OGH vom 29.10.1992, 6Ob594/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider den Zweitbeklagten und Gegner der gefährdeten Partei Dipl.Ing.Armin R*****, vertreten durch Dr.Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausfolgung einer gemäß § 390 EO erlegten Sicherheit von 2 Mio S, infolge Revisionsrekurses des Zweitbeklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den zum Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 36 Cg 1/89-208, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom , AZ 16 R 146/92 (ON 216), den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und die angefochtene Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses auf Antragsabweisung abgeändert.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Zweitbeklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit 21.269,16 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten an Umsatzsteuer 3.544,86 S) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin hat als gefährdete Partei einen Betrag von 2 Mio S als Sicherheit gemäß § 390 EO erlegt. Das Prozeßgericht erster Instanz hob die einstweilige Verfügung zufolge Ablaufes der Zeit, für die sie erlassen worden war, beschlußmäßig auf. Die diese Aufhebung bestätigende Rekursentscheidung wurde dem Gegner der gefährdeten Partei am zugestellt. Mit einem am zur Postaufgabe gebrachten und beim Prozeßgericht am folgenden Tag eingelangten Schriftsatz (ON 188) stellte der Gegner der gefährdeten Partei ein den Sicherheitsbetrag um ein vielfaches übersteigendes Ersatzbegehren im Sinne des § 394 EO. Daraufhin beantragte die gefährdete Partei mit ihrem am bei Gericht eingelangten Schriftsatz (ON 189) die Rückzahlung des von ihr erlegten Sicherheitsbetrages, weil das Kautionspfandrecht ihres Gegners bereits erloschen wäre; dieser habe es nämlich verabsäumt, innerhalb der Vierzehntagefrist des § 400 EO einen durch die Sicherheitsleistung geschützten Anspruch geltend zu machen. Der am 14. Tag nach Zustellung der die Aufhebung der einstweiligen Verfügung bestätigenden Rekursentscheidung zur Post gegebene Antrag gemäß § 394 EO sei erst am folgenden Tag bei Gericht eingelangt und habe die als materiell-rechtliche Zeitbestimmung zu qualifizierende Frist des § 400 EO - auf die § 89 GOG keine Anwendung finde - nicht zu wahren vermocht. Mangels rechtzeitiger Geltendmachung eines gesicherten Anspruches sei das an der Sicherheit erworbene gesetzliche Pfandrecht kraft Gesetzes erloschen.
Das Prozeßgericht wies den Rückzahlungsantrag der gefährdeten Partei ab.
Es wertete die Frist des § 400 EO als verfahrensrechtliche Frist und damit die mit dem am letzten Tag der Frist zur Postaufgabe gebrachten, wenn auch erst am folgenden Tag bei Gericht eingelangten Schriftsatz erfolgte Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches für die Aufrechterhaltung des gesetzlichen Pfandrechtes an der Sicherheit als fristwahrend.
Das Rekursgericht vertrat die gegenteilige Ansicht und änderte den erstinstanzlichen Beschluß im Sinne einer Stattgebung des Rückzahlungsantrages der gefährdeten Partei ab. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Der Gegner der gefährdeten Partei erhebt einen Revisionsrekurs mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses zielenden Abänderungsantrag sowie hilfsweise gestellten Aufhebungsanträgen.
