OGH vom 27.09.2001, 5Ob228/01t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dr. Klemens D*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** AG, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 12a Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 41 R 25/01g-25, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 48 Msch 15/00i-21, abgeändert wurde, nachstehenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben und der angefochtene Sachbeschluss dahin abgeändert, dass der Zwischensachbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Hauses ***** in *****.
Nach diversen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der ursprünglichen Mietergesellschaft, der B***** GesmbH, wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom die R***** B***** GesmbH in eine Aktiengesellschaft mit dem Firmenwortlaut R***** B***** AG umgewandelt. Diese war zuletzt Mieterin des Bestandobjektes III im Haus ***** in *****. Wolfgang R***** hielt zunächst 51 %, die B & G B*****gmbH 49 % der Aktienanteile. Zumindest ab der ordentlichen Hauptversammlung vom wurden sämtliche Aktien der R***** B***** AG von Wolfgang R***** allein gehalten.
Mit Stiftungsurkunde vom sowie zwei Zusatzurkunden vom gleichen Tag wurde die Wolfgang R***** Privatstiftung gegründet. Seither werden sämtliche Aktien der R***** B***** AG von der Wolfgang R***** Privatstiftung, gehalten.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , 6 S 796/98w wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der R***** B***** AG eröffnet. Der Antragsgegner ist zum Masseverwalter bestellt.
Gestützt auf die Übertragung sämtlicher Aktien der R***** B***** AG auf die Wolfgang R***** Privatstiftung im Jahr 1996, wovon die Antragstellerin niemals verständigt worden sei, verlangt sie seit vom Antragsgegner den nach § 12a Abs 2 und 3 MRG angehobenen Hauptmietzins von S 96.075,-- zuzüglich Betriebskosten und USt.
Mit den verfahrenseinleitenden Antrag begehrt sie, festzustellen, dass gemäß § 12a Abs 3 MRG für das Bestandobjekt ***** in ***** ein monatlicher Hauptmietzins von S 96.075,-- zuzüglich Betriebskosten und USt zum Stichtag angemessen (richtig: zulässig) sei. Weiters wird begehrt, festzustellen, dass dieser Hauptmietzins einer Wertsicherung unterliege.
Die Antragsgegnerin widersprach dem Anhebungsbegehren und beantragte Abweisung des Antrags, weil durch die Übertragung sämtlicher Aktien an die Rieger Privatstiftung kein Tatbestand im Sinn des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht worden wäre. Dies mit dem Argument, dass es wirtschaftlich zu keinem Machtwechsel gekommen sei, weil Wolfgang R*****, der zunächst Alleinaktionär gewesen sei, weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Privatstiftung habe und überdies einen Widerrufsvorbehalt erklärt habe, der es ihm ermögliche, die Stiftung jederzeit zur Beendigung zu bringen und wiederum die alleinige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsgewalt zu erlangen.
Das Erstgericht stellte mit Zwischensachbeschluss vom fest, dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner berechtigt sei, für das bezeichnete Bestandobjekt den Mietzins gemäß § 12a Abs 3 MRG anzuheben. Trotz Widerrufsvorbehalt erachtete das Erstgericht die Voraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG für verwirklicht.
Die rechtliche Änderung liege darin, dass nicht mehr Wolfgang R***** Aktionär der R***** B***** AG sei, sondern die Wolfgang R***** Privatstiftung. Wolfgang R***** sei nunmehr auch lediglich Mitglied eines Kollektivorgans in der Privatstiftung. Was die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten betreffe, sei zuvor Wolfgang R***** berechtigt gewesen, Gewinnausschüttungen aus den Aktien einzuziehen, welches Recht nunmehr an die Wolfgang R***** Privatstiftung übertragen worden sei. Zwar stehe nicht von Anfang an fest, wer Begünstigter der Privatstiftung sei, da die Begünstigten erst von Wolfgang R***** bestimmt würden, er selbst könne jedoch aufgrund der Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes keinesfalls Begünstigter sein.
Eine Verpfändung der Aktien vor Übertragung an die Privatstiftung mache letztere nicht unwirksam.
Wollte man dem Widerrufsvorbehalt die vom Antragsgegner reklamierte Wirkung zuerkennen, hätte dies zum Ergebnis, dass es dem Mieter selbst vorbehalten bleibe, damit die Wirkungen des § 12a Abs 3 MRG auszuschließen, was jedenfalls solange zu verneinen sei, als die Privatstiftung aufrecht bestehe.
Einem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den Zwischensachbeschluss im Sinne einer Endentscheidung dahin ab, dass der verfahrenseinleitende Antrag abgewiesen wurde. Ein Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG sei durch Übertragung sämtlicher Aktien an eine Privatstiftung nicht verwirklicht worden, weil dadurch keine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der AG der Hauptmieterin stattgefunden habe. Der bisherige Alleinaktionär bleibe Stifter, könne den Stiftungsvorstand bestellen, die Privatstiftung jederzeit widerrufen und habe sich die Bestimmung der Begünstigten zu seinen Lebzeiten vorbehalten. Selbst wenn Wolfgang R***** bei der internen Willensbildung von den anderen Vorstandsmitgliedern überstimmt werden könne, könne er im Ergebnis jeden Vorstandsbeschluss dadurch entkräften, dass er die Stiftung widerrufe. Diesfalls sei er alleiniger Letztbegünstigter. Im Ergebnis bedeute dies, dass es zu keiner wesentlichen Änderung in den wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin gekommen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil bisher noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob durch eine Übertragung von Aktien der Mietergesellschaft an eine Privatstiftung ein Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht werde, insbesondere dann, wenn der bisherige Alleinaktionär Stifter bleibe, den Stiftungsvorstand bestelle, sich die Bestimmung der Begünstigten zu seinen Lebzeiten vorbehalten habe und die Privatstiftung jederzeit berufen könne.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Zwischensachbeschlusses. Der Antragsgegner beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zugeben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig weil das Gericht zweiter Instanz von der mittlerweile ergangenen Entscheidung des erkennenden Senates 5 Ob 307/00h abweicht und ist im Sinn des Antrags auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Zwischensachbeschlusses auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
In der Entscheidung 5 Ob 307/00h hat der erkennende Senat kürzlich folgend Reich-Rohrwig (Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, ecolex spezial, 73 f) erkannt, das die Übertragung von Geschäftsanteilen an eine Privatstiftung die Übertragung der rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf einen neuen Rechtsträger, nämlich die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Privatstiftung bedeutet. Für den Stifter heißt das, dass er sich seines Vermögens "entäußert" und daher nicht mehr Eigentümer des Stiftungsvermögens ist (Eiselsberg in AnwBl 1994, 407). Mit dem Übertragungsakt wird zugleich auch die rechtliche Verbindung zwischen dem Stifter und seinem Vermögen gelöst (Eiselsberg/Nidetzky/Schultz, Die österreichische Privatstiftung2, § 21). Charakteristikum der Privatstiftung ist, dass dem "eigentümerlosen" Vermögen Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird, wodurch eine Verselbständigung des Vermögens erreicht wird.
Nach der inneren Organisation verwaltet und vertritt der Stiftungsvorstand die Privatstiftung als oberstes und einziges Vertretungsorgan. Wenn der erste Stiftungsvorstand auch vom Stifter in der Stiftungserklärung eingesetzt wird, sind doch zur Hintanhaltung von Missbrauch und zur Gewährleistung der Erfüllung des Stifterwillens Unvereinbarkeitsbestimmungen (§ 15 Abs 2 PSG) zu beachten, wonach weder die Begünstigten noch deren nahe Verwandte Mitglieder des Stiftungsvorstandes sein können. Das kann nicht einmal dadurch umgangen werden, dass dem Stiftungsvorstand oder Aufsichtsrat ein Beirat mit Begünstigten beigegeben wird, dem weitgehende Befugnisse wie die Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern eingeräumt werden (SZ 70/92).
Klar erfolgt daraus, dass durch die Errichtung und Entstehung einer Privatstiftung ein sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich völlig selbständiges Rechtssubjekt entsteht, also ganz grundsätzlich dadurch die Voraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG - rechtlicher und wirtschaftlicher Machtwechsel in der Mietergesellschaft - verwirklicht sind.
Auch in der Entscheidung 5 Ob 307/00h hatte sich der erkennende Senat mit der zentralen Frage zu befassen, ob im Falle des Vorbehalts des Widerrufs einer Privatstiftung in der Stiftungserklärung (§ 34 PSG) eine andere Betrachtungsweise insofern geboten ist, als sich ein Stifter, der sich die Möglichkeit des Widerrufs vorbehalten hat, des Herrschaftsrechts über sein Vermögen nicht endgültig begibt, weil er als Letztbegünstigter im Weg der Abwicklung (§ 35 Abs 4 PSG) das Stiftungsvermögen wieder erhält und damit seine rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten (vgl Berger in Doralt/Novotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz Rz 1 zu § 34). Reich-Rohrwig (aaO, 74) vertritt diese Ansicht. Auf die Dauer eines möglichen Widerrufs sei noch eine "wirtschaftliche Identität" der Privatstiftung mit dem Stifter anzunehmen, weil letzterer das Stiftungsvermögen jederzeit wieder an sich ziehen könne. Auch Schauer (Privatstiftung und Pflichtteilsrecht, NZ 1993, 251 [253]) vertritt die Ansicht, dass ein Wiederrufsvorbehalt nach § 34 PSG einen endgültigen Zuordnungswechsel an den der Stiftung zugewendeten Vermögenswerten nicht zulässt. Solange der Stifter die Stiftung widerrufen könne, liege das Eigentümerinteresse hinsichtlich des Stiftungsvermögens in Wahrheit bei ihm. Die Stiftung sei dann nur eine Hülle für das materiell beim Stifter verbliebene Eigentümerinteresse. Die unter Wiederrufsvorbehalt stehende Stiftung sei somit eher einem für die unselbständige Stiftung charakteristischen Treuhandgeschäft vergleichbar. Erst mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts sei das Stiftungsgut endgültig aus dem Vermögen des Stifters ausgeschieden.
Für den Fall treuhändig gehaltener Anteile hat Schauer (in Anm zu WoBl 1999/43) die Ansicht vertreten, dass bei der Prüfung einer entscheidenden Änderung rechtlicher und wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten im Sinn des § 12a Abs 3 MRG diese dem Treugeber zuzurechnen seien.
Diesen Ansichten hat sich der erkennende Senat nicht angeschlossen. Wie aus den Regelungen über die Abwicklung und Verteilung des Vermögens nach Widerruf der Privatstiftung hervorgeht, besteht kein Zweifel daran, dass eine solche Abwicklung ex nunc und nicht ex tunc erfolgt. Das bedeutet, dass unbeschadet des Vorbehalts eines Widerrufs die Privatstiftung mit Eintragung im Firmenbuch entsteht und erst mit der Eintragung der Beendigung der Abwicklung zu löschen ist (§ 37 PSG). Trotz der Möglichkeit, die Privatstiftung zur Beendigung zu bringen, hat also die rechtliche und wirtschaftliche Änderung, die das Anhebungsrecht des Vermieters auslöst, bereits stattgefunden. Der Gedanke des Fortbestehens einer "wirtschaftlichen Identität" der Privatstiftung mit dem Stifter ist insofern abzulehnen. Eine solche entsteht im Fall des Widerrufs, nicht aber bereits durch Schaffung eines Widerufsvorbehalts.
Zutreffend verweist die Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang auch darauf, dass nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 12 Abs 3 MRG aF sowie zu § 12a Abs 1 MRG mehrfach ausgesprochen wurde, dass die Möglichkeit einer Rückabwicklung des zur Anhebung führenden Veräußerungsgeschäftes kein Hindernis für die Rechtsfolgen des § 12a Abs 1 MRG darstelle (WoBl 1989/58; MietSlg 47.229). Andernfalls wäre es allein in die Hand des von der Mietzinsanhebung betroffenen Mieters gestellt, durch Vorbehalte eines Widerrufs einer Privatstiftung die Rechtsfolgen des § 12a Abs 3 MRG zu verhindern.
Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung ist es daher durch Übertragung sämtlicher Aktien an die neu errichtete Privatstiftung sowohl zu rechtlichen als auch wirtschaftlich entscheidenden Änderungen in der Mietergesellschaft im Sinn des § 12a Abs 3 MRG gekommen, was das Anhebungsrecht des Vermieters dem Grunde nach bejahen lässt.
Der Revisionsrekurs war daher berechtigt.