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OGH vom 19.11.2002, 4Ob42/02h

OGH vom 19.11.2002, 4Ob42/02h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Stephan A*****, geboren am *****, und des mj Sebastian A*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Franz Z*****, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in Tulln, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 42 R 575/01x-40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 1 P 1743/95a-37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der - im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige - Stephan und der mj Sebastian A***** sind die außerehelichen Kinder Franz Z*****s und Franziska A*****s. Die Kinder leben bei der Mutter. Mit Vergleich vom verpflichtete sich der Vater, für jedes Kind einen monatlichen Unterhalt von 3.500 S zu zahlen. Vergleichsgrundlage war - einschließlich anteiliger Sonderzahlungen - ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von 19.000 S. Der Vater hat vom bis 291.098,42 S netto verdient; das ergibt ein monatliches Nettoeinkommen von 24.258,20 S.

Die Kinder beantragen, den Unterhalt auf je 4.500 S zu erhöhen. Das monatliche Nettoeinkommen des Vaters betrage nunmehr 22.500 S; ihre Bedürfnisse seien gestiegen.

Der Vater sprach sich gegen den Erhöhungsantrag aus. Sein Gehalt sei gleich geblieben; die für seine nebenberufliche Tätigkeit notwendigen Investitionen überstiegen die Einkünfte bei weitem. Vom Kindesunterhalt sei im Übrigen jener Teil abzuziehen, der durch die Kinderbeihilfe abgedeckt werde.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, zum Unterhalt für jedes Kind zusätzlich zu den mit Vergleich vom festgesetzten 3.500 S weitere 1.000 S, somit insgesamt 4.500 S monatlich, beizutragen. Das Nettoeinkommen des Vaters betrage - einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen - 24.258,20 S monatlich. Dazu komme ein monatliches Honorar von 2.941,46 S. Den Kindern stünden je 20 % des väterlichen Einkommens zu.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Vorbringen des Vaters zu seinen Fahrtkosten sei eine unzulässige Neuerung. Damit sei das als unselbstständig Erwerbstätiger erzielte monatliche Nettoeinkommen von rund 24.250 S jedenfalls Bemessungsgrundlage. Bereits dieses Einkommen rechtfertige die beantragte Unterhaltserhöhung, so dass es auf den Nebenverdienst des Vaters nicht ankomme. Nach der bisher ständigen Rechtsprechung seien Transferleistungen auf den Unterhaltsanspruch nicht anzurechnen, weil es rechtlich nicht möglich erscheine, einen allfälligen Ausgleichsanspruch gegenüber der Mutter auf den Unterhaltsanspruch des Kindes anzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Vater macht geltend, das § 12a FLAG im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom , B 1285/00, auszulegen sei.

Der Oberste Gerichtshof hat gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) aus Anlass bei ihm anhängiger Revisionsrekurse beim Verfassungsgerichtshof beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom hat der Verfassungsgerichtshof in § 12a FLAG die Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Der Verfassungsgerichtshof hat seine schon im Erkenntnis vom vertretene Auffassung bekräftigt, dass nicht nur die Absetzbeträge (Unterhaltsabsetzbetrag und Kinderabsetzbetrag), sondern auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu dienen habe.

Bei verfassungskonformer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtslage ist damit bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs muss der Geldunterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet werden. Dabei ist der jeweilige Grenzsteuersatz maßgebend, der jedoch jeweils um etwa 20 % abzusenken ist, weil das Einkommen typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte umfasst und die steuerliche Entlastung die Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltspflichtigen erhöht. Bei einem Grenzsteuersatz von 50 % gelangt man damit zu einem Steuersatz von 40 %; bei einem Grenzsteuersatz von 41 % - wenn die vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Absenkung proportional fortgeschrieben wird - zu einem Steuersatz von 33 % und bei einem Grenzsteuersatz von 31 % zu einem Steuersatz von 25 % (s Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003 [in Druck]).

Für ein proportionales Fortschreiben der vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Absenkung spricht, dass die Berechnung damit nachvollziehbar wird und für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen. So kann Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, S 799 [803 f]) seinen Vorschlag, die jeweiligen Grenzsteuersätze auf 40 %, 34 % bzw 28 % abzusenken, nur damit begründen, dass ihm die zur Absenkung führenden Erwägungen (niedrigerer Steuersatz für bestimmte Einkunftsarten und Steigerung der Leistungsfähigkeit durch die steuerliche Entlastung) durch die von ihm vorgeschlagenen Sätze hinreichend berücksichtigt erschienen.

Der nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs abgesenkte Steuersatz ist mit dem halben Unterhaltsbetrag zu multiplizieren; um den sich daraus ergebenden Betrag ist der Geldunterhaltspflichtige steuerlich zu entlasten. Bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist Die Entlastung wird einerseits durch den beim Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3b EStG) bewirkt, andererseits sind dazu, soweit der Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, die dem das Kind betreuenden Elternteil zufließenden Transferleistungen - Kinderabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 lit 3a EStG) und Familienbeihilfe - heranzuziehen, indem der Unterhaltsbeitrag entsprechend gekürzt wird.

Im vorliegenden Fall bezieht der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von 24.258,20 S (= 1.762,91 EUR); sein Bruttoeinkommen ist nicht festgestellt. Vom Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt (s Zorn aaO S 804) - hängt aber ab, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Die Einkommensteuer beträgt nach § 33 Abs 1 EStG für die ersten 3.640 EUR 0 %, für die nächsten 3.630 EUR 21 %, für die nächsten 14.530 EUR 31 %, für die nächsten 29.070 EUR 41 % und für alle weiteren Beträge des Einkommens 50 %. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist (s Zorn aaO S 804), muss - wie schon ausgeführt - bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist.

Das Erstgericht wird das Verfahren durch Feststellung des Jahresbruttoeinkommens des Vaters ohne 13. und 14. Gehalt zu ergänzen haben, um die notwendige steuerliche Entlastung nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen berechnen zu können.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.