OGH vom 02.03.2005, 7Ob312/04i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, 1082 Wien, Landesgerichtsstraße 11, gegen die beklagten Parteien 1. Ahmet T*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Kornelia Z*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehenichtigkeit gemäß § 23 EheG, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 48 R 204/04m-31, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom , GZ 5 C 158/02t-28, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da die Ansicht vertreten werden könnte, der Sinn der Bestimmung des § 23 EheG bestehe nicht darin, eine bloß zum Schein geschlossene Ehe in jedem Fall zu beseitigen, sondern nur dann, wenn durch die bekämpfte Scheinehe tatsächlich der verpönte Zweck der Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe in der extensiven Auslegung der oberstgerichtlichen Judikatur erreicht werde.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Zurückweisung des Rechtsmittels kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Nach § 17 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen der Eheschließung sowie der Ehenichtigkeit und der Aufhebung für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen. Nach türkischem Recht fehlt ein dem § 23 EheG entsprechender Nichtigkeitsgrund (vgl Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Türkei, S 65, Art 145), sodass zwischen österreichischem und türkischem Recht keine Konkurrenz besteht (vgl EvBl 1990/8; RIS-Justiz RS0077156).
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine Ehe auch dann gemäß § 23 Abs 1 EheG nichtig, wenn sie - ohne die Absicht eine Lebensgemeinschaft zu begründen, ausschließlich oder zumindest überwiegend zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Ausländer den unbeschränkten Aufenthalt in Österreich und/oder den unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, und zwar selbst dann, wenn nach Erfüllung der Voraussetzungen der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht angestrebt wird (7 Ob 131/04x, 1 Ob 30/01w, 6 Ob 142/00a uva; RIS-Justiz RS0052090).
§ 23 EheG schränkt die Ehefreiheit in ihrem Wesensgehalt nicht ein (1 Ob 389/97f). Ein Verstoß gegen das verfassungsmäßig gewährleistete Grundrecht nach Art 8 MRK ist zu verneinen, weil die Eheschließung nicht auf die Gründung einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerichtet gewesen ist (1 Ob 389/97f, 7 Ob 2179/96h, RIS-Justiz RS0105093, RS0102982).
Im Gegensatz zu den Ausführungen der Revision hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass durch die nunmehrige ausdrückliche Aufnahme der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine Scheinehe als Ausweisungsgrund und Grund für ein Aufenthaltsverbot in § 34 Abs 1 Z 3 und § 36 Abs 2 Z 9 FrG 1997 an der bisherigen Auslegung des § 23 EheG nichts geändert hat (6 Ob 142/00a, 1 Ob 30/01w). Gleiches gilt für den Beschluss des Assoziationsrates EWG-Türkei vom Nr 1/80 (7 Ob 2179/96h).
Auch die Entschließung des Rates vom über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen, 97/C382/01, hat an der oben dargelegten Rechtslage nichts geändert. Auch danach müssten von den Mitgliedstaaten gleichwertige Maßnahmen zur Bekämpfung des Phänomens Scheinehe als Mittel zur Umgehung von Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Angehörigen dritter Staaten ergriffen werden. Das Argument, die Nichtigerklärung einer Ehe stelle keine gleichwertige Maßnahme im Sinne der Entschließung dar, diese könnte sich ausschließlich auf aufenthaltsrechtliche Konsequenzen beziehen, ist nicht nachvollziehbar. Die Entschließung zielt nach ihrem klaren und nicht auslegungsbedürftigen Text nicht auf den „Schutz einer verpönten Scheinehe" ab, diese ist vielmehr (auch nach ihr) von den nach innerstaatlichem Recht zuständigen Behörden festzustellen. Nach österreichischem Recht ist das Vorliegen einer Scheinehe als Hauptfrage nach § 23 EheG von österreichischen Gerichten zu beurteilen.
Eine erhebliche Rechtsfrage wurde nicht geltend gemacht.