Hinkunft noch zustehenden Forderungen zediert hat.

Mit Schreiben vom an die Masseverwalterin hielt die B***** Bank AG fest, dass ihr die Gemeinschuldnerin mit Globalzessionsvertrag vom sämtliche Forderungen zum Inkasso abgetreten habe; im Jahr 2007 seien sämtliche Forderungen an die Masseverwalterin zum Inkasso rückabgetreten worden. In einem weiteren Schreiben an die Masseverwalterin vom wies die B***** Bank AG darauf hin, dass die Masseverwalterin das aus der Globalzessionsvereinbarung resultierende Absonderungsrecht in der Insolvenz anerkannt habe; sämtliche von der Globalzessionsvereinbarung umfassten Forderungen seien der Masseverwalterin zum Inkasso rückabgetreten worden.

Schließlich bestätigte die B***** Bank AG in einem Schreiben vom , dass (auch) die Forderung der Gemeinschuldnerin an die Masseverwalterin rückabgetreten worden sei. Vor Konkurseröffnung sei die Gemeinschuldnerin berechtigt gewesen, die Forderung geltend zu machen; aufgrund der Insolvenz gelte die seinerzeitige Rückzession an die N***** GmbH als aufgehoben; die gegenständlichen Forderungen seien an die Masseverwalterin abgetreten worden.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass für die Beurteilung der Frage der Aktivlegitimation und der Passivlegitimation der Zeitpunkt der Streitanhängigkeit und nicht der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung der Tatsacheninstanz maßgeblich sei. Eine gewillkürte Prozessstandschaft, also die Prozessführung im eigenen Namen über ein fremdes Recht (etwa auf der Grundlage einer stillen Zession), sei dem österreichischen Recht fremd.

Die Gemeinschuldnerin habe bereits am im Wege der Globalzession alle ihre bestehenden und künftigen Forderungen an die Rechtsvorgängerin der B***** Bank AG abgetreten. Weder zum Zeitpunkt der Klageeinbringung () noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Streitanhängigkeit am sei die Gemeinschulderin im Hinblick auf die Einklagung der Klageforderung sachlegitimiert gewesen. Eine wirksame Rückabtretung der Forderungen an sie sei nicht erfolgt. Eine Rückabtretung erst im Dezember 2006 oder im Jahr 2007 könne an der fehlenden Aktivlegitimation der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Streitanhängigkeit nichts ändern. Die rechtlichen Einschätzungen der B***** Bank AG in ihren Bestätigungen seien ohne Relevanz.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Masseverwalterin nur im Kostenpunkt teilweise Folge, nicht aber in der Sache. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Nach dem klaren Wortlaut des § 1392 ABGB führe jede Zession unabhängig von einer Verständigung des Schuldners zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit. Eine solche Änderung erst nach Streitanhängigkeit sei dagegen im Sinn der zu § 234 ZPO herrschenden Irrelevanztheorie für die materiellrechtliche Beurteilung des durch Klage geltend gemachten Anspruchs ohne Bedeutung. Eine Rückzession vor Klageeinbringung an die Gemeinschuldnerin sei aber nicht erweislich. Durch eine spätere Klageausdehnung könne die fehlende Aktivlegitimation (auch hinsichtlich der ausgedehnten Beträge) nicht saniert werden. Eine zum Zeitpunkt der Streitanhängigkeit fehlende Aktivlegitimation der Schuldnerin erstrecke sich auch auf den in das Verfahren eintretenden Masseverwalter.

Aufgrund eines Antrags nach § 508 ZPO (siehe die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 3 Ob 31/11x) ließ das Berufungsgericht die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die von der klagenden Masseverwalterin angemeldeten Bedenken gegen die im Übrigen aus der Zeit vor dem IRÄG 2010 stammende höchstgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 7 Abs 2 IO sowie die im IRÄG 2010 enthaltenen gravierenden Änderungen des Insolvenzrechts eine im Interesse der Rechtssicherheit notwendige Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof zweckmäßig erscheinen lassen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei und die beiden auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die maßgebliche Rechtslage verkannt hat; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Die Vorinstanzen haben die Klageabweisung allein damit begründet, dass die ursprünglich klagende Gemeinschuldnerin aufgrund der Globalzessionsvereinbarung vom zum maßgeblichen Zeitpunkt der Streitanhängigkeit () nicht aktiv legitimiert gewesen sei; eine spätere Sanierung dieses Mangels sei auch nicht durch die im Laufe des Verfahrens erfolgten Klageausdehnungen möglich. Unter Hinweis auf § 234 ZPO wird damit argumentiert, dass eine Änderung der Rechtszuständigkeit nach Eintritt der Streitanhängigkeit für die materiellrechtliche Beurteilung des durch Klage geltend gemachten Anspruchs ohne Bedeutung sei.

Die Bestimmung des § 234 1. Satz ZPO, dass die Veräußerung einer in streitverfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss hat, bezweckt die Verhinderung, dass durch eine Rechtsnachfolge nach Streitanhängigkeit der Verlust der Sachlegitimation einer Partei zur Abweisung einer sonst begründeten Klage führt und ein zweiter Prozess mit dem Rechtsnachfolger geführt werden müsste ( Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO 3 § 234 Rz 1). Ohne Zustimmung des Gegners ist der Erwerber nicht berechtigt, als Hauptpartei einzutreten (§ 234 2. Satz ZPO). Kommt es mangels Zustimmung zu keinem Parteiwechsel, liegt ein Fall der Prozessstandschaft vor, weil die Sachlegitimation dem Rechtsnachfolger zusteht, die Prozessführungsbefugnis aber beim Rechtsvorgänger verbleibt ( Rechberger/Klicka Rz 3). § 234 ZPO behandelt also in Ansehung des Klägers den Fall, dass dieser nach Streitanhängigkeit seine materielle Berechtigung verliert, trotzdem aber seine Prozessführungsbefugnis behält. Im hier zu entscheidenden Fall verhält es sich umgekehrt. Die klagende Partei war bei Klageeinbringung infolge Zession des Werklohns an eine Bank materiell nicht mehr berechtigt. Die Zession erfolgte nicht wie nach § 234 ZPO erforderlich nach Streitanhängigkeit. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist allerdings (abgeleitet aus § 406 1. Satz ZPO) der Schluss der mündlichen Streitverhandlng ( Rechberger in Rechberger ZPO 3 § 406 Rz 1 mwN). Dies gilt auch für die Beurteilung eines Rechtserwerbs durch den Kläger aufgrund einer Zession (RIS Justiz RS0124488), hier einer Rückzession.

Es ist nicht weiter strittig, dass die Rückzession an die klagende Partei zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz () bereits wirksam vorgenommen war.

Da wie erwähnt kein Anwendungsfall des § 234 ZPO vorliegt, ist aus den zu dieser Bestimmung angelegten Rechtssätzen RIS Justiz RS0035256, RS0039319 und RS0109183 und aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 638/95 nichts für den Standpunkt der beklagten Partei in Bezug auf den Beurteilungszeitpunkt für die Aktivlegitimation zu gewinnen.

Der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund erweist sich somit nicht als tragfähig, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Befassung mit den weiteren Prozessthemen aufzuheben sind. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Umstand, dass alle vier im Revisionsverfahren eingebrachten Rechtsmittel bzw Rechtsmittelbeanwortungsschriftsätze von der Maßgeblichkeit des § 234 ZPO und des Zeitpunkts der Streitanhängigkeit ausgehen, für die rechtliche Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof im Hinblick auf die Verpflichtung zur allseitigen rechtlichen Beurteilung entsprechend dem Grundsatz „iura novit curia“ ohne Bedeutung ist (vgl RIS Justiz RS0043352).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.