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OGH vom 13.04.1994, 3Ob30/94

OGH vom 13.04.1994, 3Ob30/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dipl.Ing.Karl S*****, vertreten durch Dr.Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Ruza D*****, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses der Aufschiebungswerberin Dragica P*****, vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 41 R 931/93-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 30 C 516/93h-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Aufschiebungswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Betreibende kündigte der Verpflichteten am die im Hause *****, gelegene Mietwohnung top.Nr.19 und 19A für den auf. Als Kündigungsgrund wurde geltend gemacht, daß die Verpflichtete die Wohnung zur Gänze untervermietet habe.

Mit Beschluß vom wurde dem Betreibenden die zwangsweise Räumung der vorhin genannten Wohnung bewilligt. Im Zuge des Räumungstermins am wurde seitens des Erstgerichtes angeordnet, mit der Räumung innezuhalten, weil die Aufschiebungswerberin Hauptmietrechte am Mietgegenstand behauptete. Diese stellte gemäß § 34a MRG den Antrag, die Exekution zur zwangsweisen Räumung der Wohnung top.Nr.19 und 19A einstweilen aufzuschieben und nach rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens auf Anerkennung der Antragstellerin als Hauptmieterin der Wohnung die Exekution unter gleichzeitiger Aufhebung aller vollzogener Exekutionsakte einzustellen. Sie brachte vor, die Verpflichtete sei zwischen dem Kläger und der Aufschiebungswerberin lediglich zu dem Zweck zwischengeschaltet worden, um der Aufschiebungswerberin die Rechte als Hauptmieterin vorzuenthalten. Sie habe ein Schlichtungsstellenverfahren gemäß § 2 Abs. 3 MRG anhängig gemacht. Eine Verständigung vom vorliegenden Verfahren habe sie nicht erhalten. Die Hausverwaltung habe stets gewußt, daß die Aufschiebungswerberin seit 1982 die Wohnung *****gasse 21/19 und 19A bewohne, Dragica P***** habe auch die Mietzinse in eigenem Namen an die Hausverwaltung bezahlt. Zum "Beweis" für ihr Vorbringen berief sich die Aufschiebungswerberin auf ihre Vernehmung, die Einsichtnahme in den Akt der Schlichtungsstelle, einen vorgelegten Hausbesorgerdienstvertrag aus dem Jahre 1987, auf vorgelegte Meldezettel und in Vorlage gebrachte Mietzinsbelege.

Das Erstgericht schob ohne Anhörung des Betreibenden die zwangsweise Räumung der Wohnung *****gasse 21/19 und 19A, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle für den *****.Bezirk, ***** und eines allfälligen anschließenden gerichtlichen Verfahrens gemäß § 34a Abs. 2 MRG auf. Es vertrat die Ansicht, die Aufschiebungswerberin habe durch die von ihr vorgelegten Urkunden in einem für die Aufschiebung der Exekution hinreichenden Ausmaß glaubhaft gemacht, daß die Räumungsexekution lediglich zur Umgehung ihrer Ansprüche nach § 2 Abs. 3 MRG auf Anerkennung als Hauptmieterin vollzogen werden solle.

Das Rekursgericht gab dem vom Betreibenden erhobenen Rekurs Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe dem Betreibenden das rechtliche Gehör zum Aufschiebungsantrag entzogen, dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die Aufschiebungswerberin sei im fortzusetzenden Verfahren anzuleiten, konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zum Inhalt der im § 34a MRG geforderten Glaubhaftmachung und zur im Lichte des Art. 6 Abs. 1 MRK zu ermöglichenden Gegenbescheinigung nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 34a Abs. 2 MRG kann die Aufschiebung der Exekution auf Antrag angeordnet werden, wenn ein Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs. 3 gestellt und glaubhaft gemacht ist, daß die Räumungsexekution zur Umgehung der Ansprüche des Mieters nach § 2 Abs. 3 auf Anerkennung als Hauptmieter vollzogen werden soll. Im übrigen gelten die Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Aufschiebung der Exekution; § 44 Abs. 2 Z 3 EO ist nicht anzuwenden.