Der Revisionsrekurs ist im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil die Frage, wodurch und wann das gesetzliche Kautionspfandrecht des Gegners der gefährdeten Partei an einem von der gefährdeten Partei als Sicherheit gemäß § 390 EO erlegten Vermögensgegenstand erlischt, einer kritischen Erörterung bedarf.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Mit dem gerichtlichen Erlag eines Vermögenswertes als Sicherheit gemäß § 390 EO erwirbt der Gegner der gefährdeten Partei am Erlagsgegenstand ein gesetzliches (Kautions-)Pfandrecht. Über das Erlöschen dieses gesetzlichen Pfandrechtes trifft die Exekutionsordnung keine ausdrückliche Regelung. Nach der Anordnung des § 400 EO darf eine zur Deckung der Kosten oder der Schadenersatzansprüche von der gefährdeten Partei erlegte Sicherheit erst nach Ablauf von vierzehn Tagen seit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses ausgefolgt werden, durch welchen die einstweilige Verfügung aufgehoben wurde. Die Regelung ähnelt der des § 377 Abs 4 EO, läßt aber ebenso wie diese das gemäß § 56 ZPO am Erlagsgegenstand begründete gesetzliche Kautionspfandrecht unerwähnt. Die Bestimmung nimmt aber offensichtlich auf dieses Pfandrecht Bedacht und will es ohne Einwilligung des Begünstigten keinesfalls früher als vor Ablauf von vierzehn Tagen ab dem Eintritt der Rechtskraft des die einstweilige Verfügung aufhebenden Beschlusses erlöschen lassen. Das Gesetz ordnet nicht den ganz offenkundig beabsichtigten Fortbestand des gesetzlichen Kautionspfandrechtes an, sondern verbietet die Ausfolgung des Pfandgegenstandes. Diese Gesetzestechnik läßt auf die Vorstellung des Gesetzgebers rückschließen, daß die Eigenart des Wesens (Kaution), des Zweckes (Sicherung von Kosten- und Schadenersatzforderungen, deren Geltendmachung jeweils in das Sicherungsverfahren oder doch als Annex zu diesen in einem Verfahren nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung vor das Sicherungsgericht verwiesen ist) und des Entstehungsgrundes (§ 56 ZPO) des Pfandrechtes nicht zum Anlaß für eine besondere Regelung seines Erlöschens genommen und die - nur teilweise - gesetzlich geregelte Rückstellung des Pfandgegenstandes als Folge eines vorauszusetzenden vorangegangenen Pfandrechtserlöschens gesehen werden sollte. Das befristete Ausfolgungsverbot soll vielmehr ein nicht etwa schon aus sonstigen allgemein sachenrechtlichen Gründen erloschenes Kautionspfandrecht vor dem Untergang bewahren, wobei der Erlöschensakt und -zeitpunkt in der Ausfolgung des Verwahrungsgegenstandes gesehen wird.
Nach der Gesetzestechnik ist also von dem Denkmodell auszugehen, daß das gesetzliche Kautionspfand am Erlagsgegenstand mit der Ausfolgung als dem zeitlichen Ende des Erlages im Sinne der allgemeinen sachenrechtlichen Regelung des § 467 ABGB erlischt und nicht umgekehrt, daß der Erlagsgegenstand auszufolgen wäre, weil das Pfandrecht aus einem gesetzlich nicht klar und eindeutig geregelten Grund bereits vorher erloschen wäre. Als Zeitpunkt der Ausfolgung ist in diesem Zusammenhang der Eintritt der Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses über die Ausfolgung anzusehen, weil damit die Rechtfertigung der weiteren gerichtlichen Verwahrung entfällt.
Solange das gesetzliche Kautionspfand noch nicht erloschen ist, bleibt dem durch die Sicherheitsleistung begünstigten Gegner der gefährdeten Partei die Geltendmachung seines am Erlagsgegenstand erworbenen Kautionspfandrechtes gewahrt.
Für die Erledigung des konkreten Ausfolgungsantrages ist im Sinne der dargelegten Auslegung des § 400 EO nicht entscheidend, ob die in dieser Gesetzesstelle angeordnete Frist als eine materiellrechtliche Ausschlußfrist gedeutet oder als verfahrensrechtliche Frist gesehen wird, auf die unter anderem auch § 89 GOG anzuwenden wäre, sondern ausschließlich der Umstand, daß der Gegner der gefährdeten Partei seinen nicht offenkundig unschlüssigen Antrag im Sinn des § 394 EO gestellt hat, noch ehe das Gericht über den Ausfolgungsantrag der gefährdeten Partei entschieden hat.
In Abänderung der Rekursentscheidung war daher die erstinstanzliche Abweisung des Ausfolgungsantrages wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 und 52 ZPO, §§ 78, 402 EO.