Die Revisionsrekurswerberin verweist lediglich darauf, daß sie in Entsprechung der vorhin zitierten Gesetzesstelle glaubhaft gemacht habe, daß die Räumungsexekution zur Umgehung der Ansprüche des Mieters nach § 2 Abs. 3 MRG auf Anerkennung als Hauptmieter vollzogen werden soll. Nun ist sicher richtig, daß im Bescheinigungsverfahren kein umständliches kontradiktorisches Verfahren stattfindet - wie im übrigen auch das Rekursgericht ausgeführt hat - , daß aber doch die von der Aufschiebungswerberin vorgebrachten Tatsachen wenngleich nicht bewiesen, so doch glaubhaft gemacht werden müssen. Bescheinigungsmittel können durch geeignete Gegenbescheinigungsmittel entkräftet werden. Das Rekursgericht ist auf den Inhalt der Bescheinigungsmittel gar nicht eingegangen, weil es die Ansicht vertreten hat, es mangle an einem konkreten Tatsachenvorbringen der Aufschiebungswerberin, welches im fortgesetzten Verfahren zu ergänzen sein werde. Vor allem aber erfolgte die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses deshalb, weil dem Betreibenden zum Aufschiebungsantrag nicht das erforderliche rechtliche Gehör gewährt worden sei. Hiezu enthält der Revisionsrekurs keinerlei Ausführungen. Der Oberste Gerichtshof vertritt ebenso wie das Rekursgericht die Ansicht, daß der Betreibende im Fall einer Aufschiebung nach § 34a MRG dem Verfahren beizuziehen ist (Würth in Rummel2, Rz 5 zu § 34a MRG).

Gemäß § 34a Abs. 2 MRG gelten für das Verfahren zur Entscheidung über den Antrag auf Aufschiebung der Exekution nach § 34a MRG die Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Aufschiebung der Exekution mit Ausnahme des § 44 Abs. 2 Z 3 EO (3 Ob 176/93). Vor einer Entscheidung über einen Aufschiebungsantrag müssen Entscheidungsgrundlagen vorhanden sein. Das Verfahren in Exekutionssachen zur Sammlung von Entscheidungsgrundlagen wird in den §§ 55 bis 59 EO geregelt. Nach § 55 EO ergehen die gerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen im Exekutionsverfahren, soweit in diesem Gesetz nicht etwas anderes geboten ist (für das Verfahren nach § 34a MRG bestehen keine Sondernormen), ohne vorherige mündliche Verhandlung. Eine vom Gesetz angeordnete Einvernehmung der Parteien oder sonstigen Beteiligten ist an die für mündliche Verhandlungen geltenden Vorschriften nicht gebunden. Es muß auch nicht jeder der zu befragenden Personen Gelegenheit gegeben werden, sich über die von den übrigen Personen abgegebenen Erklärungen zu äußern. Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann aber das Gericht auch vor Beschlußfassungen, für die es das Gesetz nicht verlangt, behufs Feststellung der erheblichen Tatsachen die mündliche oder schriftliche Einvernehmung einer oder beider Parteien oder sonstiger Beteiligter anordnen und diese zur Beibringung der nötigen Urkunden und anderer Beweise auffordern. Das Gericht kann gemäß Abs. 2 die ihm notwendig erscheinenden Aufklärungen auch ohne Vermittlung der Parteien einholen und zu diesem Zweck von Amts wegen alle hiezu geeignet erscheinenden Erhebungen pflegen und nach Maßgabe der Vorschriften der ZPO die erforderlichen Bescheinigungen anordnen. Das rechtliche Gehör stellt einen Grundpfeiler der österreichischen Rechtsordnung dar, dem durch Art. 6 MRK Verfassungsrang zuerkannt ist. Danach hat jedermann Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Zu den Garantien, die Art. 6 Abs. 1 MRK gewährleistet, zählt demnach auch das rechtliche Gehör. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 55 Abs. 3 EO gebietet es daher, die dort normierte Befugnis des Gerichtes zur bindenden Verpflichtung zu machen, wenn nach der Lage des Falles eine verläßliche Klärung die Stellungnahme des Antragsgegners erfordert. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes muß zur Wahrung des durch Art. 6 Abs. 1 MRK garantierten rechtlichen Gehörs den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Wenn, wie im Exekutionsverfahren, der Rekurs unter dem Neuerungsverbot steht, muß dem Gegner, zu dessen Lasten wesentliche Feststellungen getroffen werden, wenigstens die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Da sohin auch im Verfahren nach § 34a Abs. 2 MRG das rechtliche Gehör des Gegners des Aufschiebungswerbers zu wahren ist, erweist sich die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses durch das Rekursgericht als frei von Rechtsirrtum.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO.